Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 419 
Leibesfrucht muß aber binnen zehn Monaten nach dem Tode des Vaters geboren werden. 
(Ulp. D. 38, 16, 3, 9—12.) 
Dieselbe Frist sowie die Ansicht des Hippokrates, daß im siebenten Monat eine reife Frucht 
geboren wird, entscheiden auch über den jiustus filius nach dem Augusteischen Ehegesetze (Paul. 
D. 1, 5, 12) und die letztere über das Erbrecht der Mutter (Paul. S. 4, 9, 5). Zu einer Be- 
weisregel oder gar einer unwiderleglichen Vermutung im Sinn unserer modernen Lehre von 
der Ehelichkeit ist es nicht gekommen. Der berühmte Satz pater est qguem nuptiae demonstrant 
rechtfertigt bloß die Anwendung des Edikts gegen die Prozeßladung des Vaters (Paul. D. 2, 
4, 5), offenbar in dem Sinn, daß der eheliche Vater sich darauf ohne weiteres, der uneheliche 
erst nach Beweis der Zeugung berufen darf. Die Klassiker formulieren eben noch nicht die 
auf die Geburt gestützte Familienstellung; alles dazu nötige haben sie aber entwickelt. 
§ 16. Adoption und Emanzipation: beruhen in der hier maßgebenden Epoche auf der 
Macht des Hausvaters, die Zugehörigkeit zum Hause zu bestimmen. Das aus seiner Macht 
fließende Recht, die Kinder zu verkaufen, hatte auch die formelle Handhabe geboten, das 
Adoptionsgeschäft unter Hausvätern (datio in adoptionem) und die Entlassung aus der Ge- 
walt (emancipatio) formell aufzubauen. Dagegen wird freilich ein Eigenberechtigter in eine 
Kindesstellung seit alters durch Beschluß der Kuriatkomitien ausgenommen (adrogatio); ob 
nur deshalb, weil sein Haus erlischt, oder weil hier ein Anfang des Adoptionsrechts liegt, steht 
dahin. Jedenfalls bildet in der Zeit der Juristen doch auch bei der Arrogation die Verfügung 
des Aufnehmenden den Kernpunkt. Alle die alten Formen für die drei Geschäfte sind noch 
geltenden Rechts; die Arrogation durch die Komitien wird von derjenigen durch kaiserliche 
Restkripte tatsächlich verdrängt. Die letztere und die adoptio per testamentum sind aber aus 
den Rechtsquellen nicht recht verfolgbar. 
Manche alten Motive zur Kindesannahme sind jetzt ohne Kraft, namentlich das älteste, 
daß man auf Fortsetzung des verwaisenden Hauses bedacht war; andere, wie die Aufnahme 
der nichtagnatischen Abkömmlinge zur Sicherung ihrer Erziehung und Erbrechtsbeteiligung, 
stehen im Vordergrund. Nicht durchwegs klar ist jedoch, wie weit der zweifellos schon vorhandene 
und nachmals in der Gesetzgebung vorherrschende Gedanke, daß der Staat die Interessen der 
Unmündigen und Gewaltunterworfenen wahren soll, sich schon im Recht niederschlägt. Am 
sichersten ist dies bei dem dafür geeignetsten Arrogationsverfahren. In Rom prüfen die 
Pontifices die Zulässigkeit nach zahlreichen Richtungen und fordern vor der nun grundsätzlich 
zugelassenen (Gai. 1, 102) Arrogation eines Unmündigen die Sicherstellung seines Vermögens 
für den Fall, daß er in der Unmündigkeit verstirbt (D. 1, 7, 18). In den Provinzen sind die 
Statthalter damit befaßt. Ob auch bei der Adoptio im engeren Sinn der in Rom (anläßlich 
des Schlußakts, der Iniurecessio) mitwirkende Prätor seine Addictio unter Umständen versagte, 
wie er zweifellos konnte, ist nicht bezeugt. Die Zustimmung des gewaltunterworfenen Kindes 
selbst ist sicher noch nicht gefordert?, es genügt der Wille des Gewalthabers. Wegen der Natur 
der hausherrlichen Gewalt auch geschieht es, daß Frauen nicht adoptieren können, nicht etwa 
ist „adoptio imitatur naturam“ ein klassisches Rechtsprinzip 3. 
In der ägyptischen Praxis hat man sich überhaupt nicht viel um die römischen Formen 
und Arten der Kindesannahme gekümmert, und die Papyri des 4. Jahrhunderts, die diesen 
Rückschluß erlauben, zeigen zugleich, daß der orientalische Urkundenbrauch das Vorbild für die 
Justinianische nur auf Erziehung und Erbrecht des Angenommenen gerichteten adoptio minus 
1 UÜber Arrogatio: Desserteauk, Etude sur les effets de Padrogation 1892; Audi- 
bert, Nouv. rev. 1893, 363; R. Leonhard in Realenz. 1, 419. Über die Prüfung durch 
die pontifices Girard, Manuel 178. Adoption: Gunnar Bergman, Beiträge zum röm. 
Adoptionsrecht, Lund 1912. 
: Cels. D. 1, 7, 5, Satz 1; der zweite Satz ist itp. (Mommsen, Lenel). 
Das Gegenteil lehrt Moriaud, Simple famille paternelle 123. Aber (Jav.) D. 1, 7, 16 
und der Satz bei Pap. D. 28, 2, 23 pr. ne imagine naturae veritas adumbretur (dazu Bergman 
142, 1) sind ollensichtüch unecht, serner vgl. Gai. 1, 103 mit J. 1, 11, 9 betreffs der Kastraten, 
und das Justinianische Erfordernis der Altersdifferenz von 18 Jahren D. 1, 7, 40, 1 itp. (Col- 
linet, Nouv. rev. 1900, 381); J. 1, 11, 4. Der anderen Voraussetzung des & 1744 BGB. (daß 
der Adoptierende 50 Jahre alt sein muß) entspricht freilich schon Ulp. D. 1, 7, 15, 2, der 60 Jahre 
für die Regel fordert. 
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