Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

Grundzüge des römischen Privatrechts. 537 
wöhnliche sind aber die üblichen Wendungen und Schriftlichkeit. Die Worte relinquo und 
commendo sind geradezu unzulässig 1. Als Hauptmerkmal erkennt man, daß hier der Wille 
des Erblassers herrscht (Ulp. 25, 1). Begreiflicherweise hat diese freie und schmiegsame Art 
der Verfügung die Oberhand über die Legate. Dennoch sterben die letzteren nicht aus, gewiß 
wegen ihrer unnachahmlichen Wirkung, Zivilklagen und Eigentum und sonstige Zivilrechte 
zu schaffen. Keineswegs auch erbringt die während der ganzen klassischen Zeit angestrebte 
juristische Ausgleichung der Legate und Fideikommisse einen festen Abschluß oder etwa die 
Umschmelzung der Legate. Die Annäherung ist zögernd und gegenseitig, im ganzen ist es 
vielmehr nötig, die Fideikommisse dem Erbrecht gehörig einzuordnen; bisweilen dringen die 
Legatssätze sogar durch, wo wir dies nicht ohne weiteres erwarten würden. 
Der Erblasser muß testierfähig sein. Erb= und Erwerbfähigkeit wird grundsätzlich — mit 
Ausnahmen — vom Legatar und mit einer Ausnahme mehr (Ulp. 25, 7) auch vom Fidei- 
kommissar gefordert. Eigenartig ist die Regula Catoniana (D. 34, 7, 1): das Legat ist un- 
gültig, wenn es im Augenblick der Testamentserrichtung ungültig gewesen wäre, falls da der 
Erblasser gestorben wäre; z. B. die Sache gehörte damals dem Legatar oder der Bedachte 
war Sklave des Erben. 
Unter den zahlreichen Fällen des Unwirksamwerdens der Vermächtnisse ist der Wider- 
ruf des Legats (ademtio)? und die Ersetzung durch ein neues (translatio) zu erwähnen. 
§ 140. Erwerb ist erst möglich, wenn der Erbgang vollendet ist. Damit die Verzöge- 
rung desselben durch einen Heres extraneus dem Vermächtnisnehmer nicht schade, wird das 
Vermächtnisrecht schon vorher inhaltlich fixiert und vererblich erklärt; der Zeitpunkt heißt Dies 
cedens, es ist regelmäßig nach der Lex Papia der Tag der Testamentseröffnung 3. Der Er- 
werb geschieht dann nach der Grundregel von selbst im Dies veniens; dies ist in der Regel der 
Antritt des Erben. Für Vindikationslegate verlangen aber die Prokulianer eine Annahme- 
erklärung des Legatars, bis zu welcher die Sache herrenlos ist. Ulpian D. 30, 44, 1 huldigt 
wie Marcian D. 34, 5, 15 einer ergänzten Julianischen Theorie (D. 30, 86, 2): Der Be- 
dachte kann ausschlagen, wenn er es nach erhaltener Kenntnis ohne schuldhaftes Zögern tut. 
Läßt er diese Frist verstreichen oder erklärt er die Annahme, so entscheidet sich, daß er von 
Anfang Eigentümer war. Das Eigentum schwebte “. 
Aus dem Vindikationslegat steht die Eigentumsklage zu; aus dem Damnationslegat die 
Actio ex testamento gegen den Erben, dazu das Recht auf Nachlaßabsonderung (Jul. D. 42, 
6, 6) und wegen bedingter oder betagter Legate auf Kaution, letzteres durchsetzbar durch Missio 
in possessionem legatorum servandorum causa. Diese Kaution ist auch auf Fideikommisse 
erstreckt (Ulp. D. 36, 3, 14 pr.). Vor allem dient dem Fideikommissar die persönliche Klage 
im außerordentlichen Verfahren (petitio, persecutio fideicommissi) gegen den Beschwerten 
und als Ergänzung eine Einweisung in den Vermächtnisgegenstand gegen schlechtgläubige 
Dritte (Paul. 4, 1, 15), ein Gedanke, der dem „Recht zur Sache“ im preußischen Landrecht 
sehr nahe kommt., 
* 141. Besondere Arten der Vermächtnisse. Nach dem durchgängigen Grundsatz der 
Rechtsgeschäfte müssen die Vermächtnisse, zumal die Legate, äußere Bestimmtheit der Ver- 
fügung aufweisen, betreffs der Personen des Beschwerten und Bedachten und betreffs des 
Gegenstands. Je mehr freilich die festen, durch bestimmte Worte gekennzeichneten Vermächt- 
nisarten ihren inneren Formalismus verlieren, desto eher sehen sich die Juristen veranlaßt, 
unbestimmtere Fassungen gemäß dem gewöhnlichen Brauch, der Gewohnheit des Erblassers 
und namentlich bei den Fideikommissen auch gemäß dem erkennbaren Willen des Testators 
1 Paul. 4, 1, 6, rationalistisch für die Severenzeit gewiß nicht erklärbar, eher als Uberbleibsel 
aus den Kaisererlassen des 1. Jahrhunderts. Die Sachlage führt zum heutigen Streit über die 
nichtaltzivile Förmlichkeit, vgl. oben § 4. An einen historischen Hergang, wie ihn Eisele, 
Stud. z. röm. Rechtsg. 63, annimmt, kann man schwer glauben. 
: UÜber den kompilatorischen animus adimendi Segre, St. Scialoja 1, 256 N. 2. 
2 Näheres Wlassak, ZSavöt. 31, 238. 
4 Genaueres Wlassak, Zavt. 31, 196, der diese Theorie erst entdeckte. 
5 Mitteis, PR. 88.
	        
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