Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

480 Ernst Rabel. 
ein Teil nicht befreit ist. Befreit wird der Schuldner der Hauptregel gemäß durch den Nach- 
weis eines von ihm nicht verschuldeten Ereignisses, das ihn an der Erfüllung hindert; ein Gläu- 
biger aus gegenseitigem Vertrage durch den Nachweis eines unverschuldeten Ereignisses in 
der Entgegennahme der Leistung, also durch „Exkulpierung“, daß die Nichterfüllung nicht an 
ihm liegt. Schon hierdurch erledigen sich glatt Zuwiderhandlung gegen Unterlassungspflichten, 
zurechenbare Unterlassungen, ungenügende Erfüllung, kurz alle Fälle der nach BG#B. so schwie- 
rigen (fälschlich) sogenannten „positiven Vertragsverletzungen“, nicht minder die „möglichen“ 
aber unerschwinglichen Aufwand kostenden Leistungen. Die bona fides verbindet aber die Par- 
teien zu loyalem Benehmen über den nächsten Inhalt des Vertrags hinaus, soweit, daß z. B. 
der Vermieter eines Grundstücks auf dem ihm verbleibenden Nachbargrund schädigende Hand- 
lungen unterlassen muß, zu denen er ohne die Vermietung befugt wäre 1. Sie umfaßt die Ge- 
samtbeziehungen der Parteien, die aus Anlaß des Vertrags entstehen. Daher gehört auch die 
Begründung des Vertrags selbst? in den Bereich des quidquid dare facere oportet ex fide bona. 
Eine der ältesten Wirkungen der Kaufklage ist die Haftung des Verkäufers wegen Betrugs; 
als solcher gilt ehemals, wo die Tat, nicht der Wille entscheidet, rechtlich (vgl. noch Cic. de afk. 
3, 16, 65), aber noch im Prinzipat tatsächlich die Kenntnis (scientia) von Rechts= oder Sach- 
mängeln, also das Verschweigen an sich ohne jene bewiesene Arglist, die BG#. §§. 443, 463 sinn- 
widrig als Klagegrund fordert. Auch ist die Meinung durchgedrungen, daß der gutgläubige 
Kauf eines freien Menschen gültig sei (Lic. Ruf. D. 18, 1, 70, Satz 1), während Stipulation und 
Legat ungültig sind (Mod. D. 45, 1, 103; Ulp. 24, 9); der Käufer soll Ersatz verlangen dürfen 
(Pomp. Paul. D. 18, 1, 4; 5) 3. Andere Verkehrsunfähigkeit der Sache macht den Kauf un- 
gültig; trotzdem geht zuletzt mindestens gegen den betrüglichen Verkäufer eines locus religiosus 
die actio ex emto mit ihrer schmiegsamen Formel (Mod. 18, 1, 62, 1). Der Gedanke der culpa 
in contrahendo in ihrer Beschränkung auf Redepflicht ist also den Quellen vertraut. Umgekehrt 
haftet wegen seines Auftretens als Vertreter, wer es in Wirklichkeit nicht ist, nicht bloß der „fal- 
sus procurator“, sondern nach den Ediktalbestimmungen de falso tutore der einem Unmündigen 
dolo malo bei Geschäften oder bei Litiskontestation sein Vollwort verleihende vermeintliche 
Vormund. 
§ 88. Haftung ohne Berschulden. 1. Die Grenzen der gesetzlichen Haftung erweitem 
sich zunächst durch vertragsmäßige Erhöhung des Haftungsgrades und Garanties. An 
Fällen der letzteren ist die Antike sehr reich, das Bürgschaftsrecht und aus diesem entquellend 
das gesamte Recht der persönlichen Haftung kommt geschichtlich von Garantieversprechen her. 
In dem verfeinerten klassischen Recht durchdringt aber das Schuldprinzip so sehr das Vertrags- 
recht, daß nur noch sporadische Reste vertraglicher Erfolghaftung übrig bleiben. Der wichtigste 
ist das Einstehen der Schiffer, Herbergs-- und Stallwirte für Verlust und Beschädigung des ein- 
gebrachten Gepäcks mit ediktaler actio in kactum 7, die bis zu Ende des 2. Jahrhunderts noch 
1 Lab.-Jav. D. 19, 2, 57, dazu Rhein. Z. 1, 211. Ferner z. B. Paul. D. 17, 1, 59, 1. 
: Zur Culpa in contrahendo Jhering, Jahrb. 4; Fr. Mommsen, Erörterungen 2 
(1879); Fr. Leonhard, Die Haftung des Verkäufers für sein Verschulden beim Vertrags- 
schlusse, Gött. Diss. 1896; Verschulden beim Vertragsschlusse (1910) 3—10. 
UÜber die Herstellung des Textes Scialoja, Bull. 2, 178; Ferrini, Pand. 571 N. 3; 
Gradenwitz, ZSavt. 26, 481. Unrichtig Haymann, Haftung des Verkäufers 1, 157: 
„dreiste Fälschung“. Die Juristen konnten gar nicht anders entscheiden, da schon die Actio auctori- 
tatis Platz griff. Jul. D. 21, 2, 39, 3: Bechmann, Kauf 1, 687! Haymann 166. Der 
gute Glaube des Käufers aber ist sehr wesentlich wegen der lex Fabia de plagiarüis (vgl. Ulp. 
Coll. 14, 3, 4) und muß deshalb betont werden. 
4 Hupka, Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht 7 ff., 93. — D. 27, 6; 
Lenel, Ed. Is 122. 43. Aber die Klage dient bloß Dritten, die Actio utilis für den Mündel 
selbst ist m. E. itp. (landers Peters, ZSavöt. 32, 246). 
Bull d* Diocl. Coll. 10, 5, 1Rotondi, Dolus ex delicto 26 N. 2 gegen Albertario, 
. 26, 32. 
» Stammler, ArchgZivPrax. 69 (1885) 1. Zu D. 17, 1, 39, auf Fiducia bezüglich, 
Pernice, Lab. 3, 1, 139 N. 2; Segre, St. Fadda 6, 351. 
7 Lenel, Ed. § 49; Goldschmidt, ZHand R. 3, 58. 331 = Verm. Schr. 2, 397; Ude, 
ZSavt. 12, 66; Partsch, ZSav St. 29, 405. Über Lusignani Schulz, Kr. Vischr. 52, 
28. Lit. zum Wort recipere außer Partsch bei Wenger und Klingmüller in Realenz., 
recipere, receptum. Die nähere Stellungnahme hängt von der zweifelhaften Textkritik zu D. 
  
 
	        
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