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Andererseits liegt schon während des Schwebens der Bedingung (pendente condicione)
eine Anwartschaft vor. Diese ist vererblich 1. Ihr schädliche Verfügungen und der Erbgang in
das durch die Bedingung belastete Recht (Jul. D. 39, 5, 2, 5) hängen selbst von der Vereitlung
der Bedingung ab oder stehen einem bedingten Pfandrecht im Range nach (Gai. D. 20, 4,
11, 1). Auch die bedingte Schuld wird vererbt (Paul. D. 18, 6, 8 pr.) Die bedingte For-
derung kann durch Pfandrecht bestärkt werden und sogar mit schwebender Wirkung noviert
und — ausgenommen bedingte Legatschulden — durch Akzeptilation erlassen werden 2. Des-
gleichen ist zuerst beim statuliber (Ulp. 2, 5), nachher allgemeiner s festgestellt, die Bedingung
gelte als erfüllt, wenn derjenige sie vereitelt, zu dessen Nachteil ihre Erfüllung gereichen würde.
Wie ist innerhalb einer Mehrheit von Rechtsbeziehungen eine bedingte Rechtslage zu
berücksichtigen? Dafür gibt es verschiedene Methoden. Betreffs der lex Cornelia, welche ver-
bietet, sich bei demselben Gläubiger innerhalb eines Jahres für mehr als 20 000 Sesterzen zu
verbürgen, zählt Gai. 3, 124 die bedingten Schulden nicht mit, Ulp. D. 44, 7, 42 pr. zählt be-
dingte Legate nicht mit, wohl aber bedingte Stipulationen. Nach der lex Falcidia behält der
Erbe ein Viertel seines Erbteils gegenüber den Vermächtnisnehmern; nach dem Vorgang Julians
(in D. 35, 3, 1, 7) lassen die Meisten bedingte Rechtsverhältnisse der Erbschaft außer Betracht
und berücksichtigen ihr eventuelles späteres Entstehen durch Kautionen, während Just. damit
wahlweise ein anderes System verbindet (D. 35, 2, 73, 1), wonach der Verkaufswert der be-
dingten Rechte und Lasten auf der Aktiv= oder Passivseite einzusetzen ist .
Der Schwebezustand erzeugt also, und das bewährt sich nach vielen Richtungen, einen
Zustand rechtlicher Gebundenheit; die Bedingung „wirkt vor“. Dagegen ist es nicht beweisbar,
mindestens nicht eine Regel erkennbar, daß die Wirkung der eingetretenen Bedingung auf den
Zeitpunkt der bedingten Rechtsbestellung zurückbezogen wird 5. Schulstreitigkeiten der Juristen
und Spezialbestimmungen führen freilich mannigfache Abweichungen herbei, und einige Inter-
polationen verdunkeln uns das Bild.
§ 113. Unter auflösenden Bedingungen verstehen wir solche, deren Erfüllung die zu-
nächst eingetretene Wirkung des Rechtsgeschäfts vernichtet. Seit langem ist lebhaft bestritten,
ob diese Figur in der gleichen Selbständigkeit bei den Römern besteht, und der Streit hat wohl
einigen Grund. Die Auflösung von Verträgen für einen gewissen Fall voraus zu bestimmen,
ist bereits unbefangene republikanische Praxis. Z. B. enthalten die formularen Versteigerungs-
bedingungen für eine Olernte bei Cato agric. 144, 13 die Klausel, der Ersteher und seine offenen
Gesellschafter müßten auf Verlangen einen Eid leisten — wahrscheinlich des Inhalts, daß sie
kein heute sog. pactum de non licitando zur Abhaltung von Mitbietern geschlossen haben —
und demjenigen, der nicht schwört, solle nichts geschuldet sein. Alt ist jedenfalls auch die bei
Plautus bezeugte In diem addictio bei den so sehr verbreiteten freiwilligen Versteigerungen,
die den Zuschlag aufhebbar macht, wenn sich binnen bestimmter Frist ein besserer Käufer findet.
Aber an einen selbsttätigen Rückfall dinglicher Rechte ist sicher bis ins 1. Jahrhundert n. Chr.
nicht zu denken, und was schuldrechtliche Wirkungen anbelangt, so dürfte die klassische Juris-
prudenz von Haus aus eine wahre auflösende Bedingung des Hauptgeschäfts nicht kennen,
sondern grundsätzlich nur ein aufschiebend bedingtes Aufhebungsgeschäft neben dem Haupt-
vertrag s. Daraus ergibt sich nach dem Eintritt der Bedingung eine Einrede gegen die Vertrags-
1 Mitteis, PR. 174. Konsequenzen: Mitteis, 8öavSt. 32, 15.
„ Mitteis, P. 175 N. 38; ZSavöt. 32, 20.
: Jul. D. 35, 1, 24; Ulp. 50, 17, 161, vgl. BGB. § 162 Abs. 1. Mitteis, 8Savöt.
32, 13. Weitergehend Ulp. D. 36, 2, 5, 5 für Legate, zu deren Bedingung die Mitwirkung
eines Dritten gehört: si Seiam uxorem duxerit, jedoch nicht frei von Interpolationsverdacht.
4 Vassalli, Bull. 26, 52 mit einleuchtender Erklärung von 1. 73 pr. — & 3 und dem
Nachweis, daß die Einsetzung des Verkaufswerts bei den Juristen bezüglich der dubiosen Forde-
rungen eine Rolle spielte, freilich mit sonstigen bedenklichen Annahmen; Paul. D. 35, 2, 46, 1
bezieht er auf die Actio Rutiliana.
5 Hierfür mit Entschiedenheit Mitteis, PR. 172—178 gegen viele frühere Kontroversen.
Die mit bedingtem Vindikationslegat vermachte Sache gehört in der Zwischenzeit dem Erben,
Wlassak, ZSavöt. 31, 275. 319.
* Vxgl. etwa Ferrini, Pand. 173. Doch beachte man, daß Mitteis, P. 180 f.,
ve Dinge erheblich anders als die obige Darstellung ansieht. Über die Stipulationen s. Mitteis
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