Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

446 Ernst Rabel. 
besitz kommt nur demjenigen Besitzerwerber zu, der beim Erwerb überzeugt ist, den Eigentümer 
nicht in seinen Rechten zu schädigen. Spätere Kenntnis des Mangels schadet nicht („mala 
fides super veniens non nocet“, im Gegensatz zum Kanonischen Recht) 
In der Kaiserzeit gibt es noch Reste alter titelloser Ersitzungen (pro herede, usu receptio), 
die mit der auf eine Kausa gebauten nur die ersten historischen Anfänge geteilt haben dürften; 
es sind bloß wenig bedeutsame Reste (Gai. 2, 54—61). 
In die fühlbaren durch die nationalen Grenzen der Usukapion verursachten Lücken tritt 
die Einrede des langen ungestörten Besitzes (praescriptio longi temporis 2) gegen dingliche 
Klagen. Dieses Institut ist vermutlich durch Kaiserkonstitutionen seit den Antoninen für pro- 
vinzielle Grundstücke geschaffen und später, vielleicht unter Caracalla auf bewegliche Sachen 
ausgedehnt worden. Wer auf Grund eines gerechten Besitzanfangs (iustum initium) durch 
zehn Jahre oder wenn der Gegner in einem anderen Bezirk — in Agypten: Gau — wohnt, 
durch 20 Jahre unangefochten besitzt, wird geschützt. Die Besitzzeit seines Rechtsurhebers darf 
er sich anrechnen, was von hier aus durch Sev. und Carac. auf die Usukapion angewendet sein 
soll (J. 2, 6, 1, 3). Bestritten, aber anzunehmen ist, daß guter Glaube nicht gefordert ist 2. Eine 
schon in der klassischen vorbereitete Entwicklung hat dann die praescriptio der Ersitzung ange- 
nähert, bis Justinian beide verschmolz. 
*45. Das sog. bonitarische Gigentum“. Hat ein Käufer vom Verkäufer die Sache 
unter den Voraussetzungen der Ersitzung erhalten, so wird er vom Prätor vor abgelaufener 
Ersitzungszeit mit exceptio doli oder rei venditae et traditae gegen den Veräußerer, mit einer 
Vindikation (actio Publiciana) gegen spätere und schlechtere Erwerber geschützt. Dies bezieht 
sich, teils nach dem Album, teils nach der Jurisprudenz, sowohl auf den Fall, daß die Manzi- 
pation von res mancipi unterlassen ist, als daß der Veräußerer von res mancipi oder nec 
mancipi des Eigentums entbehrt. Und dem Käufer stellt die Praxis natürlich andere Erwerber 
gleich, ebenso die Rechtsnachfolger, nicht aber alle Erwerber 5. Die solcherart hergestellte 
Rechtslage gilt als ein eigentumsähnliches Vermögensrecht" (in bonis habere). Es dringt 
nicht gegen den Eigentümer durch (exco. justi dominü, der nicht zugleich Auktor ist. Es 
kommt aber dem früheren Erwerber zu, wenn ein Nichteigentümer zweien hintereinander 
tradiert hat; hinwieder nicht gegenüber dem späteren Erwerber von einem anderen Nicht- 
eigentümer (Jul. Ulp. D. 6, 2, 9, 4; anders Nerat. D. 19, 1, 31, 2 wahrscheinlich itp.). 
Die Actio Publiciana ist für Personen erfunden, die sonst ausschließlich auf die Inter- 
dirte angewiesen waren, bildet aber einen allgemein brauchbaren, sinnreichen Behelf für gut- 
gläubige Erwerber neben der von schwieriger Beweislast gehinderten Eigentumsklage und den 
oft versagenden Besitzinterdikten und Diebstahlsklagen. Auch das BGB., wo der gute Glaube 
doch schon beim Besitzerwerb Eigentum zu verschaffen pflegt, kann eines solchen mittleren An- 
spruchs nicht entbehren; seine freilich deutschrechtlich gefaßte Fahrnisklage entspricht gesetzes- 
ökonomisch eben der Publiciana. — Die Formel eignete sich wegen ihrer Abhängigkeit von 
der Ersitzungsmöglichkeit nicht für das uneigentliche Eigentum am öffentlichen und Provinzial- 
1 Unbeschadet der singulär liegenden Ausnahme Ulp. D. 41, 10, 4 pr., wenn echt, was 
Riccobono, Studi Moriani 1, 388, Mél. Fitting 2, 476 gegen Pernice glaubt; der Schluß 
ist sicher itp., Buckland, Slavery 27. — Der Käufer muß beim Kauf gutgläubig sein; auch 
bei der Tradition nach Paul. D. 41, 4, 2 pr.; 41, 3, 48, s. aber Beseler, Beitr. 3, 198. 
* Partsch, Die Longi temporis praescriptio 1906. Hauptquellen ein Restkript des 
Severus von 199 in P. Boön. 1, 267 und P. Straßb. 1, 22 = Mitteis, Chrest. 374; Bat. 7. 
2 So Partsch; dag. Mitteis, P. Straßb. S. 86; Gdz. 286, dem Wenger, ZSavst. 
27, 374; Lenel, Ed. 165 N. 6 folgen. Papin. D. 44, 3, 11 ist kaum echt. 
4 du chke, Das Recht der publizianischen Klage 1874. Appleton, Histoire de la 
propriété prétorienne 1889. Erman, ZSavst. 11, 212; 13, 173. H. Krüger, Beitr. 
* L. don der Exceptio doli 1992. Zu Edikt und Formel Lenel, Ed. 164, Partsch, 8Savt. 
, 413. 
s Exc. rei donatae et traditae für den emptor secundus Paul u. Herm. D. 50, 17, 177; 
21, 3, 3. Über den allgemeinen, aktiven, nicht passiven Übergang der Exc. Segre, Riv. dir. 
commerc. 10, 2, 539. 
*Cic. Ep. 13, 30, 1; Gai. 2, 40 divisionem accepit dominium. Im übrigen s. Bonfante, 
Bull. 8, 296.
	        
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