Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

428 Ernst Rabel. 
selber für das Verhältnis auf den Erwerb gerichteter Vereine zu ihren Mitgliedern übertriebene 
Folgerungen zu ziehen. 
§ 25. Entstehung und Rechtsfähigkeit. Der römische Staat, dessen Körperschaftsnatur 
im Namen, populus Romanus, hervortritt, steht samt seinem Vermögen (aerarium) in der 
Republik unter den besonderen Normen, die er sich geschaffen hat, und unterwirft sich weder 
bei Verträgen noch Prozessen dem Privatrecht. Dies gilt noch in der Kaiserzeit von dem 
Staatsvermögen, das dem Ararium verbleibt, während der unter die ausschließliche kaiserliche 
Verwaltung gestellte Teil (fiscus Caesaris) für seine Verträge dem Privatrecht folgt, die 
ordentlichen Gerichte allerdings im Lauf des Prinzipats immer mehr ausschaltet und sich eine 
große Fülle von Privilegien zuspricht. 
Juristische Persönlichkeit hat in der Kaiserzeit ferner jede öffentliche Körperschaft: Vicus, 
Pagus und Gemeinde. Ihre Rechtsfähigkeit wird zu einer nahezu unbeschränkten 1; Erben 
können sie nur deshalb nicht werden, weil sie keine „bestimmte Person" darstellen und zum 
förmlichen Erwerb der Erbschaft (cretio) außerstande sind (Ulp. 22, 5). Finanziell will man 
ja die Städte stärken, da sie als Rückgrat der kaiserlichen Steuerverwaltung herhalten mücssen. 
Im ganzen werden die Gemeinden als Subjekte des Privatrechts behandelt, mit Ausnahmen, 
unter denen sich die aus der italischen Gemeindesouveränität stammenden „Lokationen“, d. i. 
Verpachtungen und Werkverträge, erhalten 2. Einschränkungen bedingt aber die verwaltungs- 
rechtliche Aufsicht der Staatsbehördens, noch bedeutsamer der geringe Umfang der kommunalen 
Erwerbsbetätigungen. 
In der Geschichte der privaten Vereine ist das meiste dunkel. Kaum zweifelhaft ist doch 
ihr Ausgang von der freien Körperschaftsbildung her. Dies gilt nicht von den collegia im 
engeren Sinn, denn dies sind Genossenschaften von Trägern öffentlicher Amter und dem Privat- 
recht daher von Haus aus gar nicht angehörig; wohl aber von den sodalitates, den Bankett- 
gesellschaften, die sich zu einem Kult, tatsächlich aber je länger desto mehr zu anderen Zwecken 
zusammenfanden. Das lebhafte südländische Naturell machte aus ihnen, zumal in den be- 
wegten Zeiten der Bürgerkriege, leicht politische Klubs und Geheimbünde, zudem haben gewisse 
Verbindungen im Süden immer wieder aus Sittlichkeitsgründen zu Unterdrückungsmaßnahmen 
genötigt. Cäsar (Suet. Caes. 42) verbot den größten Teil der Sodalizien. Die dem Augustus 
zugeschriebene Lex Julia de collegiis hat dann offenbar wenig mehr zu ändem gehabt. Seit- 
her steht aber für den ganzen Bereich der Körperschaften (collegia im neueren Sinn) fest, daß 
sie der staatlichen Genehmigung bedürfen, die vom Kaiser oder vom Senat erteilt wird. Ohne 
solche bleibt nur eine Anzahl „alter und gesetzlicher Kollegien“ (Sueton Oct. 32) aufrecht, wommter 
wir die Priester- und Beamtengenossenschaften und die alten Gewerbsinnungen zu verstehen 
pflegen. Später werden als minder gefährlich auch die Vereine der niederen Schichten (collegia 
tenuiorum) erlaubt, vorausgesetzt, daß sie einem uns nicht genau bekannten Zweck, vermut- 
lich dem der Sterbekassen, dienen und nicht öfter als einmal im Monat Gelage abhalten. 
Was nicht die generelle oder spezielle Genehmigung empfangen hat, ist unerlaubter Verein 
und schon deshalb zur Rechtsfähigkeit untauglich. Die Autorisation selbst: „quibus coire con- 
venire collegiumque habere licet“ dürfte rein polizeilich gedacht sein. Denn dafür, daß die 
Rechtsfähigkeit jemals noch eigens verliehen worden wäre , gibt es kein Zeugnis. Vielmehr 
Über Legate Nerva und Hadrian s. Ulp. fr. 24, 28. Universalfideikommisse 8C. vor 117 
oder 123. Paul. D. 36, 1, 27; Ulp. fr. 22, 5. Servitutenerwerb durch Sklaven Jav. D. 8, 1, 12. 
Stipulationserwerb durch Sklaven Ulp. D. 4,. 3, 3 (puto valere: offenbar für irgend welche spezielle 
fragliche Anwendung.) 
* Näheres Mitteis, PR. 380—382. 
2 Unter diese gehören die Schenkungen der Gemeinden (Ulp. D. 50, 9, 4); daß auch die 
Schenkungen an sie (Mommsen, Jur. Schr. 3, 60; Mitteis 384 7T), ist nicht beweisbar. 
Über die Wirkung privater Erichung von- Bildsäulen i in den Städten stritt man wegen des Fehlens 
des Übereignungsaktes, vgl. auch D. 43, 24, 11, 1: qguasi publacats. 
4 Trajan, Plin. Ep. 10, 93 a. 111/113“ für Anisus. SCC. über Coll. symphoniacorum und 
coll. funeratickum Lanuvinum n. 136, Bruns n. 174, 175; Sept. Sev. für das ganze Reich: 
Marcian D. 47, 22, 1 pr. #1. 
* So Mitteis 399 ff., der das corpus habere bei Gai. D. 3, 4, 1 pr. 5 1 au „Rechts- 
fähigkeit haben“ auffaßt. Doch selbst, wenn dies zutrifft (dagegen, nicht dafür spricht m. E. „ne- 
que (Sodalicium) neque collegium neque huiusmodi corpus“ (falls echt! sowie Paul. D. 34, 
 
	        
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