Grundzüge des römischen Privatrechts. 445
sei es in Kombination mit Sicherungsrechten oder für sich allein als Pressionsmittel zur Aus-
lösung, sei es zur Tilgung einer Schuld an Zinsen oder Kapital, sei es als Verzugsfolge. Aber
die juristische Wirkung dieser Rechte ist sehr verschieden gemeint 1, und auch die römischen Juristen
wenden nebst dem Pfandrecht nur mit Vorsicht die Usus= und Ususfruktrechte an (ovgl.
unten §& 53); im übrigen handelt es sich lediglich um obligatorische Verträge.
§ 43. Tradition. Abgesehen von der Ubereignung der res mancipi unter Römern
wird das Eigentum oder Quasieigentum nach Reichsrecht durch die zweiseitige Besitzübergabe
(6 36) ex iusta causa (§ 39) vermittelt, für deren körperliche Erfordermisse hier gar nichts Be-
sonderes gilt 2.
Aber das Traditionsprinzip ging niemals in das Bewußtsein des gräzisierten Ostens über,
so energisch es auch durch die Kaiserkanzleien der dortigen Praxis wiederholt wurde (Diockl.
C. 2, 3, 20). Man blieb an die Schriftform der Rechtsübertragung von Grundstücken,
Sklaven, Kamelen und anderen wichtigeren Sachen gewöhnt, und dem mußte nachmals
auch die Gesetzgebung Rechnung tragen 2.
§ 44. Ersitzung". Daß durch Zeitablauf Macht zum Recht, Besitz zum Eigentum wird,
kann keine Rechtsordnung entbehren, am wenigsten die römische, wo die Unsichtbarkeit der Rechts-
mängel eine besonders hohe Ungewißheit ergibt, und zudem gerade die ältere Ordnung, wo
wie in jedem urwüchsigen Recht auch der rechtmäßige Eigentumserwerber auf den Schutz des
Vormannes (auctoritas) bis zur Ersitzung angewiesen war. Der weitere Gedanke an die
Nachlässigkeit des dritten Berechtigten, der sich verhältnismäßig lange nicht um seine Güter
gekümmert hat, herrscht in Rom nicht derart vor wie in der Verschweigung anderer Völker
und nicht einmal wie in der Longi temporis praescriptio (P. Straßburg 22, Z. 22, . u.).
Doch war er maßgebend für die kurze Bemessung der Fristen in den Zwölftafeln; zwei Jahre
für Grundstücke, ein Jahr für andere Gegenstände der Hausgewalt genügten in dem kleinen
Rom jener Zeit für Nachforschungen des wahren Berechtigten. Diese Schnelligkeit des Er-
sitzungslaufs dürfte übrigens nach der Ausweitung des Reichs den praktischen Grund abgegeben
haben, weshalb man die usucapio nicht auf die Nichtbürger und den Provinzialboden aus-
dehnte.
Gegenüber dem einfachen „usus der Zwölftafeln ist die klassische usucapio ein mannig-
fach eingeschränkter Rechtserwerb. Gesetzgeberische Eingriffe, die aber vielleicht doch nur alte
Anschauungen formulierten, hatten u. a. die Ersitzung beweglicher Sachen durch einen auf ge-
stohlene und unterschlagene Sachen gelegten Bann nahezu ausgeschlossen und ebenso die ge-
waltsam besetzten Grundstücke ausgenommen (Gai. 2, 45, 49—51). Weitere Beschränkungen
folgen aus der sehr feinen und bis heute mustergültigen juristischen Durchbildung der Lehre.
Das Ziel der Ersitzung verlangt Eigentumsfähigkeit der Person und der Sache, ihr Zweck einen
gerechten Grund zum rechtsgeschäftlichen oder Okkupationserwerb (iusta causa, oben § 39).
Daneben ist die bona fides ein weiteres eigenes und wohl jüngeres5 Erfordernis: Ersitzungs-
1 Partsch, Arch Pap Forsch. 5, 512 gegen Manigk, a. a. O. — Üüber die Spekulation
des Gläubigers bei solchen ihm zumeist sehr vorteilhaften Geschäften Kohler, Pfandrechtl.
Forschungen 109, Manigk 56 N. 1; in Pap. Lipf. 10 läßt der Gläubiger die nioborapnela
60 Jahre dauern.
2 Es ist verwirrend, eine eigene Lehre vom Traditions-Korpus bei der Eigentumstradition
aufzustellen, wie es auch BGB. ös 929 S. 2, 930 tun. Celsus redet D. 21, 2, 62 pr. von der
heute sog. brevi mann traditio gerade bei der reinen Besitzübergabe anläßlich einer Manzipation
und D. 41, 2, 18 pr. vom sog. Constitutum possessorium in der Lehre de possessione et usu-
capione (Lenel, Cels. 234 u. 195).
2 Oben S. 438 N. 4; dazu für Agypten Mitteis, Gdz. 176; A. B. Schwarz in Festschr.
f. Zitelmann (1913) u. Zit.
4 R. Stintzing, Das Wesen von bona fides und justus titulus 1852. Bruns,
Kl. Schriften 2, 257 (ex 1874). Bernhöft, Der Besitztitel 1875. Bonfante, Riv. ital.
15 6 161, 321; Bull. 6, 85; Rend. Ist. Lomb. 39, 781;. Pernice, Labeo 2, 1, 391.
* algano, I limiti subiettlvi dell antica usucapio (Pubbl. Ist. giur. Univ. Napoli, 4)
913.
* So von verschiedenen Gesichtspunkten Bonfante, Riv. ital. 15, 161, Karlowa,
Reschichte 1, 612; Rabel, Haftung des Verkäufers 1, 57 gegen die herrschende Meinung.
Guletzt Costa, Storia 231.) Galgano halt beide Erfordernisse für uralt.