102 J. Kohler.
Der Übernehmer tritt in die Schuld ein, so wie sie ist; er ist also Rechtsnachfolger 1. Der
Bürge der Schuld könnte durch diesen Schuldnerwechsel sehr in Nachteil kommen: er wird darum
befreit, wenn er nicht dem Schuldübergang zustimmt, §J 418 BGB.; die Zustimmung ist nicht
eine neue Bürgschaft und bedarf daher nicht der Form des § 766 2.
5. Lösung von Schuldverhältnissen.
§l# 71. Schuldverhältnisse sind Spannungen, die der Lösung zustreben. Die normale
Lösung ist die Lösung durch Befriedigung, und die Befriedigung kann eine Tat auf Seite
Schuldners sein (Erfüllung,) oder auf Seite des Gläubigers (Deckung).
1 Erfüllung ist die Herbeiführung des vom Schuldverhältnis verlangten Zustandes. Die
Erfüllung ist eine neutrale Handlung, welche aber durch die begleitende Willenserklärung eine
besondere Gestaltung annehmen kann: insbesondere kann der erfüllende Schuldner erklären,
daß von mehreren gleichartigen Forderungen die eine als erfüllt gelten soll Anrechnung);
findet eine solche Erklärung nicht statt, so erfolgt die Anrechnung nach §8 366, 367 5. Die Leistung
kann auch durch Dritte geschehen, denn was der Schuldner verspricht, ist nicht, daß er leiste,
sondern daß die Leistung erfolge, und seine Beziehung zur Leistung besteht nur darin, daß er
für ihre Herbeiführung zu sorgen hat; geschieht sie daher durch einen anderen, dann ist das, wofür
er einzustehen hat, von selbst erledigt und seine Verpflichtung erfüllt. Dies erleidet eine nur
scheinbare Ausnahme, wenn die Leistung durch einen Dritten einen anderen Charakter annehmen
würde: das Geld des A. ist so gut als das Geld des B.; wenn aber der Maler A. ein Porträt
zu malen hat, so ist ein Porträt durch den Maler B. oder C. nicht dasselbe; der Schuldner aber
schuldet die vertragsmäßige Leistung: eine nicht vertragsmäßige Leistung ist daher nicht Erfüllung;
ein Bild von Thoma ist nicht ein Bild von Segantini: hier ist die Erfüllungsleistung ver-
schieden, nicht etwa bloß die Person des Erfüllenden.
Der Schuldner hat möglicherweise ein Interesse daran, daß ein Dritter nicht für ihn zahle;
man denke sich den Fall, daß ein Richter etwas schuldig ist und jemand, der vor dem Richter
im Prozesse steht, die Schulden des Richters bezahlt; hier kann der Schuldner dem Gläubiger
erklären, er möge von dem Dritten keine Zahlung annehmen. Dies hindert nun allerdings
den Gläubiger nicht, sich von diesem Dritten zahlen zu lassen, denn solches wäre gegen die
Rechte und Interessen des Gläubigers, dem man es nicht verwehren darf, die Zahlung zu nehmen,
wo er sie bekommt; aber es hat die Bedeutung, daß der Gläubiger die Zahlung ablehnen kann,
ohne in Annahmeverzug zu kommen; während, wenn er eine solche Anweisung nicht erhalten
hat, eine Ablehnung der Leistung des Dritten ebensogut Annahmeverzug wäre wie die Ablehnung
der Leistung des Schuldners selbst. Der Gläubiger hat dem Zahlenden (auf dessen Kosten) eine
Quittung zu geben, soweit dies der Verkehrsübung entspricht, §## 368, 369 6.
Durch Erfüllungsvertrag ' kann bestimmt werden, daß der Schuldner sich auch
durch eine andere als die geschuldete Leistung von der Schuld befreien kann; diese andersartige
Leistung nennt man Hingabe an Zahlungs Statt oder Leistung an Erfüllungs
1 Aber auch hier nur Rechtsnachfolger in der Schuld, nicht in das Verhältnis, welches der Schuld
zugrunde liegt; so hat bei einem Schenkungsversprechen der Übernehmer der Schenkungsschuld
kein Widerrufsrecht wegen Undanks, vgl. Knoke, Jahrb. f. Dogm. 60 S. 457, er wird auch nicht
notwendig Rechtsnachfolger in die prozessuale Lage, z. B. nicht in die Konkurslage (falls gegen
den ursprünglichen Schuldner ein Konkursvorrecht bestand), § 418. Aus § 418 Abs. 2 läßt sich daher
nichts gegen die Sukzessionslehre entnehmen, auch nicht aus § 417 Abs. 1, denn es ist natürlich,
daß man nicht mit der Forderung eines Dritten kompensieren kann. Unrichtig Strohal, Jahrb.
f. Dogm. 57 S. 339 f.
: Ebenso verhält es sich mit einer Sicherungsübereigung durch einen Dritten.
* Lehrbuch II S. 183, wo diese verschiedenen Begriffe zuerst scharf herausgestaltet wurden.
* Lehrbuch II S. 185.
* So war es alten Rechtens, daß eine Zahlung zunächst auf Zinsen und dann auf das Kapital
angerechnet wird. Interessant ist eine Besonderheit in einem Acte de notoriété bdes Chatelet von
Paris vom 17. Juli 1722: hiernach sollte bei Verzugszinsen das Gegenteil gelten, Deenisart,
Actes de notoriété (1769) p. 438.
*Sof schon die italienischen Stadtrechte, z. B. Piacen za (1391) III 15: teneantur sub
poena 10 libr. dicti creditores facere instrumentum confessionis de solutione.
7 Lehrbuch II S. 190.