Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

36 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts. 
a) die epitome luliani, ein lateinischer Auszug aus 124 Novellen (zwei doppelt), von 
einem Professor in Konstantinopel; die jüngste Novelle ist von 555, also wahrscheinlich der Aus- 
zug 556 gemacht; 
b) das authenticum oder der liber authenticorum (sog. Vulgata), eine Sammlung von 
134 Novellen, die lateinischen im Urtexte, die griechischen in lateinischer Übersetzung, wahr- 
scheinlich, ebenso wie die epitome, veranlaßt durch das Bedürfnis des neueroberten Italiens!; 
c) die Sammlung der 168 Novellen, die aber mehrere doppelt, mehrere von Justinians 
Nachfolgern und nur 153 wirklich Justinianische enthält, die griechischen im Urtexte, die lateini- 
schen im griechischen Auszuge. Sie ist (wie auch die Vorlage des authenticum), vermutlich in 
den Rechtsschulen, allmählich entstanden und erst unter Justinians Nachfolgern abgeschlossen, 
im byzantinischeu Reiche allgemein benutzt, im 15. Jahrhundert nach Italien gebracht und 
im Jahre 1531 in Deutschland von Haloander zuerst herausgegeben worden. 
d) Dazu kommen noch mehrere vereinzelt aufgefundene Novellen, namentlich die sog. 
13 edicta lustiniani. 
§ 69. Studienordnung. Der Rechtsunterricht hat sich seit der Mitte des 3. Jahr- 
hunderts immer mehr zu einer staatlichen Einrichtung gestaltet. Es gibt Rechtsschulen mit 
öffentlich angestellten und besoldeten Lehrern in Beryt, Rom und spätestens seit 425 in Kon- 
stantinopel. Daneben bestanden staatliche Akademien in Athen, Alexandrien und Cäsarea: 
sie hat Justinian ausgehoben. Die Lehrer an diesen Hochschulen scheinen nicht ohne wissen- 
schaftliche Bedeutung gewesen zu sein, namentlich die von Beryt: ihre Jünger, die Kompila= 
toren, rühmen sie als „Helden und Lehrer des Erdkreises“. Vielleicht sind auf diese Kreise die 
Bruchstücke griechischer Kommentare zu klassischen Schriften zurückzuführen, die man im Sinai- 
kloster entdeckt hat 2. Der Lehrkursus an allen diesen Anstalten war wohl gleichmäßig geordnet. 
Er war vierjährig. Im ersten Jahre führten die Studenten den (nicht recht zu erklärenden) 
Spitznamen dupondiüz sie lasen die Institutionen des Gaius (in zwei Büchern?) und vier libri 
Singulares, d. h. sie hörten erläuternde Vorträge darüber. Im zweiten Jahre hießen sie edictales 
und lasen die „prima pars legum“ und einzelne Titel der 2. und 3., das ist doch wohl einen 
Ediktskommentar. Im dritten Jahre werden sie Papinianistae, lesen die übrigen Bücher der 
2. und 3. pars und zugleich (die ersten) acht Bücher von Papinians Responsen. Das vierte 
Jahr der Lytae (d. h. wohl der „Löser“, die zur selbständigen Lösung von Schwierigkeiten be- 
fähigt sind) ist zum Privatstudium in Paulus' Werken bestimmt 3. 
Justinians Gesetzgebung machte eine neue Studienordnung erforderlich. Mit Rücksicht 
auf die Lehre hat er seine Digesten in sieben Teile zerlegt: ochr#a (1—5), de judiciis (6—11), 
de rebus (12—19) — so genannt von den Überschriften 5, 1 und 12, 1 —, umbilicus (20—206), 
1 Zachariäd, Sitzungsberichte der Berliner Akademie, 1882, S. 993 f. hält diese Samm- 
lung für die im Jahre 556 im eroberten Italien amtlich bekannt gemachte Übersetzung der bis 
dahin erschienenen Novellen Justinians. Dagegen Krüger, Gesch. der Quellen, S. 357 
Anm. 29, und Noailles in dem angef. Buch p. 1668. 
* Die sog. fragm. Sinaitica, ausgefunden von Bernardakis und zuerst auf Grund 
mangelhafter Abschrift herausgegeben von Dareste, NRH. 1880. p. 645 s. (Lenel, Z3R. 
XV S. 233); dann von Zachariä, Monatsberichte der Berliner Akademie. 1881 S. 620 ff.; 
endlich von Krüger, 8R. XVII S. 1f. und in der coll. lib. iur. III. 
: Eine sehr interessante Ergänzung zu dem Bericht, den Justinian in der c. Omnem über 
die frühere Art des Rechtsstudiums gibt, bietet die in einer syrischen UÜbersetzung erhaltene, ur- 
sprünglich griechische Vita des Antiochenischen Patriarchen (512—518) Severus von Zacharias 
Scholastikus (Patrologia Orientalis II, Paris 1907, mit französischer Übersetzung), auf die mich 
Eduard Schwartz aufmerksam gemacht hat. Zacharias kommt (etwa 488) zum Rechtsstudium 
nach Beryt, trifft dort seinen Freund Severus, der es bereits zum edictalis gebracht hat, und ist 
angenehm überrascht, daß dieser ihn, den dupondius, nicht nach der Weise der älteren Studenten 
hänselt (I. c. p. 47). Dann wird (p. 91) berichtet, wie Severus rode v#s na##hdi# (studiert? 
auswendig lernt?) und die Kaiserkonstitutionen bis zur Gegenwart mit allem Fleiß zusammen- 
sucht, sich aber damit nicht begnügt, sondern daneben noch r### % Bodez lee robmit- 
einander vergleicht, worunter wir uns wohl l# oder auch Scholien nach Art der Sinaitica. 
vorzustellen haben (das Griechische nach Rückübersetzung von Ed. Schwartz). Den von Vorlesungen 
und Repetition freien Samstagnachmittag widmen die beiden frommen Studenten der christlichen 
Philosophie (p. 52 s.).
	        
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