516 Ernst Rabel.
Germanen. Einzelne Stücke des Vermögens und, soweit nicht Mitrechte der Verwandten
es hindern, ganze Massen bis zum gesamten Vermögen werden unter Lebenden direkt verschenkt
oder an Treuhänder zur Verteilung nach dem Tode gegeben. Die Vergabung wird durch
Vorbehalte mit dem Tode befristet oder durch den Tod irgendwie bedingt und gern auch wider-
ruflich gestaltet. Derartiges ist noch unter der römischen Herrschaft im Osten ganz gewöhnlich.
Im entwickelten römischen Recht behalten solche Vertragstypen nur noch ein bescheidenes
Leben. Der wichtigste, der offenbar ihnen zugehört, die Manzipation der familia an einen
Vertrauensmann, ist längst zum materiell einseitigen Testamentsakt geworden, Gesamtver-
gabungen, die nicht an den Erben erfolgen, gehen im Wege der Vermächtnisse. Nur ge-
legentlich begegnet in den Rechtsbüchern eine Vermögensschenkung mit Vorbehalten, wie in
der sehr genau gefaßten widerruflichen, sonst einer deutschen Gutsübergabe recht ähnlichen
Zuwendung eines Vaters an seinen emanzipierten Sohn mit lniurecessio und Stipulation,
Scaev. D. 32, 37, 31. Die Einzelschenkungen haben ihre Wichtigkeit durch die Legate einge-
büßt, deren Geschichte die jüngsten Forscher eben an die Schenkung anknüpfen. Außerdem
sind die Fideikommisse so verwollkommnet, daß es sich lohnt, eine Hinterlegung mit Bestimmung
des Empfängers für den Todesfall in ein Fideikommiß umzudeuten, um es mit einer Klage
für den Drittbedachten auszustatten (fideicommissum a debitore relictum, s. § 117). Dank
der freien Behandlung der erbrechtlichen Grundsätze unter den Severen werden, wie soeben
berührt (§5 121), mangelhafte Schenkungen vom Tod ab als gquasiletztwillige gültig. Es ver-
hält sich überall wie mit den Zuwendungen an Treuhänder unter einer nach dem Tod des Ver-
fügenden zu vollstreckenden Auflage, ficucia und mandatum post mortem 2; auch ihre Häufig-
keit tritt hinter dem Vermächtnis mit Bedingung oder Fideikommißbeschwerung zurück.
Unentbehrlich bleibt jedoch die sofort vollzogene Zuwendung an Hausfremde, die Schen-
kung auf den Todesfall, donatio mortis causa. Ein dauernder Musterfall scheint zu sein: jemand
übergibt in Todesgefahr eine Sache unter der Bedingung des folgenden Todes (si mofs secuta
fuerit). Eine andere Figur ist die unbedingte Übereignung mit obligatorischer Rückleistungs-
pflicht, falls der Schenker mit dem Leben davonkommt (Jul. D. 39, 6, 8, 1) oder falls der
Beschenkte früher stirbt als der Schenker (Jul. D. 12, 1, 19 pr.). Die Pflicht kann durch
Fiduziarpaktum oder Stipulation hergestellt werden; die Sabinianer lassen ohne weiteres
eine condictio zu (D. 39, 6, 35, 3). Das alles kann ohne dringende Todesgefahr im Hin-
blick auf den möglichen Tod geschehen (Jul. u. Paul. eod. 2; 35, 4). Das Wesen der donatio
mortis causa erscheint den Juristen durch den Willen des Schenkers gekennzeichnet: er wolle
lieber die Sache selber haben als der Beschenkte und lieber daß dieser habe als der Erbe
(Marci. u. Paul. D. 39, 6, 1; 35, 2). Aber die Rechtssätze sind durch ein justinianisches
Reurecht verdunkelt (condictio poenitentiae) und nicht durchaus erkennbar. Um so weniger
sicher ist ihre Ableitung 3. Wenn wir insbesondere sehen, daß die Verfügungsfähigkeit des
Schenkers und die Geschäftsfähigkeit des Bedachten in wichtigen Punkten nach dem Zeitpunkt
des Todes und nicht der Schenkung beurteilt wird (Ulp. D. 24, 1, 11, 2. 4—7), so dürfte dies
wohl nicht den Regeln der aufschiebend bedingten Geschäfte entstammen. Vielmehr besteht
auch sonst die Neigung, diese Zuwendungen unter eine größere Kategorie des mortis causa
capere zu bringen und den Regeln der Vermächtnisse zu unterwerfen. Die allgemeine Unter-
werfung gehört aber offenbar erst den Byzantinern an ", und ihr klassisches Maß ist zweifelhaft.
1 Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte 10; zum Worte (in iure) cessi Jörs in
Realenz. 5, 533.
: Vgl. Pernice, Labeo 3, 128; Haymann, Freilassungspflicht 5;: Mitteis, PR.
167; Biondi 41.
„ Mitteis, PM. 189 denkt an die condictio als Ausgangspunkt; Biondi 14 leitet alles
von der m. E. treffend hervorgehobenen Form der aufschiebend bedingten Tradition ab, die er
für die Hauptform hält, obwohl sie nicht auf res mancipi paßt, weil diese ursprünglich die kamilia
ausmachen. — Ulp. D. 39, 6, 29 glaube ich mit Mancaleoni und v. Mayr (s. Mitteis)
interpoliert.
* Cugia 43; Bruck, ZSavSt. 33, 571.