Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

88 II. Geschichte und System des deutschen und römischen Rechts. 
Die Untertanen schulden dem König Treue, sie heißen in merowingischer Zeit leudes 
oder homines des Königs und bekräftigen ihre Treupflicht durch einen Treueid. 
Der König hat die Heergewalt, er bestimmt, in welchem Umfang die Heerpflichtigen zum 
Heerdienst im Einzelfalle herangezogen werden sollen, er hält Heerschau ab und führt das Heer, 
wenn er nicht einen besonderen Heerführer ernennt. Er hat die oberste Gerichtsbarkeit und 
verwaltet sie persönlich im Königsgerichte. Er vertritt das Reich nach außen hin und entscheidet 
über Krieg und Frieden. Er ist oberstes Organ der Friedensbewahrung. Der allgemeine Friede 
erscheint als Königsfriede. Der König hat Regierungsrechte in kirchlichen Angelegenheiten, 
insbesondere das Recht der Berufung von Synoden und der Besetzung der Bistümer. Er besitzt 
die Amtshoheit und ist Eigentümer des Fiskalgutes. Ihm gebührt das Münzrecht, das Recht 
auf Zölle und Verkehrsabgaben. 
Des Königs Wort genießt erhöhte Glaubwürdigkeit. Sein Zeugnis darf im Rechts- 
gang bei Verwirkung des Lebens nicht angefochten werden. Wird im Namen des Königs Klage 
erhoben, so ist sein Vertreter von der Pflicht entbunden, die Klage durch einen Voreid zu be- 
kräftigen. 
§ 17. Der Hof des Königs und die Reichsverwaltung. Das Staatsrecht der fränkischen 
Monarchie war hauptsächlich Verwaltungsrecht. Die dem spätrömischen Rechte eigentümliche 
Trennung des Zivil= und Militärdienstes blieb ihm von Hause aus fremd. Die oberste Reichs- 
verwaltung führte der König selbst. Eine ständige Residenz hatte er weder in merowingischer 
noch in karolingischer Zeit. Der König hielt Hof in den Pfalzen, die sich in den verschiedenen 
Teilen des Reichs auf Königsgut befanden. Von den Personen des Hofstaates, aulici, palatini, 
hatten nur einzelne ein bestimmtes Amt. Die übrigen standen zur Disposition des Königs. 
Zu jenen zählten die Inhaber der vier germanischen Hausämter (Truchseß, Kämmerer, Marschall 
und Schenke), die hier von freien, oft von vornehmen Leuten des Gefolges versehen wurden. 
Doch erscheint an Stelle des Truchseß, und zwar als oberster Beamter des Hofhalts, der Sene- 
schall oder maior domus. 
Der maior domus, Hausmeier, hatte am fränkischen Königshofe wahrscheinlich von An- 
fang an, jedenfalls seit etwa 600 die Anführung der königlichen Gefolgsgenossen, der sogenannten 
Antrustionen. Da diese den Kern der fränkischen Aristokratie bildeten, schwang er sich zu deren 
politischem Vertreter auf. Seit den Ereignissen, die den Sturz der Königin Brunhildis herbei- 
führten, ist der oberste Beamte der Hofverwaltung der erste Beamte der Staatsverwaltung 
geworden. Die hauswirtschaftlichen Funktionen seines Amtes sind von da ab einem besonderen 
Seneschalk übertragen. Der Hausmeier wurde ursprünglich vom König ernannt, vorübergehend 
von den Großen des Reichs präsentiert oder geradezu gewählt. Schließlich wurde das Amt, 
das die wesentlichen königlichen Rechte an sich gezogen hatte, Erbgut des austrasischen Herzogs- 
geschlechtes der Arnulfinger. Als der letzte Hausmeier sich zum fränkischen König erhoben hatte, 
ließ er das Amt des Hausmeiers erlöschen, ja, das Königtum befolgte von da ab die Politik, die 
Ausbildung eines kräftigen und ständigen Zentralbeamtentums für das Reich zu verhindern. 
Die königliche Kanzlei steht in merowingischer Zeit unter dem Referendarius, in karo- 
lingischer unter dem Kanzler. Der merowingische Referendar fertigt u. a. auch dic königlichen 
Gerichtsurkunden aus, jedoch, da er nicht etwa als Gerichtsschreiber an den Verhandlungen 
des Königsgerichtes teilnimmt, auf Grund eines vom Pfalzgrafen als Beisitzer des Königs- 
gerichtes abgegebenen Referates, das als testimonium comitis palatü in dem Kontext der Ur- 
kunde ausdrücklich erwähnt wird. In karolingischer Zeit ist die Ausstellung der Gerichtsurkunden 
aus dem Ressort der Kanzlei ausgeschieden, es existieren besondere Gerichtsschreiber, die dem 
Pfalzgrafen unterstellt sind, eine Neuerung, die mit der verschiedenen Behandlung des Ur- 
kundenbeweises im salischen und ribuarischen Rechte zusammenhängt und das Verschwinden 
der das Referat des Pfalzgrafen betreffenden Klausel in den placita zur Folge hat. Der karo- 
lingische Pfalzgraf hat außerdem in weltlichen Sachen den Vortrag vor dem König und waltet 
an Stelle des Königs als Richter, in welcher Eigenschaft er für minder wichtige Sachen als 
ständiger Vertreter bestellt ist. Die am Hofe lebenden Geistlichen, zu denen in karolingischer 
Zeit auch die Kanzleibeamten gehörten, standen untes der Aufsicht und Leitung des ersten Hof- 
kaplans, primus capellanus, archicapellanus, der in kirchlichen Angelegenheiten den Vortrag
	        
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