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des Schuldverhältnisses mit ihm zu vollziehen; eine andere Behandlungsweise würde alle Sicher-
heit im Schuldrecht zerstören: erst von dem Augenblicke, wo der Schuldner von der Abtretung
Kenntnis hat, kann man ihm zumuten, den neuen Gläubiger zu berücksichtigen und den alten
Gläubiger als abgedankt zu betrachten. War man einmal auf diesem Stande angelangt, so war
es nur noch ein Schritt, zu sagen: die Denunziation als Benachrichtigung des Schuldners hat
nur die tatsächliche Bedeutung, daß der Schuldner Kenntnis hat und nunmehr weiß, daß er den
neuen Gläubiger berücksichtigen muß. Die Lehre des gemeinen Rechts hat sich allmählich auf
diesen Standpunkt hinausgewagt, und ihn hat das BG. als Regel angenommen.
Daraus geht hervor, daß die Bekanntmachung an den Schuldner keine Bedingung der
UÜbertragung mehr ist: sie ist nicht nötig, um die Übertragung als UÜbertragung zu vervoll-
ständigen. Ist daher eine Forderung an zwei hintereinander übertragen, so geht nicht derjenige
vor, zu dessen Gunsten die erste Bekanntmachung an den Schuldner erfolgte, sondern der, dem
zuerst übertragen worden ist, §65 398, 406, 407 BGB. 1.
Andererseits hat die Kenntnis des Schuldners die Bedeutung, daß er von der Kenntnis
an an den neuen Gläubiger gebunden ist; vorher bleibt er in einer solchen Beziehung zum alten
Gläubiger, daß er verlangen kann, so behandelt zu werden, als wäre die Zession erst mit der
Kenntnisnahme erfolgt, 5§ 407, 408.
Die Zession bewirkt einen Übergang der Forderung, nicht einen UÜbergang des Rechts-
verhältnisses, aus dem die Forderung heworging: der Zessionar einer Mietforderung hat kein
Kündigungs= oder Exmissionsrecht, der Zessionar eines Schenkungsanspruches unterliegt nicht
dem Widerruf wegen Undanks, wenigstens nicht aus seiner eigenen Person 2. Dagegen geht
die Forderung über mit allen Sicherungsrechten, namentlich mit Bürgschaft, Pfandrecht und
Hypotheken, auch mit dem etwaigen vollstreckbaren Titel 3.
Im übrigen ist der Verkehr mit Forderungen in manchen Punkten auf einem niedereren
Stande geblieben, als der Verkehr mit körperlichen Sachen. Bei körperlichen Sachen, wo es
sich um das Eigentum handelt, gilt der Grundsatz, daß der gute Glaube vielfach das Recht
des Ubertragenden ersetzt und den Erwerber zum Eigentümer macht, auch wenn der über-
tragende nicht Eigentümer war. Dieser überwältigende Gedanke ist bei Ubertragung un-
körperlicher Gegenstände nicht zum Siege gelangt. Hier gilt noch die strenge Regel, daß nie-
mand mehr Rechte erwirbt, als der Übertragende hat. Ist der Ubertragende nicht Gläubiger,
so wird auch der Erwerbende nicht Gläubiger; hat die Forderung Mängel, so geht sie mit allen
Mängeln über; sind Einwendungen begründet, so wird sie nur mit den Einwendungen übertragen.
Und dies wird selbst dadurch nicht geändert, daß der Erwerber auf Grund einer Schuldurkunde
erwirbt, aus welcher diese Mängel nicht ersichtlich sind. Der Grund ist leicht begreiflich. Sicher
hätte der Verkehr hier zu anderen Rechtssätzen geführt, hätte nicht ein viel bequemeres und wirk-
sameres Institut den Zweck erheblich besser erreicht, nämlich das Institut des Order- und In-
haberpapiers; bei diesem aber handelt es sich nicht mehr um Ubertragung von Forderungen,
sondern um Kreation (Schuldschöpfung) und um Ubertragung des körperlichen Papiers. Diese
Institute, aus der germanischen Urkunde hervorgegangen, haben denn auch das drängende
Erfordermis des germanischen Rechts, den gutgläubigen Erwerber zu schützen, in so hohem Maße
erfüllt, daß man überall, wo man dessen bedurfte, sich dieser Einrichtungen bediente. Die gut-
bürgerlichen Forderungsübertragungen blieben darum bei dem alten Satze, daß der Erwerber
nicht mehr Rechte erwirbt als der Ubertragende hat, und eine Abhilfe wurde nicht gewährt,
außer in einem Falle: wenn nämlich die Forderung eine Scheinforderung ist, dieser Schein-
1 Davon macht auch der Fall der Gehaltszession keine Ausnahmez; hier gilt nur der Satz, daß
für die Kasse keine andere Art des Bekanntwerdens maßgebend ist, als das Bekanntwerden durch
Denunziation in öffentlich beglaubigter Urkunde, § 411 BGB. Auch sonst hat die Denunziation
durch den alten Gläubiger eine wichtige Bedeutung: der Schuldner kann jetzt sicher zahlen, ohne
Rücksicht darauf, ob die Zession rechtsgültig erfolgt ist oder nicht, § 409. Bei Gehaltszessionen
gelten außerdem noch landsgesetzliche Verbotsbestimmungen, denn dies schlägt in das öffentliche
Recht und in die Beamtendisziplin ein. Vgl. unten S. 101 Note 1.
In dieser Beziehung bleibt der Zedent maßgebend, wenn er Träger des Verhältnisses ge-
blieben ist, RG. 14. November 1910 Warneyer Ergänzung 1911 S. 23, OLG. Königsberg 3. Oktober
1906 Mugdan XVI S. 425. Wandelung gegenüber dem Zedenten beim Kauf?
* Vgl. auch RG. 3. April 1907 Entsch. 65 S. 414.