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noch in so ausführlicher Weise mit dem Zivilrecht abgeben, oder vielmehr merkwürdiger, daß
die wahre Erbenstellung durch die teilweise sogar höheren 1 Vorteile und den Schutz der bon.
possessio doch durchaus nicht ersetzt wird; noch nicht einmal die Interpolationen Justinians
bringen dies zuwege. Die prätorische Rechtsbildung war hier mit dem Edictum perpetunm
nicht fertig geworden und die Kaiser, z. B. Pius, helfen nur in vereinzelten Fällen noch stoß-
weise nach.
Der Nachlaßbesitz wird gegeben gemäß einem Testament (secundum tabulas), gegen
das Testament (contra tabulas) oder mangels Testaments (ab intestato) unter genau geregelten
sachlichen und formellen Voraussetzungen. Wer sich berechtigt glaubt, hat binnen der bestimmten
Frist von 1 Jahr oder 100 Tagen die Einweisung zu beantragen (bon. possessionem petere,
adgnoscere), worauf er sie zumeist ohne Prüfung, in einigen Fällen nach causae cognitio er-
hält (b. possessionem dare). Sie wirkt praktisch am häufigsten definitiv, so daß der Eingewiesene
prätorisch gegen alle Ansprecher geschützt wird (cum re), mindestens aber provisorisch und als
Zuteilung der Beklagtenrolle (Ulp. D. 5, 1, 62) gegenüber dem Zivilerben (eine re). Im all-
gemeinen wird der bon. possessor cum #e vermöge seines prätorischen Schutzes einem Erben
nach Möglichkeit angenähert. Er gehört aber im Prinzipat durchaus nicht zu den successores,
unter die ihn Justinian stellt, um ihn zu einem Universalsnkzessor zu machen 2.
§ 127. Testament nach Zivilrecht ist die Vermögensmanzipation an einen familige emptor,
Zuwägung eines Scheinkaufpreises mit Hilfe eines libripens und Spruch des Erblassers, alles
in bestimmten Worten und vor fünf Zeugen. Die Rede könnte das ganze Testament enthalten,
aber dies kommt selten vor; fast immer bestätigt sie, wo sie überhaupt beliebt wird (s. u.), nur
einen schriftlich niedergelegten Willen (Gai. 2, 104). Die Urkunde, nach römischem Gebrauch
Wachstafel, in Agypten Papyrus, richtet sich nach der Formvorschrift des 8C. von 61 n. Chr.
(Paul. 5, 25, 6, oben S. 369); die sämtlichen 7 Solemnitätspersonen und vorsichtig auch der
Erblasser versiegeln den Verschlußfaden. Geschrieben kann die Urkunde von wem immer sein;
auch der Blinde kann so testieren (Paul. 3, 4 a, 4) Einen recht nötigen Schutz gewähren die
Strafgesetze, zumal die lex Cornelia testamentaria (Paul. 5, 25) gegen Verfälschung und Unter-
drückung. Die Sprache muß die lateinische sein; doch scheint für Römer in Agypten in der Zeit
des Alex. Severus das Greiechische zugelassen zu sein s.
Der Prätor (D. 37, 11) begnügt sich für die Einweisung mit einer — in dieser Zeit —
mindestens siebenfach gesiegelten Urkunde (Ulp. 28, 6) auf irgendeinem Material (Ulp. D. 37,
11, 1 pr.) ohne den mündlichen solennen Akt; seit Pius hält dies vermöge exceptio doli gegen
den Intestaterben durch (Gai. 2, 120).
Privilegierte Formen kennt erst die nachklassische Zeit". Der Soldat freilich ist von aller
Form befreit (Traj. in D. 29, 1, 1 — Pap. Fayum 10). Für ihn gelten überhaupt alle sonst
unüberwindlichen Hindernisse und Fallstricke des römischen Erbrechts nicht. Das testamentum
millitis 5 verwirklicht ein ganz modernes Erbrecht, das nur gerade in der absoluten Formlosig-
keit unseren Anschauungen nicht entspricht. Für den Nichtmilitär (paganus) gibt es aber eine Art
minderen Testaments in den codicilli , die sich als schriftliche Niederlegung der von Augustus
und Claudius mit Rechtswirkung ausgestatteten Wünsche des Erblassers (fideicommissa) sehr
stark entwickelt haben und mit dem Testament in Wettbewerb treten. Nur Erbeinsetzungen
1 Vgl. Lenel, Mél. Girard 2, 65.
„:„ Longo, Bull. 14, 150; Bonfante, St. Scialoja 1, 531; Biondi, Laleggitimazione
processuale nelle azioni divisorie rom. (Ann. Univ. Perugia 1913) 6—41. Der hellenistische
Sprachgebrauch unterscheidet 1. die testamentarischen Erben, U##ô heredes, 2. die gesetz-
lichen Erben, SechS0ko#, successores, 3. die Nrau#ot, bonorum possessores; de Ruggiero,
Bull. 14, 103; Mitteis, PR. 104; Z Savt. 33, 643.
3 Pap. ER. 1502 a. 235, Mitteis, PR. 282 N. 60. — Das Testament des C. Longinus
Castor a. 189, BGl. 326, Neudruck Mitteis, Chrest. n. 316, ist eine griechische Übersetzung.
4 So auch das sog. Testamentum posterius imperfectum mit Einsetzung der „Intestaterben“,
welche es seien. Bonfante- Glück 29, 1, S. 2.
* Fitting, Zur Gesch. des Soldatentestaments 1866; Bonfante-Glück 29, 1.
Arangio -Ruiz, Bull. 18, 157 glaubt eine nicht zufällige Verwandtschaft des Soldaten-
testaments mit der griechischen St###feststellen zu dürfen.
* Fein-GEGlück, Pand. 44, 45 (1851—1853).