Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 487 
Was die Form der novierenden Stipulation angeht — von der Dietio dotis ist nichts 
Besonderes, vom Litteralvertrag nichts Sicheres zu sagen —, so wäre es bei dem Mechanismus 
der römischen Formalgeschäfte sehr seltsam, wenn eine Stipulation, die eine frühere Bindung 
aufhebt, dies nicht anzuzeigen brauchte — z. B. C. mihi dare spondes, die angebliche „reine" 
oder abstrakte Novation. Wer „icem“ promittiert, wird Bürge, wem icem promittiert wird, 
Adstipulator. Zwei Stipulationen derselben Sache hintereinander würden dem Gläubiger 
die Wahl zwischen zwei Forderungen lassen 1. Also muß die Stipulation auf die Novations- 
wirkung hinweisen. Daß sie dies regelmäßig bloß so tut, daß versprochen wird, „was aus dem 
und dem Grunde dem 4. vom M. geschuldet wird“, oder noch kürzer — das beruht vielleicht 
gerade auf einem alten Formular, das auf die ehemals sehr häufigen haftungslosen Schulden 
paßte und für sie die erste Haftung herstellte. Jedenfalls eignet es sich noch weiter für sie, 
man kann auch Schulden novieren, wo eine zivile Obligation nicht besteht (Ulp. D. 46, 2, 1, 1) 
oder wegen Bedingung noch nicht besteht oder wegen Termins noch nicht die actio besitzt 
(Ulp. ebd. 8, 1; D. 2, 15, 4). Erst mit dem Zerfall der Stipulationsformen erlangt dann die 
Interpretation aus dem Willen der Parteien eine Bedeutung, die unter den Severen schon 
beträchtlich sein dürfte, unter Justinian aber allein entscheidet (C. 8, 41, 8 und Itp.), so zwar, 
daß nun die Vermutung gegen den Animus novanc spricht. 
Die Novation dient zum Wechsel des Gläubigers oder Schuldners oder „zwischen den- 
selben Personen“ zur Anderung des Gegenstandes, des Leistungsorts, der Leistungszeit, Neu- 
aufnahme oder Streichung einer Bedingung oder eines Termins, oder nur zur Ersetzung der 
kausalen Obligation durch die stipulationsmäßige, sei es um auf ihr weiterzubauen — z. B. 
eine sponsio, eine acceptilatio —, sei es der Vererblichkeit oder lediglich der relativen Abstrakt- 
heit wegen. „Etwas Neues“ (aliquid novi) ist nötig (Gai. 3, 177); doch wahrscheinlich, nur weil 
sonst etwas Unnützes geschähe. 
Immer erlischt die alte Obligation, daher auch Verzug und Haftung der Pfänder und 
Bürgen (Paul. D. 46, 2, 18). Sofern aber die novierende Stipulation auf die alte Schuld 
Bezug nimmt, bleiben genau in dem Maß, wie sie es tut, die Einreden erhalten: wenn sich also 
beim Wechsel des Schuldners der Gläubiger vom neuen Schuldner versprechen läßt: quod 
ü#le debet dari sibi (vgl. D. 46, 2, 34, 2; 45, 1. 75, 6) die Einreden aus dem gedachten, dem 
Valutaverhältnis; und wenn sich ein neuer Gläubiger vom Schuldner versprechen läßt: 
„duod Titio debes id mihi dari spondes“ (vugl. Ulp. D. 46, 2, 8, 5), die Einreden aus dem 
Deckungsverhältnis. Die übrigen Mängel des alten Verhältnisses gehen den Gläubiger nichts an: 
suum recipit (Paul. D. 46, 2, 12; 44, 4, 5, 5 u. a.). Anders, wenn der Neuschuldner ver- 
pflichtungsunfähig oder die Neuschuld selbst durch die alten Mängel abermals getroffen wird 
(exco. SCi. Vellaeani, Paul. D. 46, 2, 19, etwas anders Marcell. D. 16, 1, 8, 2); ferner wo 
die mit schärfster Wirkung verbotene Schenkung zwischen Ehegatten aus der Causa heraus das 
Vollzugsgeschäft ergreift (D. 24, 1, 5, 3, u. 4;, 39); endlich gegenüber einem Neugläubiger, der 
vom alten Gläubiger durch die Stipulation des Schuldners beschenkt wird (Jul. D. 44, 4, 7, pr.; 
39, 5, 2, 3), weil er beim unentgeltlichen Erwerb nicht im materiellen Sinn suum empfängt?. 
1 Nicht dagegen D. 45, 1, 25; 29 pr. „Wer zweimal dasselbe verspricht, haftet nur ein- 
mal“ (Pomp. D. 45, 1, 18) ist kein allgemeiner Grundsatz, sondern steht mit D. 21, 2, 32, 1 im 
Gedankenzusammenhang, Lenel, Pomp. 566; Debray, Nouv. rev. 1910, 558, besagt aber 
nicht einmal da, daß die zweite Stipulation ungültig sei, was GCirard, Man. 693 N. 1 u. Zit. 
annehmen und zur Grundlage der Novationstheorie machen. Im Gegenteil hebt eine Nova- 
tionsstipulation die alte auf, selbst wenn sie selber ungültig ist, Gai. 3, 176, durch Unaufmerksam- 
keit erhalten in J. 3, 29, 3, abgeschwächt in D. 46, 2, 1I, 1, s. Alibrandi, Bull. 24, 177. Über 
D. 45, 1, 58 s. Ferrini, Pand. 639. Die ganze Novationslehre bedarf neuer Prüfung. 
2 Hierzu und zu D. 44, 4, 7 53 1 und 39, 5, 2, 4, wo Mängel zugleich im Valuta= und 
Deckungsverhältnis bestehen, vgl. Last 464. 478. — Alles Vorstehende ist durchaus bestritten, vgl. 
Windscheid, Pand. 2, 5 355, 1 a, ebenso die Frage, welche Bereicherungsklage der seiner 
Einrede beraubte Schuldner gegen den Anweisenden hat. Insbes. s. zu D. 46, 2, 12 Pernice, 
Labeo 3, 204; v. Mayr, ZSavöt. 24, 269; 25, 225; zu D. 46, 2, 19 Rappaport, Die 
Einreden aus dem fremden Rechtsverhältnis (1904) 122; Pflüger, Condictio und kein Ende 
87; Debray, Möl. Girard 1, 285; zu D. 44, 4, 5, 5 Gradenwitz, Mél. Gérardin 291; 
Mitteis, Privatr. 166 N. 56; Pflüger a. a. O. 83.
	        
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