Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Bürgerliches Recht. 101 
charakter aber nicht aus der Schuldurkunde hervorgeht, und wenn der Erwerber die Forderung 
auf Grund dieses Schuldscheins erworben hat, so soll der Schuldner ihm diesen Scheincharakter 
nicht entgegenhalten können; mit anderen Worten: es soll in einem solchen Falle eine Schuld, 
die nicht bestand, für den gutgläubigen Erwerber entstehen (§ 405 BG.); wie ich dies bereits 
vor 30 Jahren verlangt hatte (Jahrbuch f. Dogm. XVI S. 140). 
Die Ubertragung von Forderungen ist häufig eine Tat der Not oder des Schachers, indem 
man den Eintrieb von Forderungen gegen Personen, gegen die man wegen persönlicher Beziehungen 
nicht gern selbst vorgeht, anderen, meist gewerbsmäßigen Händlern und Agenten überläßt. Diesem 
Forderungsschacher wollte seinerzeit Kaiser Anastasius entgegenwirken durch die Bestimmung, 
daß beim Forderungsverkauf der neue Gläubiger nicht mehr vom Schuldner verlangen dürfe, 
als was er selbst bezahlt habe. Diese anastasische Bestimmung hat sich durch das ganze Mittel- 
alter bis in die Neuzeit hindurchgeschleppt; sie ist aber jetzt vollständig verschwunden. Der 
Forderungsverkehr hat sich allerdings hauptsächlich in die Formen des Order- und Inhaber- 
papiers geflüchtet, und dazu trat in neuerer Zeit das Institut des Hypothekenbriefs; doch behielt 
der einfache Forderungsverkehr nach Abschüttelung des anastasischen Instituts immer noch ein 
bedeutendes Gebiet der Betätigung; heutzutage mußte man auf neue Beschränkungen sinnen, 
und man hat es getan. 
Denn alle sozialen Vorsichtsmaßregeln, die getroffen werden, um den Arbeiter gegen 
Beschlagnahme des Lohnes zu sichern, würden scheitern, wenn man die freie Übertragung der 
Forderung auch in bezug auf den Arbeitslohn zuließe: der Darlehnsgeber, der weiß, daß er 
nicht im Vollstreckungswege auf den Arbeitslohn greifen kann, wäre nicht zufrieden, bis der 
Schuldner ihm den künftigen Arbeitslohn durch bürgerliche Zession freiwillig abträte; daher 
die Bestimmung des BGB., daß etwas, was nicht beschlagnahmt werden kann, auch nicht Gegen- 
stand der Forderungsübertragung sein darf (§ 400 BGB.). Auch Berufsreglements kommen 
in Betracht, so die preußische Bestimmung über die Unzulässigkeit der Zession des Dienstein- 
kommenst#. Außerdem kann ein Hindernis wegen Arglist vorliegen, z. B. wenn der Gläubiger 
seine Forderung an eine vermögenslose Person zediert, damit diese den Prozeß führt und, 
wenn sie unterliegt, der Gegner nicht auf seine Kosten kommt 7. Eine Zession aller künftigen 
Forderungen ohne eine die Voraussicht markierende Beschränkung ist gleichfalls ungültig, weil 
den Interessen einer vernünftigen Wirtschaft widersprechend 2. Auch sonst kann eine Zession 
künftiger Ansprüche ein unzulässiger Eingriff in die Arbeitssphäre der Person enthalten . 
&# 70. Wie die Forderung, kann auch die Schuld übergehen, indem ein neuer Schuldner 
an Stelle des alten tritt; doch kann dies natürlich nur unter Zustimmung des Gläubigers geschehen, 
#s 414 f. 5, während es einer Zustimmung des Schuldners (welcher hierdurch befreit wird) nicht 
bedarf. Der Hauptfall ist der, daß bei Grundstücksübertragung der Erwerber des Grundstücks 
eine Schuld, für welche das Grundstück hypothekarisch haftet, als obligationsrechtliche Schuld 
mit übernimmt; dies ist so häufig, daß dafür besondere Vorkehrungen getroffen sind, & 416. 
1 Nach Preuß. Recht hat man angenommen, daß Beamtengehaltsansprüche weder ganz 
noch teilweise zediert werden dürfen, a. 81 EGBG. und § 163 Anhang zur Allgem. Gerichts O. 
1 24, Preuß. Obertrib. 20. 6. 1861, Strieth. 42, 179, RG. 30. 6. 1911, IW 40 S. 782. Ein 
Grund für diese exorbitante Behandlung ist nicht vorhanden, und es wäre nicht nötig gewesen, 
diese recht in Vergessenheit geratene Bestimmung auszugraben; wie es die Art der Landrechts- 
juristen ist, welche eine Gesetzesderogation nicht kennen. Ganz besonders verfehlt ist es, daß 
man einen Notar, der diese vergessene Bestimmung unberücksichtigt ließb, haftbar gemacht hat. 
„ -RG. 7. Januar 1913 Entsch. 81 S. 175. Dagegen ist es unverfänglich, wenn die Zession 
den Zweck hat, den Zedenten als Zeugen zu benutzen, R. 3. Januar 1913 Entsch. 81 S. 160. 
„ R. 1. Oktober 1907 Entsch. 67 S. 166, OLG. Marienwerder 13. April 1911 Mugdan 
23 S. 16. Dagegen ist die Zession einzelner, genügend individualisierter künftiger Forderungen 
als zulässig zu betrachten, RG. 29. September 1903 Entsch. 55 S. 334, RuE. 23. Oktober 1907 
Entsch. 67 S. 13. Doch ist auch hier ein Übermaß der Verfügung zu verwerfen. 
* So wenn jemand all sein Vermögen in einer Gesellschaft liegen hat und die künftigen An- 
sprüche aus der Gesellschaft zediert; dies grenzt an § 310 BG#. 
1 Eine solche ist nicht zu vermuten und muß bestimmt dargetan werden, R. 13. Dezember 
1912 JW. 42 S. 324.
	        
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