Grundzüge des römischen Privatrechts. 465
wird nach Pomp. D. 21, 1, 48, 8 gern wegbedungen (venditio simplaria, dn## hy##), in der
ägyptischen Praxis beim Tierkauf abgelehnt, beim Sklavenkauf auf die Epilepsie beschränkt 1.
Dagegen helfen die griechischen Kaufformulare des Ostens sehr ausgiebig rücksichtlich der
Rechtsmängel aus; auch braucht man in Rom bloß die Stipulation kundum dari beizufügen,
um eine Haftung auf Eigentumsverschaffung schlechthin zu erzielen 2. Der unklare Begriff
der Zusicherung aber, der das neuere Recht verunziert, darf den Klassikern nicht angerechnet
werden. In Rom gründet sich die actio empti nur auf den Spruch des Manzipationserwerbers
(dicta in mancipio), auf Stipulationen und auf zweifellos und einverständlich dem Kaufvertrag
einverleibte Zusicherungen, niemals weder die Kaufklage noch die Wandlung auf einseitige oder
gar stillschweigende Erklärungen 8.
Eine Ergänzung bieten dem klassischen Rechtszustand noch die altertüümlichen Klagen aus
der vollzogenen Manzipation wegen Enviktion (sog. actio auctoritatis) und wegen unwahrer
Grundstücksmaßangabe (actio de modo agri).
§ 68. Die Miete" (locatio conductio) hat drei Abarten, Miete oder Pacht einer Sache
(rei), Miete der Dienste eines Arbeiters (operarum) und Bestellung einer Werkleistung (operis).
Dabei heißt locator der seine Dienste vermietende Arbeiter sowie der Sachvermieter, dagegen
nicht der Unternehmer, sondern der Besteller eines Werkes. Diesen eigentümlichen Sprach-
gebrauch erklärt man aus den locationes der Zensoren, die sowohl Grundstücke, Zölle, Steuern
als öffentliche Arbeiten „plazieren“, unterbringen; es ist aber fraglich, ob jemals die Ge-
meindeverträge das Privatrecht beeinflußten. Die Terminologie stammt wahrscheinlich so
wie die entsprechende griechische (auö#t5évar —axkaugeiv#e#r") vom körperlichen Hingeben der
Sache (locare rem) des Dienstmanns und seiner Dienste (se et operas suas locare) und des
Werkmaterials Sö. Die Gleichstellung von Sachen und Arbeitskraft ist aus ihrer Begrenzung
verständlich: sie gilt nur von Operae illiberales, den Diensten des niederen Volks der „Sklaven,
Freigelassenen und Gewerbetreibenden“. Das kann natürlich heute nicht hindern, auch Rechts-
anwälte und #rzte nach den einmal gefundenen Rechtssätzen über den Austausch von Arbeit
und Geld zu behandeln. Aber diese Rechtssätze selbst verlangen eine andere Klassifizierung
der Arbeitsverträge, als jene schon in Rom überlebte Dreiteilung, die sich doch bis ins Bürger-
liche Gesetzbuch weiterschleppte é.
Geleistet hat dagegen die römische Schuldoktrin außer der Gewinnung der formlosen
Bindung vor allem die säuberliche Scheidung zwischen der Uberlassung eines Kapitals als
Kauf und derjenigen einer Nutzung als Pacht, während beides vorher und bei anderen Völkern
durcheinander ging. Ebenso erkennt sie das in der Geldwirtschaft diese Geschäfte scharf charak-
terisierende Erfordernis des Geldäquivalents (merces, Gai. 3, 142), so daß die Pacht mit
der Fruchtbeteiligung des Grundherrn (Teilpacht) als Ausnahme übrig bleibt7. — Ein
Mieter oder Pächter ist rein auf sein persönliches Recht gegen den Vertragsgegner gewiesen;
ein dritter Erwerber der Sache kann ihn vertreiben, Kauf bricht Miete s.
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1Mitteis, Gdz. 193; ZSavSt. 32, 348.
* Rabel, a. a. O.; Berger, Die Strafklauseln in den Papyrusurkunden 1911.
*s Partsch, ZSavöt. 33, 607.
4 Mommsen, ZSavöt. 6, 260 = Jur. Schr. 3, 134; Pernice, ZSavst. 9, 238;
C. C. Burckhardt, Zur Gesch. d. Locatio conductio 1889; Dbeschamps, Mél. Gérardin. —
Crome, Die partiarischen Rechtsgeschäfte 1897. Rostowzew, Gesch. der Staatspacht
1903; Studien z. Gesch. d. röm. Kolonats 1910. — Zu den Papyri über Pacht Costa,
Bull. 14, 51; Waszynski, Die Bodenpacht 1 (1905); Costa, Mem. Acc. Bologna sez. giur.
7, 3.; über Wohnungsmiete Berger, ZoglRechtsw. 29, 321; Dienstvertrag Costa, Mem.
cit. 6, 63. Vergleich mit Babylon Kohler, Zogl Rw. 29, 416.
5 Diese Beobachtung machte Partsch.
Dies erscheint durch Lotmar, Der Arbeitsvertrag, dargetan; er glaubt freilich (2, 920),
der röm. L. c. operarum den Zeitlohn und der L. c. operis den Akkordlohn als eigentümlich zu-
schreiben zu dürfen.
7 Die Formulierung stützt sich auf die Diskussion: Ferrini, Rend. Ist. Lomb. II 26 (1893)
187; Arch Ziv Prax. 81, I; Longo, Mél. Girard 2, 105; Berger, Kr. Vischr. 52, 115.
Gai. D. 19, 2, 25, 1; Alex. C. 4, 65, 9; Costa, Riv. dir. comm. 12, 1, 197. —
Über die Gefahr u. 7 92.
Enzyklopädle der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band I. 30