Grundzüge des römischen Privatrechts. 507
Hinterlegers solle der Verwahrer das Depot an eine bestimmte dritte Person ausfolgen (idei-
commissum a debitore relictum) 1.
§ 118. Ausschluß der Stellvertretung und Ersatzmittel?. Nach einem weiteren zweifel-
losen Grundsatz des römischen Privatrechts kann niemand eine Rechtshandlung mit
der Wirkung setzen, daß sie als Handlung eines Dritten gilt. In der Anwendung auf Schuld-
verträge ergibt sich abermals die Unmöglichkeit von obligatorischen Vertragsschlüssen im Namen
Dritter. Es wäre ein reizvolles, aber derzeit sehr gewagtes Untemehmen, den geschichtlichen
Zusammenhang der beiden Prinzipien zu ergründen, die sich in dieser gemeinsamen Folge treffen.
Jedenfalls mußten wir die persönliche Natur der Haftung einzelner Personen als besonders
ausgeprägte Erscheinung der historischen Zeit betonen; übrigens bleiben schul drechtliche
Verträge im Name Dritter ganz besonders zähe und lange erschwert.
Alle Stellvertretung ist von Haus aus unzulässig. Indessen ergeben sich doch im Lauf der
Zeit verschiedene Auswege, um praktisch das Handeln für eine fremde Rechtssphäre zu ver-
wirklichen.
1. Nach altem Gewohnheitsrecht wird der Hausvorstand durch Rechtserwerbshandlungen
der Gewaltunterworfenen in weiten Grenzen berechtigt 3s, ausgenommen das notwendige
persönliche Handeln vor Gericht bei der lniurecessio. Das ist eine zwingend nötige Voraus-
setzung der Sklavenwirtschaft. Der Besitz wird in dieser Art, ohne Wissen des Gewalthabers,
nur erworben, wenn er ex re peculiari, d. h. mit wirtschaftlicher — aber wie es scheint nicht gerade
notwendig mit offener — Beziehung auf das Peculium gewonnen wird, der zivile Besitz natür-
lich nur ex justa causa, nicht durch Gewalt 4. Verteilt sich das Recht an der Person, wie sich
das Recht am Sklaven zwischen dem Eigentümer und dem Nießbraucher, zwischen jenem und
dem gutgläubigen Besitzer oder zwischen dem freien Mann selbst und demjenigen teilt, dem er
gutgläubig dient, so gehört grundsätzlich dem Nutzenden der Erwerb durch den Sklaven oder
Scheinsklaven aus zwei Gründen, der Erwerb aus der Arbeit des Dienenden und der Erwerb
mit seinen eigenen Mitteln (ex operis suis vel ex re nostra) 5, nicht z. B. aus einer anfallenden
Erbschaft. Da sich dieser Erwerb durch Gewaltuntertänige innerhalb seiner Grenzen mit Rechts-
notwendigkeit vollzieht, so entscheidet dort, wo es auf Kennen, Dolus oder Nichtkennen gewisser
Umstände (z. B. von Sachmängeln) auf seiten des Erwerbers ankommt, regelmäßig nur die
Person des Unterworfenen .
1 1 Ulp. D. 30, 77; Paul. 16, 3, 26 pr. Hellwig lff.; Kipp-Windscheid, P. 8 316
N. 4a; Rabel, ZSavst. 30, 467; Bruck, Grünhuts Z. 40, 653.
„2 Mitteis, P. 3 13, auf dessen Quellennachweise für alles in I 118—120 Folgende
hinzuweisen ist. — Buchka, Die Lehre von der Stellvertretung 1852; E. Zummermann,,
Die Lehre von der stellvertretenden Negotiorum gestio 1876; Hellmann, Die Stellver-
tretung 1882; Mitteis, Die Lehre v. d. Stellv. 1885; Lenel, Ih. J. 36, 1; Schloßmann,
Die Lehre v. d. Stellv. 1900, 1902; Hupka, Die Vollmacht 1900; Die Haftung des Vertreters
ohne Vertretungsmacht 1903; Kniep, Gai. inst. 2 (1912) 205, 236. — Zum Besitzerwerb,
jedoch meist für die ganze Lehre wichtig: Schloßmann, Der Besitzerwerb durch Dritte 1881;
Kniep, Vacua possessio 210; Alibrandi, Teoria del possesso 71 = op. 1, 271—278;
Ferrini, Pand. 323; Peroz zi, Ist. 1, 553;B0nfante, IEst. 343 N. 2; V. Bruns,
Besitzerwerb durch Interessenvertreter 1910; Solazzi, Bull. 23, 143; 24, 150; Mem. Acc.
Modena 11 (1911); Peters, ZBSavt. 32, 201; Last, Ih. J. 62, 53; Lewald, ZSavSt.
34, 449. — Zur Prozeßvertretung Lit. bei Rosenberg, Stellvertretung im Prozeß (1908)
6; dazu Duquesne, La translatio judicii; Wirbel, Le cognitor 1911; Eisele, Stud.
8 röm. Rechtsg. (1912) 51. — Wenger, Die Stellvertretung im Recht ber Papyri 1908;
rch. f. Kulturgeschichte 10 (1913) 395; Partsch, Arch PapF. 4, 495; Kübler, ZSavöt.
29, 216; Mitteis, Gdz. 260. — Im Obigen wird die Lehre unter neuen Gesichtspunkten
betrachtet. Soweit hierzu noch Beweise gehören, sollen sie in einer selbständigen Arbeit folgen.
:Mandry, Das gem. Familiengüterrecht 1 (1871).
4 Pap. D. 41, 2, 44, 11: Riccobono, 3Savt. 31, 357. Zu Paul. D. 41, 3, 47;
41, 4, 2, 10—13; Pap. D. 41, 3, 44, 7, Textkritik bei Schulz, 8SavSt. 33, 62. Wegen
anderer Erwerbungen als des Besitzes (und der Erbschaft) wird nach Jul. D. 45, 1, 62; Gai.
D. 41, 1, 32 u. a. angenommen, der Erwerb vollziehe sich ohne Rücksicht auf ein Pekulium und
einen Auftrag des Gewalthabers, vgl. Mandry, 1, 131. Ich habe Zweifel, ob dies völlig stimmt.
5 Gai. 2, 91 f.; 3, 164 f.; Ulp. 19, 21. Näheres Berger, Philologus 73 (1914) 61.
s Afr. D. 21, 1, 51 pr. Satz 1; Ulp. D. 44, 6, 2 u. a. Zu den betr. Fragen nach klass. Recht
Solazzi, Riv. ital. 50, 229; Schulz, ZSavêt. 33, 37 (Üüber die Ausnahmen vom obigen
44. 45. 63).