Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 513 
hinaus, es sei denn an gewisse nahe Angehörige (exceptae personae, Paul. Vat. 298—309). 
Die verpönten Schenkungen sind nicht nichtig; nur der Prätor versagt seinen Gerichtsschutz, 
und dies ist gegenstandslos, wenn der Beschenkte schon alles hat, also weder eine Klage braucht, 
noch einer solchen des Schenkers ausgesetzt ist, z. B. wenn die Schenkung einer res mancipi 
durch Besitztradition und Manzipation oder auch Ersitzung erledigt ist (donatio perfecta). 
Eine vollendete Schenkung kann nach klassischem Recht nur aus ganz besonderen, erst 
von Justinian verbreiterten Gründen zurückgefordert werden, natürlich aber nach allgemeinen 
Grundsätzen, z. B. wegen irrtümlicher Zahlung mit Condictio indebiti (Ulp. Vat. 260). 
Alle Besonderheit endigt mit dem Tode des Schenkers, der von der Cincia nicht (gerichtlich?) 
Gebrauch gemacht hat: morte Cincia removetur (Vat. 259, 266). 
Zwischen Ehegatten 1 sind während der Ehe Schenkungen verboten (D. 24, 1), seit einem 
unbekannten Zeitpunkt, der zwischen 59 und 8 v. Chr. angesetzt werden darf. Wie sich kaum 
bezweifeln läßt, sind solche Schenkungen nichtig. Der Schenker darf die Zuwendung einfach 
ignorieren, bestehe sie in einer Sachübereignung, einer Stipulation, Akzeptilation, Delegation, 
Novation oder worin immer. Ehegatten sind also schlechter gestellt als Konkubinen. Das 
könnte als ein Anzeichen mehr dafür gelten, daß das Verbot auf den Augusteischen Spezial- 
gesetzen über die Ehe beruht, die mehrfach ähnliche Ergebnisse haben. Wir wissen aber ledig- 
lich, was zur Severenzeit als Motiv der Altvorderen gilt: daß die gegenseitige Liebe nicht zur 
gegenseitigen Beraubung führen und keiner die Eintracht durch Geschenke erkaufen solle (D. 24, 
1, 1; 3 pr.). Das mochte im Hinblick auf die stete Scheidungsgefahr wirklich den Ausschlag 
geben, und dem entspricht es, daß nur die möglicherweise unlautere Ausbeutung eines auf 
die Ehe vertrauenden Gatten getroffen werden soll. Denn zulässig ist es nach einer von 
Ulp. (reg. 7, 1; D. 24, 1, 11, 11; 13 pr.) und Hermog. D. 24, 1, 60, 1 vertretenen Ansicht 
für den Fall der Scheidung zu schenken — anders Paul. (7) 1. 12 — und nach allgemeiner 
Lehre für den Todesfall. Beide Male wird die Auflösung der Ehe geradezu ins Auge gefaßt 
und der Zweck ist Versorgung. Eine vertragliche Scheidungs strafe wäre freilich auch 
nicht erlaubt, die Ehen müssen frei sein. Sei es dieser Ausnahmen wegen, sei es, um das Ver- 
bot weiter einzuschränken, wozu entschiedene Neigung herrscht, formuliert man das Prinzip, daß 
zur Schenkung dreierlei gehört, ein Armerwerden des einen, Reicherwerden des anderen und 
eine reine Liberalität. Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Legats ist keine Vermögens- 
einbuße? (Ulp. 1. 5 8§ 13, 14; vgl. 1. 31 9 7); dem Anstand entsprechende Gelegenheitsgeschenke 
sind keine Schenkungen (Pomp. 1. 31 § 8). Die wichtigste Ausnahme statuiert die Oratio 
Antonini a. 206: mit dem Tod des Schenkers hört die Ungültigkeit mit Rückwirkung auf, gleich- 
wie wenn die Schenkung durch ein Legat bestätigt worden wäre (Ulp. 1. 32, 1). Die Tendenz 
ist offensichtlich dieselbe wie in der Neuerung morte Cincia removetur. Daraus ist aber nicht 
zu folgern, auch die Ehegattenschenkung sei bis zum Tode bloß widerruflich; die severischen 
Juristen zweifeln sicherlich nicht an ihrer Ungültigkeit, und die juristische Lage ist ohnedies 
völlig anders als bei der nur prätorisch entkräftbaren unvollendeten Schenkung ultra modum. 
1 In der reichhaltigen Lit. (vgl. Windscheid= Kipp, 5(509 N. 1 u. 2; Costa, Storia 
554 N. 1) ist gegenwärtig am meisten bestritten, 1. ob das Verbot auf Gewohnheitsrecht (moribus 
Ulp. D. 24, 1, 1 im just. Text) oder auf einem der Augusteischen Ehegesetze beruhe (Alibrandi, 
Opere 1, 593 ex 1892; Kipp, a. a. O); im ersteren Falle, ob es mit den Vorstellungen der 
Manusehe zusammenhänge (Hofmann, Grünhuts Z. 8, 286; dagegen schon Savigny 
und neuerdings Gradenwitz, Ungültigkeit 201) oder mit der Retentio propter res donatas 
gegenüber der Mitgiftklage (Bechmann, Dotalr. 2, 333); vermittelnd Nikolski in einer 
von v. Tuhr, Kr. Vischr. 45, 163; v. Nolde, ZSarvst. 24, 441 besprochenen Schrift. Mit 
diesen historischen Vermutungen hängt einigermaßen die Frage zusammen, 2. ob und inwiefern 
die verbotene Schenkung ursprünglich und noch im klassischen Recht ipso iure nichtig war oder 
eine bloße persönliche Rückforderungsklage (condictio) erzeugte; die letztere allein läßt De Medio, 
Riv. ital. 33, 361 und Intorno al divieto di donare fra coniugi, Mod. 1902 unter zahllosen 
Interpolationsannahmen gelten. Das dürfte unhaltbar sein; für die römischen Juristen besteht 
wohl bloß die Frage nach dem Verhältnis der das nichtige Geschäft ignorierenden Klagen, z. B. 
rei vindicatio, mit der etwaigen condietio aus der Verwandlung des geschenkten Gegenstandes 
in eine Bereicherung, z. B. wenn Geld geschenkt ist, Paul. D. 24, 1, 55 itp., dazu Lit. bei 
v. Mayr, Z SavEt. 26, 114 und De NAedio, Intorno etc. 34; Seckel, Hdw. condicticia; 
Lenel, Ed. 182; Pflüger, Condictio und kein Ende 28; Collinet, Nouv. rev. 34, 167. 
: Uber dieselbe Beobachtung in anderen Lehren Wlassak, 3 Sav t. 31, 312—315. 
Ensyklopadie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2 Au'k. Band I. :33
	        
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