Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 509 
folgerichtig Kennen und Nichtkennen des Mittelsmannes allein (Jul. Afr. D. 21, 1, 51 
1 u. a.). 
5. Indessen, wenn verlangt wird, daß eine Partei das Rechtsgeschäft selber schließt, so 
ist damit nicht gesagt, daß sie sich dabei keines Vermittlers überhaupt bedienen kann. Bei den- 
jenigen Verträgen, deren Formalnatur nicht das persönliche Auftreten verlangt, wie Man- 
zipation, Iniurecessio, Stipulation, Cognitoris datio, darf ja das eigene Handeln der 
Partei in mannigfaltiger Weise zum Ausdruck kommen. Dieser Gedanke trägt ungemein 
weit. Alle folgenden Anwendungen erschöpfen ihn nicht. 
a) Die Römer lassen mit Recht die Zustimmung des Eigentümers zu einer Veräußerung 
oder Verpfändung seiner Sache genügen, auch wenn ein Dritter sie vornimmt (Gai. D. 41, 1, 
9, 4 Satz 1, Paul. D. 13, 7, 20 pr. u. a.). 
b) Den Konsens zu einem formlosen Vertrage kann man wie durch einen Brief natürlich 
auch durch einen Boten (nuntius) überschicken. 
) Den Besitz kann jemand erwerben, indem er seinen Willen dazu erklärt und ein Dritter 
für ihn die Sache körperlich ergreift, animo nostro, corpore alieno, ganz unbedenklich sofern 
der Dritte offenkundig nur ein tenere übt, nicht selber Besitzer wird. Dies trifft auf den Sklaven 
zu, wenn der Herr den Willen äußert 1, auf Hauskinder, Diener, Lohnarbeiter (Ulp. D. 39, 
5, 6), Wächter (Jav. D. 41, 2, 51), mindestens dieses (vgl. § 120) auch auf den procurator. Die 
als Werkzeug dienende Person muß aber des Willens fähig sein, corpore dem Herrn das Besitz- 
verhältnis herzustellen (Paul. D. 41, 2, 1, 9 ff.). Hier sowie bei allen Geschäften, die im Auf- 
trage oder „im Namen“, d. h. nach heute herrschender Ansicht mit Beziehung auf das Ver- 
mögen des Gewalthabers geschlossen werden, entscheidet grundsätzlich nur die Person des Ver- 
tretenen über Willensmängel, Kennen, Nichtkennen 2. 
d) Hohe Bedeutung hat die Ermächtigung an einen Dritten, mit einem Interessen- 
vertreter ein Geschäft zu schließen (5 119). 
§s 119. Ermächtigung. Es ist vielleicht kein ganz allgemeiner Gedanke, aber ein in der 
Antike äußerst fruchtbarer, daß jemand sich auch bindet, indem er durch Anweisung (Kiubere, 
auch delegare) zum Kontrahieren zu nachfolgenden Verfügungen über seine Rechte einwilligt 
oder die belastende Wirkung eines Schuldvertrags auf sich erstreckt. Ist im letzteren Falle 
der Interessenvertreter selbst obligienungsfähig, so entsteht eine Doppelhaftung des Prinzipals 
und des Vertreters. 
a) Darauf beruhen vor allem fast alle sog. „actiones adjecticiae dualitatis“ 2. 
Aus der Ermächtigung (iussum) eines Gewalthabers an einen Dritten, mit seinem Sklaven 
oder Haussohn einen Vertrag zu schließen, gibt der Prätor dem Dritten gegen ihn die actio 
1 Pap. D. 41, 2, 44, 1. Riccobono, BSavöt. 31, 358; Last, Ih. J. 62, 23. 
2 Die Juristen setzen voraus, daß der Gewaltunterworfene domini vel patris nomine (Pomp.= 
Paul. D. 41, 4, 2, 12) oder mandatu (Ulp. D. 44, 6, 2; Jul. Afr. D. 21, 1, 51 pr. a. E. 
gehandelt hat, einige vielleicht, daß der Auftrag spezialisiert war, certum mandante patre v 
omino (Paul. D. 40, 12, 17; vgl. Just. in D. 21, 1, 51 pr.). Hierzu Schulz 40 f. in scharf- 
finmigen Aufstellungen, von denen es sich bloß fragt, ob die Klassiker die Dinge nicht doch ein- 
acher sahen. Erfolgt der Erwerb zugleich für das Pekulium und mit dem Willen des Gewalt- 
abers, so vereinigt sich die Regel oben zu 1 N. 6 mit der hier besprochenen: der peculiari nomine 
andelnde filius darf nicht wissen, z. B. damit dem Vater kein Dolus vorgeworfen werden könne; 
zugleich aber schadet das Wissen des Vaters selber, wenn er Auftrag erteilt hat; dem Auftrag 
Lelt z. B. Ulp. D. 40, 12, 16, 4 es gleich, daß der Vater beim Geschäft anwesend war und es 
nicht hinderte. 
*r 1 Baron, Die adjektizischen Klagen 1882; v. Tuhr, Die Actio de in rem verso 1895; 
Lenel, Ed. 248—279 mit weiterer Lit.; Seckel, Festschrift für Bekker (1907) 323; Solazzi, 
Bull. 17, 208; 18, 228; 20, 5; Beseler, Beiträge 3, 192. — Über Interpolationen betreffs 
der Konkurrenz der Actiones adj. qual. mit der Condictio und betreffs der adjektizischen Klagen 
auf Bereicherung Mitteis, Ih. J. 39, 167; PR. 227 N. 81; 80lanzzi, Riw. ital. 49, 51; 
Albertario, Rend. Ist. Lomb. 46 (1913) 340; Lit. zu § 120, S. 5115. — Zu den Actiones 
utiles, namentlich zur Actio utilis de in rem verso und zur Actio quasi institoria neuerdings 
Solazzi in St. Brugi, u. XIII; Bull. 23, 153; 25, 103 = Le azioni del pupillo 143. 245; 
Bonfante, Ist. 384 N. 1; Albertario, T'actio quasi institoria, Pav. 1912; Rabel 
in Festschr. f. Zitelmann (1913). 
 
	        
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