Bürgerliches Recht. 131
Der Anspruch kann wegen eines jeden Erwerbs geschehen, welcher Gegenstand der
Vollstreckung sein kann, also insbesondere auch bei Forderungszession, wobei durch einst-
weilige Verfügung die Zahlung inhibiert werden kann 1.
§ 88. Außer den Ausgleichungspflichten der einen oder anderen Weise bringt das soziale
Leben noch eine Reihe von Beihilfspflichten mit sich: wo auf der einen Seite ein großes Be-
dürfnis und auf der anderen Seite eine geringe Belästigung stattfindet, kann der eine verpflichtet
sein, den anderen in der Erreichung seiner Lebenszwecke zu unterstützen?. Eine solche Beihilfs-
pflicht ist 1. die Pflicht, die Abholung zu gestatten, wenn ein fremder Gegenstand sich auf einem
Grundstück befindet. Davon ist bereits oben (S. 52) die Rede gewesen. In ganz besonderer Weise
ist diese Befugnis demjenigen erteilt, der einem entflogenen Bienenschwarm durch Feld und
Flur nachgeht: er darf fremde Grundstücke betreten und darf sogar den Bienenstock öffnen und
die Waben herausnehmen (ogl. 9§ 1005, 867, 962 BGB.). 2. Eine zweite Pflicht ist die Pflicht
der Vorweisung, und zwar der Vorweisung von Sachen im allgemeinen und der Vorweisung
von Urkunden insbesondere (Exhibition, Edition). Eine Vorweisung von Sachen kann man ver-
langen, wenn man sich versichern will, ob eine Sache, die ein anderer besitzt, identisch sei mit
der Sache, auf welche man einen Vindikationsanspruch erheben will; denn einen Vindikations-
anspruch ins Blaue zu erheben, bevor man sich über die Identität der Sache verlässigt hat, ist
nicht ratsam. Die Rechtsordnung muß daher den Vindikanten unterstützen, und dies kann nur
dadurch geschehen, daß ihm die Sache zur Besichtigung vorgelegt werden muß. Noch andere
Zwecke hat die Vorlegung von Urkunden, denn es handelt sich hier darum, aus der Urkunde
Auskunft über Rechtsverhältnisse zu erlangen. Ein solcher Vorlegungsanspruch besteht im Falle
sog. gemeinschaftlicher Urkunden, d. h. dann, wenn die Urkunde allein oder doch mit im Interesse
desjenigen errichtet ist, der die Vorlegung verlangt (vgl. §8 809, 810 BGB.) 2. Früher war
ein Hauptfall dieser Vorlegungspflicht die Pflicht zur Vorweisung von Testamenten: heut-
zutage ist die Sache in ein anderes Geleise geraten, weil die Testamente an das Nachlaßgericht
gebracht werden müssen und das Nachlaßgericht sie den Interessenten vorzuweisen, ihnen auch
Abschrift zu verschaffen hat (§ 2264)4. Andere Beihilfepflichten ergeben sich aus Rechts-
verhältnissen des Verkehrs= und Seerechts, z. B. die Pflicht, Leute, die sich in Seenot befinden,
in das Schiff aufzunehmen (Reichsgesetz vom 2. Juni 1902) oder auf funkentelegraphischen
Anruf hin zu Hilfe zu kommen, worüber wichtige Vereinbarungen getroffen wurden, oder
sich der Leute anzunehmen, die durch das Automobil geschädigt worden sind, Automobil-G.
vom 3. Mai 1909 §5. 22, oder im Bergwesen den Notleidenden zu Hilfe zu kommen, preuß.
Berggesetz § 135 f., bayerisches § 129 f. 5
IV. Anerlaubtes Handeln .
§ 89. Wer vorsätzlich oder fahrlässig ein Recht verletzt, haftet für Schadenersatz. Das
war mehr oder minder schon im gemeinen Rechte der Fall, nur daß man sich hier noch der alt-
römischen Schablonen, der actio legis Aquilige, actio doli usp. bediente. Im BGB. werden
Rechte aller Art unter den Schutz gestellt, dazu gehört vor allem auch das Recht der Persönlich-
1 Es muß sich daher 1. um einen Erwerb, 2. um einen der Vollstreckung zugänglichen Er-
werb handeln. Das R. hat darum 26. Januar isoo Entsch. 70 S. 226 angenommen, daß die Ver-
äußerung eines Handelsgeschäftes als Ganzes nicht angefochten werden könne. Das ist richtig, nicht
weil das Handelsgeschäft nicht Gegenstand der Vollstreckung sein kann, sondern aus dem anderen
Grunde: der jeweilige Stand des Handelsgeschäftes kann das spezielle Verdienst des Erwerbers
sein, und dieses dürfen die Gläubiger des Veräußerers nicht für sich beanspruchen.
1 Lehrb. 1 182, II 24.
* Andere Auskunftspflichten ergeben sich aus dem speziellen Vertragsverhältnis, z. B. die
Sachauskunftapflicht bei dem Kauf, I 444, 445 BGB. Vgl. auch Arthur Kohler, Arch.
f. b. R. XXV S. 164. Dagegen ist eine allgemeine Auskunftspflicht nicht gegeben, z. B. es
hat jemand von B. zum billigsten Preis gekauft: B. ist hierüber nicht auskunftspflichtig, Kammer-
gericht 2. Juli 1910 Mugdan 23 S. 1 und Kammergericht 7. Februar 1908 ebenda XVI S. 351.
Auch eine Ehotographische Aufnahme ist zu gestatten, Kammergericht 4. November 1912
Entsch. f. Gerichtsb. XII S.
* Val. Arch. f. bürgerl. Not XXXVI S. 1f.
* Lehrbuch 1I S. 470 f., 513 f.
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