Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

416 Ernst Rabel. 
Die Ehe der römischen Blütezeit heißt die „freie“ im Gegensatz zu der archaischen, die 
Frau in die Herrengewalt (manus) des Mannes stellenden. In der Tat ist „das Grundprinzip 
für das römische Eherecht“ 1: libera matrimonia esse (Alex. C. 8, 38, 2). Das gilt von der Ehe- 
schließung, die weder eine staatliche noch eine religiöse Form erfordert, von der persönlichen 
und güterrechtlichen Stellung der Frau neben dem Mann und von der Scheidung. Wohl 
kontrastiert diese abstrakte Freiheit mit dem tiefen Gedanken des Ehesakraments, keineswegs 
aber etwa mit der Innigkeit der germanischen Ehe. Im Gegenteil galt nicht bloß allezeit die 
völlige religiöse und wirtschaftliche Einheit des Hauses als Typus und Ideal, sondern gerade 
die Juristen arbeiteten den sittlichen Charakter der Ehe ein für allemal heraus, indem sie ihre 
Dauer und ihre Intensität aufs höchste gesteigert denken. „Ehe ist die Verbindung von Mann 
und Frau und Genossenschaft des ganzen Lebens, die Gemeinschaft des göttlichen und mensch- 
lichen Rechts“ lautet die Definition bei Mod. D. 23, 2, 1; von „ungeteilter Lebensgemeinschaft" 
spricht Just. J. 1, 9, 1 nach einer klassischen Quelle. Die antike Auffassung geht zwar eher 
von der Aufgabe der Ehe aus, eheliche Kinder zu erzeugen, und von ihrer Bedeutung, die 
Monogamie zu sanktionieren, aber gerade die römischen Juristen betonten den honos matri- 
monü (Ulp. D. 24, 1, 32, 13) und die Willensbindung gegenüber dem sinnlichen Element. 
Wenn die Römer die theoretische Forderung gegenseitiger Achtung und Treue und des ehe- 
männlichen Schutzes nicht viel mit rechtlichen Zwangsvorschriften durchsetzten, ja, wenn sie die 
persönliche Freiheit wie im Eheschluß so in den ehelichen Beziehungen für das Wichtigste hielten, 
so auch damit die Liebe keinen pekuniären Beigeschmack bekomme (D. 24, 1, 3), gerade die 
Schenkungen unter Ehegatten verboten, so verdienen sie wohl nur den Vorwurf eines die 
Menschen überschätzenden Liberalismus. Die Folge war sicherlich oft eine Beeinträchtigung 
der Frau; gesetzlich hatte sie z. B. weder Unterhalts- noch Erbrechte von Belang. Immerhin 
zählte man auf die üblichen Vertrags- und Legatssicherungen, und die „Lasten der Ehe“ treffen 
den Mann. Auch ist als Folge jener Freiheit der Verfall aller Zucht berüchtigt. Aber es 
gab doch eine Properzische Cornelia und die Turia, der ihr Mann die innigste Grabinschrift 
setzte; man tut nicht gut, aus römischen Satiren und französischen Romanen, nach Seneca 
und nach Schopenhauer ein Bild von Müttern und Gattinnen zu gewinnen. So ist auch der 
Schluß aus den Augusteischen Ehegesetzen auf eine Verkommenheit aller römischen Schichten 
so wenig ratsam, wie ein solcher aus den heutigen Gesetzesvorschlägen besorgter Beobachter 
des Zweikindersystems wäre. Jedenfalls, den römischen Juristen, die der Ehefrau eine dem 
Mann nahezu ebenbürtige Stellung einräumten und dazu in ihrer Familie ein gesetzliches volles 
Kindeserbrecht, läßt es sich nicht verübeln, daß sie ihr nicht Sicherungen gegen den Mann 
gaben, die kaum erst die jüngsten sozialen Bestrebungen durchzusetzen beginnen. 
Auch zum Eheschluß gehört bereits die Willenserklärung der Brautleute neben derjenigen 
des Gewalthabers (Paul. D. 23, 2, 2; Ulp. 5, 2); merkwürdigerweise soll gerade bei Töchtermn 
der stillschweigende Vaterkonsens genügt haben (Jul.-Paul. D. 23, 1, 7, 1) und dieser Konsens 
sogar durch die Behörde ersetzt werden?2. Geisteskrankheit des Gewalthabers befreit auch 
Söhne seit Marc Aurel von seiner Zustimmung ()X.. 1, 10 pr.; C. 5, 4, 25). 
Der Eheschluß läßt sich auch durch Brief oder Boten ausdrücken; nur wenn der Bräutigam 
abwesend ist, wird wenigstens gefordert, daß die Braut ins Haus des Mannes geleitet werde 
(domum ducere, Pomp. D. 23, 2, 5, Paul. S. 2, 19, 8). Im übrigen wird aus den religiösen 
oder festlichen Zeremonien nach Lage des Falles der entscheidende Augenblick des Konsenses 
ermittelt (Scaev. D. 24, 1, 66); auf die Copula carnalis kommt es nicht an (Ulp. D. 35, 1, 15). 
Ausnahmsweise könnte also die Heirat gar nicht bewiesen werden; auch dann nehmen die 
späteren Juristen im Zweifel Ehe an, nicht Konkubinat (Mod. D. 23, 2, 24). 
Die persönliche Fähigkeit zur Ehe (conubium 9) fehlt den Nichtrömern einschließlich aller 
Latini der Kaiserzeit, vorbehaltlich besonderer Verleihung. Die Ehe zwischen Nichtrömern 
kann nach dem Recht einer Gemeinde gültig sein. Zwischen Römern und Peregrinen aber 
1 Bruns, diese Enzykl. vor. Aufl. 399. 
à Näheres Moriaud, Mél. Girard 2, 291, dessen Begründung, daß es auf Töchterehen 
dicht p sehr ankam, etwas unglaublich klingt. — Über die Zustimmung des Vormunds Mitteis, 
.,.. 
«Mitteis,PR.121—123.71;Wlassak,Prozeßgeietzel77f.
	        
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