Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

126 J. Kohler. 
Papier zum Namenpapier machen, so kann es nur dadurch geschehen, daß der Schuldner es um— 
ändert, wozu er aber (regelmäßig) nicht verpflichtet ist. Ja, selbst die Außerkurssetzungen aus 
früherer Zeit haben ihre Kraft verloren (§ 806, Art. 176, aber auch Art. 101 BGB.). 
Das Institut der Brieftötung „welches man recht kraftlos als Kraftloser- 
klärung der Urkunde bezeichnet, ist geblieben: zerstörte oder abhanden gekommene Urkunden 
können aufgeboten werden mit der Bestimmung, daß, wenn innerhalb einer bestimmten Zeit 
sich niemand meldet, die etwa noch vorhandenen Exemplare als nichtig erklärt werden. Es ist 
dies ein unentbehrliches Mittel, namentlich in Fällen von Raub und Diebstahl. Ist allerdings 
das Papier an einen gutgläubigen Erwerber gelangt, dann ist gegen diesen nichts weiter aus- 
zurichten (§§ 799, 935 BGB., §§ 1003 ff. ZPO.). Da aber der Dieb selbst sich schwerlich melden 
wird und der Übergang an einen gutgläubigen Erwerber seine Schwierigkeit hat (Banken haben 
darauf zu achten, daß sie keine aufgebotenen Nummern ankaufen, §5 366 BGB.), so hat der Be- 
stohlene große Aussicht, schadlos zu bleiben. Nach erfolgter Kraftlosigkeitserklärung hat der 
Schuldner eine neue Urkunde auszustellen, § 800 BGB. 
§Js 84. Dem Inhaberschuldbriefe sind äußerlich ähnlich 1. die Empfangs- 
briefe (z. B. Garderobenmarke), welche lediglich die Funktion haben, den Schuldner zu ent- 
lasten: er soll durch Leistung an den Inhaber eines solchen Briefes befreit werden; dahin 
gehören auch die Sparkassenbücher und die auf Inhaber gestellten Versicherungsscheine, 
l#808 BGB., F- 4 des Versicherungsvertragsgesetzes vom 30. Mai 1906; 2. die Ausweis- 
briefe b(bei elektrischen Bahnen), welche nur für die polizeiliche Ausweispflicht bestimmt 
und zivilrechtlich bedeutungslos sind 1. 
II. Neutrale Akte. 
Menschenhilfe ?. 
§ 85. Die Rechtsordnung muß auch den Fall berücksichtigen, wenn jemand durch seine 
Leistung die Interessen anderer befriedigt. Hier können verschiedene Erscheinungen 
vorkommen: der Vorteil für den anderen kann ein nicht gewollter sein, indem der Leistende im 
eigenen Interesse handeln will und ohne sein Wollen das Interesse des anderen fördert; das ist 
der Fall, wenn jemand Aufwendungen auf eine fremde Sache macht, die er für seine eigene hält. 
In einem solchen Fall ist der Aufwendende nicht ohne Ersatzanspruch, jedoch ist der Ersatzanspruch 
ein beschränkter: das römische Recht gab ihm nur ein Rückbehaltungsrecht; wir gewähren ihm 
auch ein Forderungsrecht, aber in der Abschwächung, daß, wer auf solche Weise bereichert ist, 
sich durch Rückgabe der Sache, auf welche die Aufwendung gemacht wurde, befreien kann (vol. 
l1001 BG.); jedenfalls haftet in einem solchen Falle der Bereicherte nicht über den Betrag 
der Bereicherung hinaus (§§ 687, 684, 812, 818 BGB.). Ganz anders, wenn jemand nicht im 
eigenen Interesse, sondern im Interesse des anderen gehandelt und dessen Wohl absichtlich ge- 
fördert hat. In einem solchen Falle erklärt unsere Rechtsordnung, daß ihm ein Ersatzanspruch 
zusteht, vorausgesetzt, daß eine solche Einmischung in fremde Angelegenheit durch die objektive 
Sachlage gerechtfertigt und nicht durch einen rechtsgültigen Willen des Geschäftsherrn abgelehnt 
worden ist (§§ 683, 678, 670 BGB.): sog. Geschäftsführung, negotiorum gestio?; 
hier kann der Aufwendende Ersatz aller Aufwendungen verlangen, die er nach den Umständen 
des Falles für erforderlich erachten durfte, von denen er also angenommen hat und ohne Fahr- 
lässigkeit annehmen konnte, daß sie sachdienlich seien ; und er kann dies auch dann verlangen, 
1 Lehrbuch II S. 443. 
Lehrbuch II S. 445 f. 
* Vgl. auch Brückmann, Die üÜbernahme bei der auftragslosen Geschäftsführung, S. 14. 
* So auch bei Rettung eines Selbstmörders: der Retter erfüllt eine sittliche Pflicht, gegen 
die sich der Selbstmörder nicht sträuben darf, Lehrbuch II S. 450; vgl. auch Höniger, Arch. 
f. b. R. XXXV S. 272 f. So auch wer einem anderen in der Lebensgefahr zuspringt, vgl. die hier 
zitierte (unrichtige) reichsgerichtliche Entscheidung 5. April 1909 JW. 38 S. 311 (der Gefährdete 
hatte um Hilfe gerufen, dies wurde als unerheblich erachtet, weil — — der Notruf keine Willens- 
erklärung sei! Scholastik über Scholastik!).
	        
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