Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

432 Ernst Rabel. 
herrschend. Sicherungsübereignungen ohne Besitzübertragung und Hypothek, soweit sie über- 
haupt in die römischen Gewohnheiten überging, konnten verstärkt werden, indem der Gläubiger 
die Erwerbsdokumente miterhielt — ein überall mangels Register geübter Brauch. Dadurch 
war dem Verpfänder die anderweitige Veräußerung abgeschnitten und jeder Dritte gewarnt. 
Vor allem aber hatte der Verpfänder üblicherweise (Gai. D. 20, 1, 15, 2) wie auch oft der Ver- 
käufer dem Erwerber zu erklären, welche Lasten auf der Sache liegen und er versicherte z. B. 
unter Eid sua esse seqdue possidere neque ea mancipia ali ulli obligata esse neque sibi cum 
ullo alio communia esse. Auch ohne Eid wird die wissentliche Veräußerung einer fremden 
oder belasteten Sache mit actio de dolo verfolgt und als furtum oder stellionatus schwer be- 
straft. 
Eine der östlichen Einrichtungen aber, die aus dem Publizitätsgedanken heworgehend 
Rechtserwerb ohne Rücksicht auf das Recht des Vormannes verschaffen, ragt in das römische 
Reichsrecht hinein. Es ist das Aufgebot durch Heroldsruf oder sonstige öffentliche Kundmachung 
einer Veräußerung oder Verpfändung, wonach Drittberechtigte durch Verschweigung ihr 
Recht gegenüber dem Erwerber einbüßen. Es findet Anwendung auf Erwerb der berg- 
männischen Mutung durch Ablösung der fiskalischen Rechte und nach ptolemäischem Vorbild 
auf jeden Erwerb aus der Hand des Fiskus, weil man vom Staate sicher kaufe. 
§ 29. Eigentum?. Erst nach einer zweifellos langen und müthsamen Entwicklung hat 
sich das wahre Privateigentum am Grund und Boden durchgesetzt. Noch in der Kaiserzeit 
bildet es bloß in Italien die Regel, dort jetzt allerdings auch auf den ehemaligen Gebieten des 
öffentlichen Ackers, die noch bis Domitian formell nicht den tatsächlichen privaten Inhaberm 
gehörten ". Eben für das Eigentum eines Römers an jeder hierzu geeigneten Sache richten 
aber die Juristen einen Begriff auf, der zu ihren größten Errungenschaften zählt. Er behandelt 
unter dem keineswegs alten Namen „rei dominium“ bewegliches und unbewegliches Gut, 
originären und abgeleiteten Erwerb gleich und stellt den Eigentümer gegen Staat und Private 
unabhängig als einen unmittelbaren Herrn der Sache. Dieser einfache juristische Begriff war 
ein ebenso gewaltiger Fortschritt nach den primitiven Besitzrechten der Antike, als nachmals 
nach vielen Jahrhunderten ein Ansporn und Hebel zur Wegräumung der feudalen Bindungen 
des Bodens, bis heute ein unentbehrliches technisches Hilfsmittel der Rechtswissenschaft — 
wie gegen manche vermeintlich nationalökonomische oder logische Anfechtungen betont werden 
muß. Eine Definition geben die Römer gar nicht, die in ihrem Sinn gebildete herkömmliche 
Umschreibung genügt aber durchaus: das Eigentum ist die grundsätzlich unbeschränkte Herr- 
schaft über eine (körperliche) Sache. 
Hierin liegt vor allem die Absolutheit der Herrschaft gegenüber jedermann. Diese lernte 
man aus dem dinglichen Streitverfahren, namentlich seitdem es nicht mehr bloße Besitzrechte 
verfolgte. Der Kläger zieht gar nicht den Besitzer, sondern die Sache vor Gericht, und es ist 
nur ein Recht des Besitzers, sie durch Prozeß zu verteidigen; andernfalls erlaubt der Prätor 
dem Kläger, die bewegliche Sache wegzuführen (duci vel ferri iubere) oder an dem Grund- 
stück Besitz zu nehmen (interdictum quem kundum). Dieser Mangel des Einlassungszwanges 
auf seiten des Beklagten schließt das Vorhandensein eines dinglichen Anspruchs aus 5. Eben 
1 Zum Eide: Fiduz. Manzipation der Poppaea Note CJL. IV Suppl. p. 416 -Girard, 
Textes 4 819; D. 47, 20, 4. Parallelen in Papyri bei Rabel, Haftung des Verkäufers 1, 86 
N. 5, ZR Sav St. 28, 352 N. 1. Zum Stellionat bes. Ulp. D. 47, 20, 3, 1. Eck, 8 Sav t. P, 75. 
: Sog. Lex metallis dicta, Bruns, n. 113, 4 ff.; C. Just. 8, 25, 8 vgl. Tit. 10, 3; 10, 5. 
Partsch, Arch PapF. 5, 501. Über Ausschluß der Pfandgläubiger, die durch Programme 
aufgefordert wurden, Diocl. C. 8, 25, 6, Rabel, Verfügungsbeschränkungen 19, 21; Weiß, 
Pfandrechtl. Untersuchungen 2, 78. Zu den griechischen Quellen (Rabel, Partsch a. O.) 
ßghort jetzt vielleicht auch Pap. Hal. („Dikaiomata“) X1 3, Koschaker, Berl. phil. Woch. 
, 654. 
2 Die sehr reiche Literatur zur Geschichte des Privateigentums in Rom und unter rechts- 
vergleichender Darstellung bei Costa, Storia 177 ff. Über die Vorstufen der Absolutheit des 
Eigentums Mitteis, Pä.i. 1, 88 u. Bit. 
4 M. Weber, Röm. Agrargeschichte (1891) 133; Brugi, Le dottrine giuridiche degli 
Agrimensori Romani 271. 281. 
* Wlassak, 8avt. 25, 160.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.