Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 455 
A. Entstehungsgründe. 
§ 58. Aktio und Obligatio. Die Grundeinteilung der persönlichen Klagen ist die in actiones 
ex delicto oder maleficio und ex contractu (Gai. 3, 88). Damit reicht man natürlich nicht dauernd 
aus, und man vergleicht mindestens mit den Deliktsklagen diejenigen aus verwandten Tat- 
beständen (quasi ex maleficio). Weiteres ist in den interpolierten Quellen nicht sicher zu erkennen, 
doch scheint Gai. D. 44, 7, 5 die den Vertrags- und Deliktsklagen ähnlichen Prozeßmittel 
zusammenzustellen und D. 44, 7, 1 pr. die Dichotomie durch eine Gruppe von variae causarum 
figurae zu ergänzen 1. Jedenfalls fehlt mehr die äußere Ubersicht der Entstehungsgründe für 
Obligationen, es fehlt weder die Erkenntnis, daß für die juristische Wesensart einer Obligation 
ihr Ursprung das bezeichnendste ist, noch das ständige Bestreben, die Entstehungstatsachen unter- 
einander zu vergleichen. Dieser theoretische Gewinn fußt auf der gewohnten Fragestellung, 
ob aus einem Tatbestand eine bestimmte Aktio zustehe. Der Tatbestand, auf den der Kläger 
baut, entscheidet über das Recht auch im Ruhezustand; im Schuldrecht liegt es auf der Hand, 
daß die Bejahung einer Aktio als Prozeßmittel zugleich das durchzusetzende Recht auf die 
Leistung des Schuldners, das jus quod sibi debetur (Cels. D. 44, 7, 51) bejaht. Wo immer es 
darauf ankommt, wissen daher auch die Römer, was ein persönlicher Anspruch ist; sie haben 
nur keinen Namen für ihn und verdecken ihn durch die Aktio 2. 
Die Paarung zwischen actio und obligatio kann sehr weitgehen, weil unter der letzteren 
fast immer nur das vollentwickelte mit Gerichtsschutz bekleidete Forderungsrecht verstanden 
wird, und weil man aus einem Entstehungsgrund wie eine actio so auch nur eine Forderung 
hervorgehen läßt. Daher wird eine Einheit der Obligation (una eademque obligatio) auch dort 
angenommen, wo mehrere Einzelansprüche wahrnehmbar und gegebenenfalls durch besondere 
Mittel (praescriptio pro actore Gai. 4, 131) prozessual trennbar sind, oder wo eine Mehrheit 
subjektiver Beziehungen unverkennbar, aber die actio nur einmal anstellbar ist wie bei der Korreal- 
obligation. 
Im folgenden sollen die wichtigsten Quellen der Schuldverhältnisse aufgeführt werden, 
die nicht in andern Zusammenhang gehören, wie besonders das Damnationslegat und das Fidei- 
kommiß. Die große Menge der prätorischen Klagen läßt sich dabei nicht erschöpfen. 
§ 59. Delikte 3. Wie allgemein (Kohler oben S. 54 f.), so läßt sich auch bei der römischen 
Sühnung von Vergehen beobachten, daß noch die entstehende Justizhoheit des Staates mehr 
das Racherecht der verletzten Person oder Gruppe befriedigen will als ein Bedürfnis der Gesell- 
schaft nach Strafe. Zunächst überwiegen daher die privaten Klagen auf Vergeltung wegen 
übeltat (delictum privatum) über die öffentliche Strafverfolgung; zugleich aber sind sie die ältesten 
Mittel des privaten Obligationenrechts, wie wir seit Ihering glauben. Der Zug geht dann 
dahin, das öffentliche Strafrecht zu erweitern und dafür aus den Deliktsklagen eine Anzahl 
in das Vertragsrecht hinüberzuspielen — z. B. sogar die sogenannte actio auctoritatis des 
Manzipiumserwerbers, trotzdem sie auf den doppelten Kaufpreis geht —, eine Anzahl durch 
Tochtergebilde, jüngere Klagen, die nicht mehr Ubeltat strafen wollen, überholen zu lassen — 
z. B. die actio rationibus distrahendis durch die actio tutelae —, um schließlich bei den ver- 
bleibenden und neu hinzukommenden Deliktsklagen in der privaten Genugtuung den Schadens- 
ersatz zu betonen. Das ist möglich, da sich diese Klagen, abgesehen von der Ehrenfolge der In- 
  
1 Perozzi, Obbl. behauptet, daß nicht bloß die Vierteilung (quasi ex contractu, quasi 
ex delicto) kompilatorisch ist, sondern auch die Dreiteilung; zustimmend Mitteis, PR. 86 
N. 38. Dagegen Kniep, Gaius 3, S. 46; Betti, Sul significato di contrahere in Gaio 
(Sanseverino 1912) 48 u. Bull. 25, 71; Trangio-Ruiz;, Le Genti e la cittä 42 f. — Die 
Tutel und Negotiorum gestio als Kontrakte sind itp. in Paul. D. 44, 7, 49 u. D. 3, 5, 15 
(Peters, ent 32, 265. 268 u. Zit.) 
„ Wlassak, Realenz. 1, 3066. Mitteis, PR. 91f. 
Mommsen, Röm. Strafrecht 1899; Ferrini, Diritto penale romano 1899 und 
in Encicl. del dir. penale I. — Pernice, Labeo II; W. Lehmann, Über die Vermögens- 
strafen des röm. Rechts 1904; Hitzig in Realenz. 4, 2438, Delictum:; Girard, Man. 391. — 
De Francisci, Studi sopra le azioni penali e la loro intrasmissibilitä passiva, Mil. 1912; 
Albertario, Rend. Ist. Lonb. 46, 449—466; Bull. 26, 90.
	        
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