Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 443 
anderen Beteiligten an solchen eingefügten Sachen mehr anerkennen, die Aotio ad exhibendum 
aber davon unabhängig zulassen 1, wo sie nicht eben gesetzlich ausgeschlossen ist. 
Der Begriff der Hauptsache und ob der Zuwachs in ihr aufgeht, wird möglichst im Ein- 
llang zugleich mit den Lebensvorstellungen und der antiken Begriffs- und Naturphilosophie 
zu bestimmen gesucht?; eigentümlichen Entscheidungen, die der letzteren allzu weit folgen, 
wie z. B., daß das Eigentum am Schiff dem am Kiel folgt (Jul. D. 6, 1, 61), kommt kein 
sehr großer Spielraum zu. 
2. Anders bestimmen die natürlichen Ereignisse über das Recht an vermischten Flüssig- 
keiten, Getreidekörnern und geschmolzenen Metallen verschiedener Eigentümer. Ist die Ver- 
bindung schlechtweg löslich, so hat sich am Eigentum nichts geändert, die Sachen sind auf ihre 
frühere Form zu bringen, z. B. aes + argentum Call. D. 41, 1, 12, 1, plumbum + argentum 
Pomp. in D. 6, 1, 5, 1. Aber selbst wenn die Sonderung tatsächlich untunlich ist, das Getreide 
zweier Leute ohne ihren Willen vermengt ist (Pomp. bei Ulp. D. 6, 1, 5 pr.) oder Bronze 
und Gold legiert sind (ebd. § 1), Silber mit Silber (Pomp. D. 6, 1, 3, 2; 41, 1, 27 pr.), 
bleibt die Vindikation erhalten und wird nur zweckdienlich statt auf eine Spezies auf die quoten- 
mäßig bestimmte Menge abgewandelt (vindicatio pro parte); denn „die Materie bleibt dieselbe“. 
Haben dagegen die Eigentümer willentlich die Konfusion bewirkt, so werden sie Miteigentümer 
und erhalten die Actio communi dividundo (Pomp.-Ulp. D. 6, 1, 5 pr.; Gai. D. 41, 1, 7, 8). 
Einige Schriftsteller denken aber beim Überwiegen der einen Masse an Akzession (arg. Cass. 
D. 41, 1, 27, 2). Sehr passend wird das Geld ausgenommen, indem ein Empfänger durch 
Mischung mit seinem Geld Eigentümer wird (Jav. D. 46, 3, 78), wovon leider das BGB. 
abweicht. 
3. Von diesen Grundanschauungen aus dürften zunächst die Juristen auch die Ver- 
arbeitung behandelt haben (vgl. noch Pomp. in D. 6, 1, 5, 1). Erst die Prokulianer 
glauben, wenn jemand aus fremdem Stoff eine der Art nach neue Sache (nova species) ver- 
fertigt, ihm das Eigentum geben zu sollen, weil diese Sache vorher noch niemandem gehört 
hat (D. 41, 1, 7, 7). Die Sabinianer bleiben dagegen bei der alten Lehre; für eine Rechts- 
veränderung liege noch nicht genügender Anlaß vor, wenn der Stoff eine neue Form erhält; 
denn er ist der Träger der Form (quia sine materia nulla species effici possit). Es sind 
nächst den einmal vorhandenen Anschauungen gewiß naiv praktische Gründe, die zur Lösung 
des Falles führen; der hier vorhandene Interessenkonflikt zwischen dem Kapitalisten und dem 
Arbeiter ist sachenrechtlich gar nicht lösbar und wird immer verschiedene Beurteilungen finden 
(ogl. BGB. §5. 950 mit Schw. ZGB. 726). Erst in letzter Linie sind bei der Formulierung auch 
philosophische Kunstausdrücke im Spiel; der Gegensatz der philosophischen Schulen aber hat 
hier nicht den geringsten sichtbaren, ja auch nur denkbaren Einfluß. 
Eine Vermittlung versucht die berühmte „Mittelmeinung“, wie Just. in D. 41, 1, 7, 7 
(itp.) und J. 2, 1, 25 sie nennt, die wir offenbar schon bei Paul. D. 41, 1, 24 treffen. Er 
leugnet die nova species, insofern der geformte Stoff, z. B. Gold, Erz — philosophisch ausge- 
drückt das xoivũõc roié — erhalten bleibt und nur die näher bestimmte Form wechselt: 
materia manente species dumtaxat mutata sit, z. B. in eine Statue gegossen wird, aus der 
ja Rückverwandlung möglich ist. Er scheidet also aus der Prokulianischen Liste der Verarbei- 
tungen einige Beispiele aus und erkennt andere an, wie die ins Schiff verschnittene Zypresse 
und die ins Kleid verbrauchte Wolle (1. 26 pr.), wo ebenso wie es nach Prokulianischer Ak- 
zessionslehre erfordert ist, die Form (qualitas) der Hauptsache siegt. 
Die Sachenrechtssätze werden in der Justinianischen Kompilation allgemein durch schuld- 
rechtliche Ersatz= oder Bereicherungsansprüche ausgeglichen. Sicher klassisch sind actio kurti 
und condictio furtiva gegen den Dieb, exceptio doli gegen die Vindikation des neuen Eigen- 
tümers wegen des Aufwands, und im Falle der Maltafel auch eine „actio utilis“ des nicht 
besitzenden Verlustträgers (Gai. 2, 784); dazu kommen nach der obigen Vermutung die go. 
1 Riecobono, 8BSavöt. 31, 353. 
„: Bonfante, Esit. 242, nimmt mit einigem Recht auch einen Schulgegensatz an. 
„2 Perozzi--Glück 41, 538. 
4 Eine persönliche Klage: v. Mayr, 8Savt. 26, 100; Lenel, Ed. 181 N. 10.
	        
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