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ins eigene Fleisch, wenn er den Gläubigern die Befriedigungsmittel entzog. Das deutsche Recht
erklärte die Fluchtsalgeschäfte als nichtig 1; das römische Recht bestimmte folgendes: Wenn
der Schuldner mit der Absicht der Gläubigerbenachteiligung Gegenstände veräußerte, so kann
der Gläubiger den dritten Erwerber auf Herausgabe belangen, sofern dieser Dritte entweder
an dieser Absicht teilnahm oder sein Erwerb ein schenkweiser war; im letzteren Falle allerdings
nur bis zur Bereicherung: dies war die actio bPauliana des gemeinen Rechts, die man
später als Schuldanfechtung verdeutschte. Die Bestimmung des römischen Rechts aber reichte
nicht aus, und die neueren Gesetze haben hier vielfache Erweiterungen gegeben; so vor allem
im Falle des Konkurses: die unglückliche, unwirtschaftliche Zeit, die dem Konkurs vorangeht,
soll bereits in der Art in Betracht gezogen werden, daß gewisse in dieser Zeit erfolgte Geschäfte
der Schuldanfechtung unterliegen. Außerdem hat das sog. Anfechtungsgesetz vom 21. Juli
1879, das im Jahre 1898 eine Umgestaltung erfahren hat, die Materie auch außerhalb des Kon-
kurses erweitert, insbesondere dahin, daß 1., wenn benachteiligende Zuwendungen im letzten
Jahre an Verwandte gemacht sind, die Benachteiligungsabsicht auf der einen und das entsprechende
Bewußtsein auf der anderen Seite vermutet wird, und 2. daß Schenkungen des letzten Jahres
(und bei Ehegatten die Schenkungen der letzten zwei Jahre) ohne weiteres der Anfechtung
unterliegen, auch wenn von einer derartigen Absicht oder von einem derartigen Bewußtsein
gar nicht die Rede war; nach dem Satze: zuerst die Gläubiger, dann die Schenkungen, denn der
Beschenkte muß dem notleidenden Verkehrtreibenden nachstehen. Der Schuldanfechtungs-
anspruch ist also nicht notwendig ein Anspruch aus unerlaubter Handlung, er kann ein An-
spruch sein, der, ähnlich wie der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, aus dem bloßen
Zusammenstoß der Umstände hervorgeht.
Den Schuldanfechtungsanspruch hat der Gläubiger nicht ohne weiteres, er hat ihn nur,
wenn ihm eine fällige Forderung mit vollstreckbarem Titel zusteht und wenn die ordentliche
Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners mangels bereiter Mittel nicht erfolgen
konnte: in diesem Falle darf der Gläubiger dritte Personen belästigen; er hat in solchem Falle
dem Dritten die ankunftsbedürftige Erklärung zukommen zu lassen, daß er das Geschäft anfechte,
und die Folge ist, daß nunmehr ein Forderungsrecht gegen den Dritten besteht: dieser hat
jetzt die Verpflichtung, das Erlangte nach den Regeln des ungerechtfertigten Habens dem Gläu-
biger zur Verfügung zu stellen, so daß dieser die Zwangsvollstreckung daran vornehmen kann.
Dabei gilt der obige Unterschied: der bösgläubige Dritte hat das Empfangene vollständig
herauszugeben ohne Rücksicht auf das, was er als Gegenwert geleistet hat, während der gut-
gläubige Erwerber, namentlich der Schenkungsempfänger, bloß die Bereicherung zu erstatten
schuldig ist. Der Anfechtungsanspruch wird gewahrt, wenn die Anfechtung in der richtigen Zeit
durch ankunftsbedürftige Erklärung erfolgt ist: diese Zeit beträgt zehn Jahre (im Konkurs ein
Jahr). Manche verlangen allerdings, daß in dieser Zeit auch die Klage erhoben wird.
Der Anspruch ist ein schuldrechtlicher, kein dinglicher: der Dritte ist verpflichtet, die Zu-
wendung herauszugeben, sie fällt nicht infolge der Anfechtung von selbst aus seinem Ver-
mögen heraus ?7.
Der Anspruch kann gegen den, der von dem Erwerber weiter erworben hat, stets dann
durchgreifen, wenn dieser unentgeltlich erworben hat; in anderen Fällen nur, wenn er bei seinem
Erwerb in bösem Glauben war, d. h. wußte, daß sein Vorgänger in solcher Weise erworben hatte,
daß dieser der Anfechtung unterlag; was bei nahe verbundenen Personen vermutet wird.
Auch) die italienischen Statuten, z. B. Mailand 1498 a. 262: pDerinde pessint creditores
bersedui cum elfectu, tanquam si alienatin non esset lacta, MWeitere Nachweise im Leitfaden
des Konkursrechts S. 128.
* Leitfaden des Konkursrechts 2. Aufl. S. 138. So auch RG. 24. September 1902
J.W. XXXII vVeilage 1 S. 4 u. a. Für das Schweizer Recht Brand, Anfechtungsrecht
der Gläubiger nach dem Bundesgesetz vom I1. April 1889 (1902) S. 260 f. Ganz verfehlt haben
Hellwig u. a. aus dem Auedruck „Anfechtung" herauelesen wollen, daß die „Anfechtung“
den Erwerb vernichte, so daß die Sache kraft Eigentums „zurückfalle“. Aber es handolt sich ja doch
nicht um eine Anfechtung im Sinne des Rückgängigmachens eines Erwerbes: dann müßte ja die
Sache an den Veräußerer zurückfallen; vielmehr handelt es sich um ein Vollstreckungshilferecht
des Gläubigers, und hierwegen ist der gutgläubige Verkehr so wenig als möglich zu belästigen.