3. Bruns-Lenel, Geschichte und Quellen des römischen Rechts. 389
Das neue Gesetzbuch rief auch wieder eine neue wissenschaftliche Tätigkeit hervor. Schon
Leos Sohn, Konstantinus Porphyrogennetus, ließ einen amtlichen Kom-
mentar zu den Basiliken aus den Schriften der Justinianischen Juristen zusammenstellen, der
in den Handschriften unter Bezeichnung der Verfasser auf den Rand geschrieben wurde. Dies
sind die sog. rapaxpa## cb### acb#, die für uns als Ergänzung des Basilikentextes von
großem Werte sind. Geringen Wert haben die véa wapa#pa#ha, d. h. die Anmerkungen, die
von den späteren Juristen allmählich hinzugefügt und im 12. Jahrhundert zu einer Art glossa
ordinaria verarbeitet wurden. Wir nennen alle diese Anmerkungen „Scholien“; eigentlich
nannte man oôkoew nur die kurzen Worterklärungen und Zitate 1.
Die selbständigen Schriften aus der Zeit bis zum 13. Jahrhundert sind fast nur Auszüge
(entropad, &kxloyal) oder lbersichten (covômetc) oder kurze Handbücher (#eölenpoy) in ver-
schiedenen Formen 2, eines auch in Versen von Psellus für den Kaiser Michael Dukas
1072 3.
Den Schluß macht der sog. kaeßo, d. h. ein oleuo voneo in sechs Büchern, von
Konstantinus Harmenopulos, einem Richter in Thessalonich, vom Jahre 13454,
ein kläglicher Auszug aus den Auszügen der Auszüge, der aber in der türkischen Zeit der einzige
UÜberrest des großen römischen Rechts blieb und im Königreiche Griechenland im Jahre 1835
eigentliche Gesetzeskraft erhalten hat 5.
Sechste Periode. Das römische Recht im
Mitrtelalter“.
I. Das römische Recht bei den Germanen.
§ 71. Dem senilen Marasmus, in den das römische Recht im Oriente versank, steht die
eigentümliche Erscheinung gegenüber, daß es im Abendlande verjüngt wieder auflebte. Als
das römische Reich durch die germanischen Völker umgestürzt wurde, hätte damit leicht auch
das römische Recht verdrängt werden können. In der Tat ward in England und Deutschland
mit der römischen Bevölkerung und Kultur auch das römische Recht weggefegt. In Italien,
Frankreich und Spanien dagegen konnte begreiflich nicht die gesamte romanisierte Bevölkerung
vernichtet oder vertrieben, ja nur unterdrückt werden. Die Eroberer begnügten sich mit der
Oberherrschaft und der Abtretung eines Teiles von Grund und Boden, ließen aber übrigens,
namentlich in den Städten, die römische Bevölkerung in ihren alten Zuständen und mit ihrem
sammensetzung der Basiliken. Wichtige Nachträge zu Buch 15—19 liefert: Supplementum editionis
Basil. Heimbachianse, ed. Zachariae. 1846. Weitere Nachträge bes. zu Buch 19. 35. 44.
53. 58 sind in dem 1897 erschienenen 7. Bd. der Heimbachschen Ausgabe, edd. Foerrini et
Mercati, enthalten und zu Buch 58—60 aus einem neuentdeckten Palimpsest der Vatikanischen
Bibliothek noch zu erwarten, vgl. Ferrini, Byzant. Ztschr. X1 S. 105 f.
Näheres über diese Scholien s. in Heimbachs Bafiliken VI p. 191—215.
Die wichtigsten finden sich in: Bac##tuchr ecloga s. synopsis ex ed. Leunclavii. 1575.
Leunclavij ius graeco-romanum. 1593. (ed. II. 1596.) lus graeco-romanum, ed. Zacha-
riae. VII voll. 1856—84. Ein Repertorium aus dem 12. Jahrhundert ist der sog. Tipucitus
(rl Kob ze#a), in Heimbachs Bas. zur Ergänzung des lückenhaften Textes verwendet.
* Mich. Pselli synopsis legum, ed. Teucher. 1789.
Const. Harmenopuli manuale legum, ed. Heimbach. 1851.
* Geib;, Darstellung des Rechtszustandes in Griechenland. 1835.
* Das Hauptwerk über diese ganze Periode und die Grundlage für alle späteren Unter-
suchungen ist: Savigny, Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter. 7 Bde. 2. Aufl.
1834—51. Bgl. ferner das überaus gründliche Werk von Conrat (Cohn), Geschichte der Quellen
und Literatur des römischen Rechts im früheren Mittelalter. 1. (einz.) Bd.