Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

486 Ernst Rabel. 
Neben diesen zivilen Schuldbefreiungsverträgen macht sich in zunehmendem Maße der 
formlose geltend, der als Pactum de non petendo 1 vom prätorischen Edikt de pactis geschützt 
wird (s 61). Damit ist Vergleich, Erlaß und Stundung möglich. Der Erlaß steht unter 
wesentlich moderneren Grundsätzen als die Akzeptilation, was die Juristen bei vielen Gelegen- 
heiten ausführen. Der Vergleich (transactio), der gegenseitige Vertrag, wodurch zwei Par- 
teien einen ungewissen Rechtszustand (rem dubiam) durch Vereinbarung wechselseitiger Zu- 
geständnisse beendigen (Ulp. D. 2, 15, 1; Gord. C. 8, 42, 6), ist Gegenstand besonderer Er- 
brterungen und auch gesetzgeberischer Maßnahmen. Eine Klage entsteht aus der üblichen be- 
gleitenden Stipulation (Paul. 1, 1, 3); aber auch ohnedies ist eine actio im J. 230 bezeugt 
(C. 2, 4, 6, 1), die bei Just. ac. praescriptis verbis heißt. Natürlich fallen unter die Einrede- 
wirkung auch einverständliche Aufrechnung von Forderungen und Feststellung eines überschusses 
durch Abrechnung; dazu kommen aber scharfe Klagen aus dem Konstitutum (§ 97) oder aus 
einer Stipulation, welch letztere man auch in Agypten zu den dort üblichen Saldo= oder 
Stundungsverpflichtungen in Form fiktiver Darlehensscheine fügt. 
Der Kaufvertrag, für den es feststeht, aber offenbar alle formlos eingegangenen Ver- 
träge können formlos aufgehoben werden (contrarius consensus), solange kein Teil geleistet 
hat (Paul. D. 18, 5, 3 u. a.); andermfalls sucht man der Sachlage doch noch gerecht zu werden 7. 
g 9#6. Novation ist nach der berühmten Definition Ulpians D. 46, 2, 1 pr. „die Um- 
gießung und Ubertragung einer Schuld in eine andere Obligation, d. i. indem aus der alten 
Causa eine neue derart gebildet wird, daß die frühere untergeht"“. Vorausgesetzt, daß der 
Erläuterungssatz echt ist, so führt es doch irre, auf ihn Gewicht zu legen und dabei „Causa“ als 
„materiellen Rechtsgrund“ zu verstehen. Ist das alte Schuldverhältnis durch seinen Grund 
rechtlich charakterisiert („kausal"), z. B. Kauf, Darlehen, so wird er nicht zerstört, sondern macht 
sich auch nach der Novation geltend, und wäre es nur durch die Exceptio doli. Ist umgekehrt 
schon die alte Schuld „abstrakt“, so wird die neue nicht „aus“ ihr gebildet. Die Definition, 
die nicht allzusehr gepreßt werden darf — causa ist wohl „Rechtslage“ —, erhält vielmehr 
ihren guten Sinn durch die Bedeutung der obligatio. Die Novation ist immer, auch wenn 
ein Praes oder Vindex für einen Hafter eintrat, Begründung einer Haftung gewesen, welche 
die bis dahin bestehende Haftung beendigt und ersetzt. Für die Begründung persönlicher 
Haftung ist nun die Stipulation die Hauptform. Zumal wenn es wahr ist, daß die Stipulation 
von Haus aus Treugelöbnis ist und daß sie als Bestärkung kausaler Geschäfte entstand Mitteis, 
M. 272), so konnte die Novationsstipulation den Römern gar kein Problem sein; von Nova- 
tion war hauptsächlich dann zu sprechen, wenn schon vor der Stipulation eine Haftung jemandes 
bestand, jede Stipulation aber goß „die alte Schuld (debitum) in eine neue Haftung (obligatio)“ 
Ulpians erster Satz, den er sich übrigens nicht erfunden haben wird, könnte wörtlich auf das 
ältere Recht passen. 
Aber die Vorgeschichte bleibe dahingestellt. Im gemeinen Privatrecht der Keiserzeit 
ist Obligation jedenfalls von Haftung begleitete Schuld, „Schuldpflicht“, Novation die Er- 
setzung dieser Schuldpflicht durch eine neue, ohne daß der wirtschaftliche Hintergrund in irgend- 
einem Falle verändert wird. Die novierende Stipulation verhält sich zum Gesamttatbestand 
immer noch genau so, wie jede Stipulation, indem sie eine einzelne Schuldpflicht aus ihm 
juristisch bis zu einem bestimmten Grade herauslöst. Die Abstraktheit braucht Ulpian daher 
nicht zu betonen. 
1 Rotondi, Di alcune riforme giust. rel. al pactum de non petendo, Perugia 1913 weist 
nach, daß die Einteilung in pactum in rem und in personam im wesentlichen unecht ist. — 
Bentolini, Della transazione , Tor. 1900; Appunti did. (1908) 997; Pernice, Lab. 3, 
91 N. 4. 
2 Näheres etwas zweifelhaft. Ferrini, Pand. 647; Perozzi, Stud. Schupfer 1, 175; 
Obblig. rom. 74 N. 1; Costa, Storia 434 N. 2. 
2 v. Salpius, Novation und Delegation (1864); Regelsberger, Kr. Bischr. 28, 
377; Salkowski, Z. L. v. d. Novation 1866; Gide, Etude sur la novation et le trensport 
des créances 1879; Fadda, Sulla dottrina della novazione 1880; Hruza, Z. L. v. d. Nov 
1881; R. Merkel, Der römischrechtl. Begriff der Novatio 1892; Blume, Nov., Delegation 
und Schuldübertragung 1895; Last, Grünhuts Ztschr. 37 (1910) 451; Lit. zu § 70.
	        
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