Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

100 J. Kohler. 
des Schuldverhältnisses mit ihm zu vollziehen; eine andere Behandlungsweise würde alle Sicher- 
heit im Schuldrecht zerstören: erst von dem Augenblicke, wo der Schuldner von der Abtretung 
Kenntnis hat, kann man ihm zumuten, den neuen Gläubiger zu berücksichtigen und den alten 
Gläubiger als abgedankt zu betrachten. War man einmal auf diesem Stande angelangt, so war 
es nur noch ein Schritt, zu sagen: die Denunziation als Benachrichtigung des Schuldners hat 
nur die tatsächliche Bedeutung, daß der Schuldner Kenntnis hat und nunmehr weiß, daß er den 
neuen Gläubiger berücksichtigen muß. Die Lehre des gemeinen Rechts hat sich allmählich auf 
diesen Standpunkt hinausgewagt, und ihn hat das BG. als Regel angenommen. 
Daraus geht hervor, daß die Bekanntmachung an den Schuldner keine Bedingung der 
UÜbertragung mehr ist: sie ist nicht nötig, um die Übertragung als UÜbertragung zu vervoll- 
ständigen. Ist daher eine Forderung an zwei hintereinander übertragen, so geht nicht derjenige 
vor, zu dessen Gunsten die erste Bekanntmachung an den Schuldner erfolgte, sondern der, dem 
zuerst übertragen worden ist, §65 398, 406, 407 BGB. 1. 
Andererseits hat die Kenntnis des Schuldners die Bedeutung, daß er von der Kenntnis 
an an den neuen Gläubiger gebunden ist; vorher bleibt er in einer solchen Beziehung zum alten 
Gläubiger, daß er verlangen kann, so behandelt zu werden, als wäre die Zession erst mit der 
Kenntnisnahme erfolgt, 5§ 407, 408. 
Die Zession bewirkt einen Übergang der Forderung, nicht einen UÜbergang des Rechts- 
verhältnisses, aus dem die Forderung heworging: der Zessionar einer Mietforderung hat kein 
Kündigungs= oder Exmissionsrecht, der Zessionar eines Schenkungsanspruches unterliegt nicht 
dem Widerruf wegen Undanks, wenigstens nicht aus seiner eigenen Person 2. Dagegen geht 
die Forderung über mit allen Sicherungsrechten, namentlich mit Bürgschaft, Pfandrecht und 
Hypotheken, auch mit dem etwaigen vollstreckbaren Titel 3. 
Im übrigen ist der Verkehr mit Forderungen in manchen Punkten auf einem niedereren 
Stande geblieben, als der Verkehr mit körperlichen Sachen. Bei körperlichen Sachen, wo es 
sich um das Eigentum handelt, gilt der Grundsatz, daß der gute Glaube vielfach das Recht 
des Ubertragenden ersetzt und den Erwerber zum Eigentümer macht, auch wenn der über- 
tragende nicht Eigentümer war. Dieser überwältigende Gedanke ist bei Ubertragung un- 
körperlicher Gegenstände nicht zum Siege gelangt. Hier gilt noch die strenge Regel, daß nie- 
mand mehr Rechte erwirbt, als der Übertragende hat. Ist der Ubertragende nicht Gläubiger, 
so wird auch der Erwerbende nicht Gläubiger; hat die Forderung Mängel, so geht sie mit allen 
Mängeln über; sind Einwendungen begründet, so wird sie nur mit den Einwendungen übertragen. 
Und dies wird selbst dadurch nicht geändert, daß der Erwerber auf Grund einer Schuldurkunde 
erwirbt, aus welcher diese Mängel nicht ersichtlich sind. Der Grund ist leicht begreiflich. Sicher 
hätte der Verkehr hier zu anderen Rechtssätzen geführt, hätte nicht ein viel bequemeres und wirk- 
sameres Institut den Zweck erheblich besser erreicht, nämlich das Institut des Order- und In- 
haberpapiers; bei diesem aber handelt es sich nicht mehr um Ubertragung von Forderungen, 
sondern um Kreation (Schuldschöpfung) und um Ubertragung des körperlichen Papiers. Diese 
Institute, aus der germanischen Urkunde hervorgegangen, haben denn auch das drängende 
Erfordermis des germanischen Rechts, den gutgläubigen Erwerber zu schützen, in so hohem Maße 
erfüllt, daß man überall, wo man dessen bedurfte, sich dieser Einrichtungen bediente. Die gut- 
bürgerlichen Forderungsübertragungen blieben darum bei dem alten Satze, daß der Erwerber 
nicht mehr Rechte erwirbt als der Ubertragende hat, und eine Abhilfe wurde nicht gewährt, 
außer in einem Falle: wenn nämlich die Forderung eine Scheinforderung ist, dieser Schein- 
1 Davon macht auch der Fall der Gehaltszession keine Ausnahmez; hier gilt nur der Satz, daß 
für die Kasse keine andere Art des Bekanntwerdens maßgebend ist, als das Bekanntwerden durch 
Denunziation in öffentlich beglaubigter Urkunde, § 411 BGB. Auch sonst hat die Denunziation 
durch den alten Gläubiger eine wichtige Bedeutung: der Schuldner kann jetzt sicher zahlen, ohne 
Rücksicht darauf, ob die Zession rechtsgültig erfolgt ist oder nicht, § 409. Bei Gehaltszessionen 
gelten außerdem noch landsgesetzliche Verbotsbestimmungen, denn dies schlägt in das öffentliche 
Recht und in die Beamtendisziplin ein. Vgl. unten S. 101 Note 1. 
In dieser Beziehung bleibt der Zedent maßgebend, wenn er Träger des Verhältnisses ge- 
blieben ist, RG. 14. November 1910 Warneyer Ergänzung 1911 S. 23, OLG. Königsberg 3. Oktober 
1906 Mugdan XVI S. 425. Wandelung gegenüber dem Zedenten beim Kauf? 
* Vgl. auch RG. 3. April 1907 Entsch. 65 S. 414.
	        
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