Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 421 
verschafft es sich der Vater selbst, indem erst er den Schlußakt setzt (parens manumissor). Den 
Patron und dessen agnatische Abkömmlinge verbindet mit dem Freigelassenen ein Band der 
Treue und des Schutzes, von dem die oft gemeinsamen Grabdenkmäler eindringlich zeugen 
und das von Rechts wegen sich äußert z. B. in dem gegenseitigen Unterhaltsanspruch, dem 
Erfordernis behördlicher Bewilligung für Klagen des Freigelassenen gegen den Patron und 
der Rechtswohltat des Notbedarfs des letzteren, vor allem in einem sehr bevorzugten In- 
testaterbrecht, prätorischen Pflichtteilsrecht und Vormundschaftsrecht des Patrons. Häufig tritt 
aus Stipulation oder Eid das Recht auf Dienste des Freigelassenen hinzu. 
Von der Freilassung ab erhält die Persönlichkeit des bisherigen Sklaven Beachtung. 
Z. B. werden die vom Freilasser vereinbarten Rechte vom Prätor daraufhin untersucht, ob 
sie nicht die Freiheit beschweren (D. 38, 1, 2; 44, 5, 1, 5), ein den Griechen unbekannter Ge- 
danke. Die Sklavenfamilie, nur ein faktisches Verhältnis (oben 414 N. 2) bekommt die Bedeutung 
eines Ehehindernisses (Paul. D. 23, 2, 14, 2; J. 1, 10, 10) u. a. m. 
g 18. Sklavereiähnliche Zustände. Die Antike kennt sehr viele Gründe für die Botmäßig- 
keit eines Menschen, darunter auch zahlreiche Unterwerfungen unter einen nicht geradezu 
stlavenmäßigen oder einen bedingten Sklavenzustand: Zwangsvollstreckung in die Person; 
freiwillige Selbstverknechtung eines Hafters vorweg für den Fall der Nichterfüllung einer 
Schuld oder nachträglich nach Schuldverfall eingegangen; schwebende oder beschränkte Frei- 
lassung eines Sklaven. Einzelne Erleichterungen sind durch republikanische Gesetze, z. B. die 
frühe Lex Poetelia, verfügt. Die Zeit des römischen Amtsrechts zeichnet sich immerhin da- 
durch aus, daß die schweren Bindungen der Vorzeit verringert und abgeschwächt sind und neue 
nur in Einzelfällen und nur zum Wohle der unterworfenen Personen zugelassen werden. Erst 
die Mißregierung des niedergehenden Reiches hat im Gegenteil die allerdings starken pro- 
vinziellen Reste der Untertänigkeit aufs neue wuchern lassen und durch die grundherrschaft- 
liche Organisation die bis in unsere Zeit verhängnisvolle Bauernentrechtung geschaffen. 
Zwangsweise unterliegt der gewaltfreie Schuldner zwar noch immer der Personal- 
exekution, was aber nur die Privathaft bedeutet, bis er die Schuld bezahlt oder abgearbeitet 
hat 1, und offenbar ohne Minderung seines Freiheitsstandes. Ebenso können Hauskinder wegen 
Delikts noch ausgeliefert werden; dies ermöglicht dem Verletzten aber nicht mehr Rache mit 
Tötung oder Krechtschaft, sondern lediglich eine Entschädigung durch die Dienste des noxae 
deditus, bis die Schuld abverdient ist (Pap. Coll. 2, 3, 1). Hierdurch und durch die Manzi- 
pation des Hauskindes im Zuge des Adoptions- und des Emanzipationsrituals ergibt sich das 
den Juristen interessante Zwitterwerhältnis, indem der Bürger seine Persönlichkeit behält, 
aber Vermögenserwerb, Freilassung und patronatisches Erbrecht wie bei einem Sklaven gelten 7. 
Die ehemals so häufige Selbstverknechtung, die als Motiv des Ständekampfes dargestellt 
wird, darf auch nach Varro de re rust. 1, 17, 2 nur den östlichen Provinzen zugemutet 
werden; wahrscheinlich ist sie u. a. in gewissen Alexandrinischen Schuldverpflichtungen der 
Augusteischen Zeit vereinbart?. In Rom ist eine sehr schlimme Anwendung der alten Frei- 
heit, sich in einen sklavenähnlichen Zustand zu versetzen, dem Spielunwesen zulieb, dem 
Gladiator und Tierhetzer erlaubt". Ein wirkliches Herrschaftsrecht scheint in der klassischen 
Zeit auch wer jemanden aus der Kriegsgefangenschaft loskauft, an dessen Person bis zum 
Ersatz des Lösegeldes durch Bezahlung oder Dienst zu habens. 
i Lenel, Ed. '392—394; G. A. Leist in Realenz. addictus; Lewald, Zur Personal- 
exekution im Recht der Papyri (1910) 25 f. mit sonst. Lit. 
* Gai. 1, 123. 138—141; 2, 86 u. a. Adolf Schmidt, Das Hauskind in maneipio (1870); 
Mommsen,, Jur. Schr. 3, 5—8. 
* Darüber trefflich Lewald a. a. O.; nur ist die Vermutung, die crchxr#mot und die alt- 
römischen nexi hätten im Gegensatz zu der nachpoetelischen Schuldhaft durch den Arbeitsertrag 
nicht die Schuld abverdient, sehr zweifelhaft. Zu denken gibt z. B. der historische Rückschluß aus 
einer subsidiären Pflicht der Abarbeitung in der Isaurischen Lex Rhodia § 8. 
*"“ Mommsen,, Jur. Schr. 3, 9; Pollack in Realenz., auctoramentum u. auctoratus. 
* Bei Justinian hat er nur ein Pfandrecht an der Person; aber Interpolation ist wahrschein- 
lich: Pbampaloni, Bull. 17, 123—138; Lewald 71. Für die griechischen Rechte [Dem.] 
or. 53, 11; Gortyn VI, 46—55. "
	        
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