Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 459 
Darlehen (mutuum); das alte Darlehen per aes et libram (nexum) besteht nicht mehr. Die 
Sabinianer stellten das mutuum mit dem Empfangen einer Nichtschuld zusammen, was Gai. 
, 90 mit der berechtigten Kritik wiedergibt, das erstere sei ein auf Schuldbegründung gerichteter 
Vertrag und das letztere nicht. Aber die Gemeinsamkeit des Darlehens mit diesem wichtigen 
Fall einer ungerechtfertigten und deshalb rückforderbaren Vermögensleistung ist dennoch klar 
und wird schon durch die Prozeßformel erwiesen, die für eine Darlehensklage den gleichen 
Wortlaut hat: Si paret Num Num Ao Ao C. dare oportere etc., wie in allen bis (mindestens) 
ins 1. Jahrhundert n. Chr. anerkannten Fällen einer sog. „ungerechtfertigten Bereicherung“ 
(condictio auf certum). Vor allem setzt die Haftung des Schuldners überall von Haus aus 
eine Hingabe (dare) des Klägers und einen entsprechenden Empfang des Beklagten (habere) 
voraus, wie es noch in der Kaiserzeit deutlicher Grundsatz und praktisch das Häufigste bei den 
Bereicherungsklagen ist 1. Auch greifen die Juristen in den Fällen beabsichtigten, aber ge- 
scheiterten Darlehensvertrages z. B. weil ungenügende Geschäftsfähigkeit oder Dissens (Jul. 
u. Cels. D. 12, 1, 19, 1; 32), den Vertrag hindert, auf die Rückforderung aus dem bloßen 
Geben und Haben zurück. Wie es einstmals zur Ausbildung dieser Haftungen gekommen 
war, ist noch dunkel, wenngleich sie irgendwie auf der Idee des Delikts des zu Unrecht Be- 
haltenden beruhen müssen 2. Spätestens aber gaben ihnen die Leges Silia und Calpurnia die 
Klagbarkeit durch Legis actio (Gai 4, 19). 
Die andere Gruppe wird von dem westgotischen Paul. S. 2, 4 unter dem Titel: De com- 
modato et deposito pignore fiduciave zusammengefaßt. Es sind sämtlich mehr oder weniger 
spät als Verträge erkannte Tatbestände ursprünglich nur prätorischer Klagen. Im Julianischen 
Album werden aber bereits die Klagen aus Leihe und Pfand (Lenel, Ed. §§F 98, 99) mit 
anderen unter der Rubrik de rebus creditis der condictio auf certum nachgeschickt, während 
Hinterlegung und Treuhandsübereignung bei den bonge fidei judicia erscheinen (Lenel, 
#l 106, 107). Auch wird mindestens die Leihe als „re obligari“ mit dem Darlehen verglichen 
(Gai. D. 44, 7, 1, 3). So ist die Verschmelzung der Verträge, die nebst dem Konsens der 
Parteien eine Sachhingabe verlangen und eine Rückgabe der Sache selbst (ipsa res, Gai. a. a. O.) 
oder von ebenso viel der gleichen Sache bezwecken, bei den Klassikern in die Wege geleitet. 
Ob Rückgabe der Sache selbst, macht nichts aus, wie man sieht. Im Gegenteil wird wegen 
jener Ediktsrubrik betont, daß alle Geschäfte, wo man einem anderen einen Wert gegen Rück- 
erstattungspflicht anvertraut, Kreditgeschäfte seien (Ulp. u. Paul. D. 12, 1, 1, 1; 2, 3). 
1. Ficucia 3. Der fiduziarische Nebenvertrag (pactum kiducigqe) zu einer Manzipation 
oder Iniurecessio einer res mancipi entspricht unserer Ubereignung zur treuen Hand und 
ist wie diese am gebräuchlichsten als Sicherungsübereignung (fiducia cum creditore) — ein 
Gläubiger erhält Eigentum an einem Grundstück oder Sklaven und ist schuldrechtlich verpflichtet, 
es zurückzuübertragen, sobald er rechtzeitig befriedigt wird —, begegnet aber auch oft, um eine 
gewaltunterworfene Person oder Sache in die jeweilige Hut und Verfügung eines Vertrauens- 
mannes zu stellen (fid. cum amico) 4. Die Treuhand der letzteren Art ist ein Haupthebel 
älterer Rechtsverkehrszustände. Während aber bei anderen Völkern, die das dingliche Recht 
nicht so klar ausprägen, die Sache nur bedingungsweise übereignet zu werden pflegt, zeichnet 
sich die römische Fiduzia durch die scharfe Heraushebung des dinglichen Ubertragungserfolges 
von der begleitenden bloß schuldrechtlichen Abrede auf Rückübertragung aus; nur die „Pfand- 
1 Dies ist als berechtigter Kern den oft nicht richtig gewürdigten Schriften H. H. Pflügers 
zu entnehmen (unten § 76). 
: Die deutschrechtliche Empfangshaftung (Gierke, Schuld und Haftung 81, 130) bedarf 
wohl selbst noch weiterer Prüfung. Sicher ist res nicht „Tatsache“, wie v. Mayr, RR. 11 
, 2, 53 annimmt. — Die Römer selbst sehen die Pecunia numerata als natürliche Quelle und 
Endigung der Obligation an, Paul. D. 45, 1, 126, 2; Pomp. D. 46, 3, 107, vgl. Wlassak; 
Neot. H#tio 67. Über interpolierte Stellen mit „obligatio rei“e Arangio-Ruiz, le genti 
6 ci . 
*s Lenel, ZöSavSt. 3, 104; Oertmann, Die Fiducia 1890; Manigk in Realenz. 
6, 2287. Spezielle Fragen bei Mitteis, PM. 1, 163; Senn, Etudes Girard 1, 283. 
4 Gai. 2, 60; Boeth. 4 in Cic. Top. 10, 41; Ul. D. 27, 3, 5 (Segrs, St. Fadda 6, 387). 
Scaev. D. 45, 1, 122, 2. Weitere Stellen: Lenel, a. a. O. 177; Gradenwitz, BSavSt. 
9, 402; iemeyer, ZSavöt. 12, 297; Pernice, Labeo 3, 1, 128. 135. 264 N. 1; Manigk 
2301 u. Zit.; vgl. Kübler, Möl. Girard 2, 43.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.