466 Ernst Rabel.
. Der Werlvertrag des Reeders mit den Befrachtern wird von den Juristen künstlich
benutzt, um das griechische Recht der großen Haverei aufzunehmen; wenn in der Seenot
Waren geopfert werden mußten, ist der Schaden vom Reeder auf alle Interessenten einschließ-
lich des Schiffseigentümers gleichmäßig zu verteilen, dafür sorgt die Actio locati des ge-
schädigten Befrachters gegen den Transportunternehmer und dessen Actio conducti gegen
die anderen Kunden (Paul. D. 14, 2, 2 pr.; § 2) 1.
§ 69. Die Gesellschaft?: (societas) ist von den Römern zu der Grundfigur aller wirt-
schaftlichen Vereinigungen ohne körperschaftliche Natur herausgearbeitet worden. Sie wird
durch den Vertrag begründet und erzeugt an sich nur Schuldrechte und pflichten und nur
unter den Gesellschaftern. Offenbar aber kommt sie von der ältesten Assoziationsform der
Privatwirtschaft, der Hausgenossenschaft der ungeteilt fortwirtschaftenden Brüder (con-
sortium) her. Daraus erklärt sich am besten: daß eine sancta religio societatis herrscht und
Verurteilung wegen doloser Pflichtenverletzung infam macht; daß das Verhältnis mit dem
Tode und der Capitis deminutio jedes Gesellschafters erlischt (Gai. 3, 152); daß die all-
gemeine Gütergemeinschaft, die dem consortium am nächsten steht, der Musterfall der
prätorischen Formel ist und daß zuerst bei ihr, sodann (Sab.-Ulp. D. 17, 2, 63 pr.) bei jeder
Gesellschaft der Gesellschafter die Rechtswohltat des Notbedarfs genießt 2. Ob aus gleichem
Anlaß oder nicht, ist es eine jedenfalls zweckmäßige Regel, daß jeder Gesellschafter mit dem-
selben Anteil partizipiert, wobei nicht einseitig die Kapitaleinlagen, sondern auch die Arbeit
Rücksicht finden (Ulp. D. 17, 2, 29 pr. § 1; vgl. l. 6; lI. 80; Bruns n. 171 a. 167). Ur-
sprünglich dem landwirtschaftlichen Familienbetrieb dienend, wird die Societas mit dem Ver-
kehr und der Geldwirtschaft Instrument des Handels und Gewerbes, eine geschäftliche Ver-
bindung von Unternehmern. Trotzdem bleibt die Regelung etwas lückenhaft, namentlich
was die Geschäftsführung angeht. Offenbar steht diese grundsätzlich nur allen zusammen
zu, wie bei der Communio; Mißhelligkeiten führen wie dort zur jederzeitigen Auflösung, nur
daß unter Umständen der Kundigende Schadensersatz schuldet (DO. 17, 2, 65, 3—6). Auch be-
sorgt vermutlich so wie die Actio communi dividundo die Actio pro socio nur die Schluß-
auseinandersetzung und verfolgt nicht einzelne Leistungen während der Gemeinschaft (oben §# 40).
§ 70. Der Auftrag" (mandatum) ist die späte juristische Fassung einer jener Gefällig-
keitsvereinbarungen, die es gibt, ehe Verkehr und Rechtsgeschäfte aufkommen. Auch hier bleibt
die Herkunft entscheidend, indem die Unentgeltlichkeit des Dienstes strenge festgehalten wird
(Jav., Paul. D. 17, 1, 36, 1; 1, 4). Als freilich die Unentgeltlichkeit der „liberalen“ Dienste
der Anwälte und Philosophen nicht mehr den gesellschaftlichen Zuständen entsprach und man
sie doch nicht unter die Dienstmiete einreihen wollte, ließen die Kaiser das Mandat bestehen,
das Honorar jedoch immer nur im außerordentlichen Verfahren einklagen (Sev.-Car. C. 4,
35, 1). Der Beauftragte soll also aus der Durchführung des Auftrages weder Gewinn noch
Verlust haben. Dolose Verletzung macht ihn infam. Gegenansprüche aus Verwendungen
(Paul. D. 17, 1, 26, 6), d. i. Auslagen samt Zinsen, auf Ersatz oder auf Befreiung von ein-
gegangenen Verbinblichkeiten macht er mit Actio mandati contraria 5 geltend. Während
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1 Goldschmidt, ZHand R. 35 (1889) 41; Ashburner, Nôuet Postoy vouriz#r
(Oxf. 1909) Vorwort p. GLVIIIl: jetzt bes. Berger in Realenz., lactus I1 mit. Lit.
: Lit. fast nur über den Ursprung: Lastig, ZHandR. 24, 400; Leist, Z. Gesch. d. röm.
societas 1881; Poisnel, Nouv. rev. 3 (1879) 43, 531; Pernice, Lab. 1, 443; R Sav St. 3,
48; Sitz Ber. Berl. Al. 1886. 1195; Ferrini, Arch. giur. 38 (1887) 3; be Medio, Contr.
alla storia del contratto di società in Roma 1901:; Trumpler, Die Gesch. der röm. Gesell-
schaftsformen 1906; Costa, Storia 376. Zur Verschuldenshaftung unten § 86 und Braß-
hoff in Wiener Studien 24, 2. Heft.
3 „da die Gesellschaft das Recht einer Art Brüderlichkeit in sich enthält“" D. 17, 2, 63 pr.
Ulp. oder Trib.? Das Vorangehende ist echt, Lenel , Ed. 288.
4 Eine moderne Monographie fehlt.
5 Zum Namen bes. Gai. D. 3, 3, 46, 5; Pap. D. 17, 1, 54, 1 (erst ut tamen — ven.
ditorem itp.); Ulp. eod. 12, 7; zur Sache Ulp. u. Paul. eod. 12, 9; 45 pF. — Über den Schul-
streit wegen der Überschreitung eines unteilbaren Auftrags Gai. 3, 161; Riccobono, Bull.
7, 230; Ferrini, Bull. 13, 183.