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herrschend. Sicherungsübereignungen ohne Besitzübertragung und Hypothek, soweit sie über-
haupt in die römischen Gewohnheiten überging, konnten verstärkt werden, indem der Gläubiger
die Erwerbsdokumente miterhielt — ein überall mangels Register geübter Brauch. Dadurch
war dem Verpfänder die anderweitige Veräußerung abgeschnitten und jeder Dritte gewarnt.
Vor allem aber hatte der Verpfänder üblicherweise (Gai. D. 20, 1, 15, 2) wie auch oft der Ver-
käufer dem Erwerber zu erklären, welche Lasten auf der Sache liegen und er versicherte z. B.
unter Eid sua esse seqdue possidere neque ea mancipia ali ulli obligata esse neque sibi cum
ullo alio communia esse. Auch ohne Eid wird die wissentliche Veräußerung einer fremden
oder belasteten Sache mit actio de dolo verfolgt und als furtum oder stellionatus schwer be-
straft.
Eine der östlichen Einrichtungen aber, die aus dem Publizitätsgedanken heworgehend
Rechtserwerb ohne Rücksicht auf das Recht des Vormannes verschaffen, ragt in das römische
Reichsrecht hinein. Es ist das Aufgebot durch Heroldsruf oder sonstige öffentliche Kundmachung
einer Veräußerung oder Verpfändung, wonach Drittberechtigte durch Verschweigung ihr
Recht gegenüber dem Erwerber einbüßen. Es findet Anwendung auf Erwerb der berg-
männischen Mutung durch Ablösung der fiskalischen Rechte und nach ptolemäischem Vorbild
auf jeden Erwerb aus der Hand des Fiskus, weil man vom Staate sicher kaufe.
§ 29. Eigentum?. Erst nach einer zweifellos langen und müthsamen Entwicklung hat
sich das wahre Privateigentum am Grund und Boden durchgesetzt. Noch in der Kaiserzeit
bildet es bloß in Italien die Regel, dort jetzt allerdings auch auf den ehemaligen Gebieten des
öffentlichen Ackers, die noch bis Domitian formell nicht den tatsächlichen privaten Inhaberm
gehörten ". Eben für das Eigentum eines Römers an jeder hierzu geeigneten Sache richten
aber die Juristen einen Begriff auf, der zu ihren größten Errungenschaften zählt. Er behandelt
unter dem keineswegs alten Namen „rei dominium“ bewegliches und unbewegliches Gut,
originären und abgeleiteten Erwerb gleich und stellt den Eigentümer gegen Staat und Private
unabhängig als einen unmittelbaren Herrn der Sache. Dieser einfache juristische Begriff war
ein ebenso gewaltiger Fortschritt nach den primitiven Besitzrechten der Antike, als nachmals
nach vielen Jahrhunderten ein Ansporn und Hebel zur Wegräumung der feudalen Bindungen
des Bodens, bis heute ein unentbehrliches technisches Hilfsmittel der Rechtswissenschaft —
wie gegen manche vermeintlich nationalökonomische oder logische Anfechtungen betont werden
muß. Eine Definition geben die Römer gar nicht, die in ihrem Sinn gebildete herkömmliche
Umschreibung genügt aber durchaus: das Eigentum ist die grundsätzlich unbeschränkte Herr-
schaft über eine (körperliche) Sache.
Hierin liegt vor allem die Absolutheit der Herrschaft gegenüber jedermann. Diese lernte
man aus dem dinglichen Streitverfahren, namentlich seitdem es nicht mehr bloße Besitzrechte
verfolgte. Der Kläger zieht gar nicht den Besitzer, sondern die Sache vor Gericht, und es ist
nur ein Recht des Besitzers, sie durch Prozeß zu verteidigen; andernfalls erlaubt der Prätor
dem Kläger, die bewegliche Sache wegzuführen (duci vel ferri iubere) oder an dem Grund-
stück Besitz zu nehmen (interdictum quem kundum). Dieser Mangel des Einlassungszwanges
auf seiten des Beklagten schließt das Vorhandensein eines dinglichen Anspruchs aus 5. Eben
1 Zum Eide: Fiduz. Manzipation der Poppaea Note CJL. IV Suppl. p. 416 -Girard,
Textes 4 819; D. 47, 20, 4. Parallelen in Papyri bei Rabel, Haftung des Verkäufers 1, 86
N. 5, ZR Sav St. 28, 352 N. 1. Zum Stellionat bes. Ulp. D. 47, 20, 3, 1. Eck, 8 Sav t. P, 75.
: Sog. Lex metallis dicta, Bruns, n. 113, 4 ff.; C. Just. 8, 25, 8 vgl. Tit. 10, 3; 10, 5.
Partsch, Arch PapF. 5, 501. Über Ausschluß der Pfandgläubiger, die durch Programme
aufgefordert wurden, Diocl. C. 8, 25, 6, Rabel, Verfügungsbeschränkungen 19, 21; Weiß,
Pfandrechtl. Untersuchungen 2, 78. Zu den griechischen Quellen (Rabel, Partsch a. O.)
ßghort jetzt vielleicht auch Pap. Hal. („Dikaiomata“) X1 3, Koschaker, Berl. phil. Woch.
, 654.
2 Die sehr reiche Literatur zur Geschichte des Privateigentums in Rom und unter rechts-
vergleichender Darstellung bei Costa, Storia 177 ff. Über die Vorstufen der Absolutheit des
Eigentums Mitteis, Pä.i. 1, 88 u. Bit.
4 M. Weber, Röm. Agrargeschichte (1891) 133; Brugi, Le dottrine giuridiche degli
Agrimensori Romani 271. 281.
* Wlassak, 8avt. 25, 160.