132 J. Kohler.
keit. Die Persönlichkeit mit Leben, Leib (Freiheit, Gesundheit) und Ehre, §88 823, 824, 8472.
Der Schutz der Persönlichkeit ist noch in folgender Weise ausgedehnt: Wenn unsere Rechtsordnung
eine allgemeine Pflicht feststellt, zum Schutze anderer zu handeln (sog. Schutzgesetze), so
ist, wer immer diese Pflicht verletzt, denen verantwortlich, die infolge dieser Verletzung in ihren
Interessen gekränkt wurden. Damit ist der Persönlichkeitsschutz bedeutend ausgedehnt: die Per-
sönlichkeit ist jetzt eine durch polizeiliche Sicherungsmaßregeln gedeckte Persönlichkeit, in deren
Bereich schon durch Verletzung dieser Sicherungsmaßregeln eingegriffen wird. Wenn z. B.
das Strafgesetzbuch die Verpflichtung auferlegt, von dem Vorhaben eines bestimmten Verbrechens
Anzeige zu erstatten, damit das Vorhaben noch vereitelt werden kann, so ist zu folgern: sobald
jemand dieser Verpflichtung nicht nachkommt, muß er zivilrechtlich für das Verbrechen einstehen und
diejenigen Personen, die durch das Verbrechen verletzt wurden, entschädigen. Wenn es Pflicht ist,
einen fahrlässigen Falscheid zu vermeiden, so ist der, welcher einen solchen Eid leistet, verpflichtet,
den Schaden zu ersetzen #. Wenn unsere Unfallversicherungsgesetze im Interesse des Arbeiter-
schutzes bestimmen, daß gewisse Vorkehrungen getroffen werden müssen, um Leib und Leben
der Werkleute zu sichern, so muß, wer dies nicht tut, dem Verletzten für den Schaden einstehen.
Wer verpflichtet ist, Schutzzeichen zur Sicherung der Schiffahrt, z. B. Feuersignale, aufzustellen,
und dem nicht nachkommt, der haftet, wenn infolgedessen ein Schiff verunglückt. Die Bilanz-
ziehung einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft ist nicht nur für die Gesellschaftsverwaltung
bedeutsam, sondern auch für die Gläubiger oder die künftigen Genossen 4. So auch, wenn eine
Gemeinde verpflichtet ist, für Beleuchtung, für Streuung bei Glatteis zu sorgen, und infolge
der Zuwiderhandlung ein Unfall entsteht 5. Daher auch die Haftung der Beamten; etwas
Besonderes gilt für die richterlichen Beamten bezüglich der Urteile (Entscheidungen), § 839:
hier ist die Haftung aufs äußerste beschränkt, damit nicht unter der Firma der Haftung die Frei-
heit richterlicher Entscheidung gestört wird.
Einen modernen Ausdruck eines bereits bestehenden Rechtssatzes enthält die bekannte
Bestimmung des § 826. Wer vorsätzlich gegen die guten Sitten verstößt, soll schaden-
ersatzpflichtig werden.
Allerdings darf das Handeln gegen die guten Sitten nicht dem unmoralischen Handeln
überhaupt gleichgestellt werden. Nicht alles, was unmoralisch ist, ist gegen die guten Sitten.
Man kann nicht sagen, daß Härte gegen andere, Geiz, Zurückhaltung im Vermögen, gegen die
guten Sitten verstößt; denn die guten Sitten geben jedem die volle Herrschaft, in dieser Be-
ziehung zu befinden, was er für richtig hält. Es ist also vollkommen unrichtig, wenn man an-
genommen hat, daß hier Moral und Recht in eines zusammenschmelzen, und daß man jemanden
verantwortlich machen dürfe, der, obgleich er es könnte, dem Notleidenden nicht zu Hilfe käme 6.
Ein Handeln gegen die guten Sitten liegt vielmehr nur dann vor, wenn jemand den durch die
guten Sitten geheiligten Kreis des Handelns überschreitet. So ist es gegen die guten Sitten,
wenn jemand z. B. durch eine unsittliche Handlung Argernis erregt und dadurch zu Auf-
wendungen Anlaß gibt, welche nötig sind, um dieses Argernis zu heben; oder wenn er durch
Eine Einwilligung der Verletzten schließt die Entschädigungspflicht nur dann aus, wenn
sie nach Maßgabe des Falles sittlich ist, also z. B. bei der Teilnahme an einer gefährlichen Expedition;
ogl. meine Abhandlung über vertragsmäßige Ubernahme der Lebensgefahr im Arch. f. ziv. Praxis
84 S. 22; Seydel, Einwilligung des Verletzten (1907) S. 17.
: Wird infolge falscher Ausstreuung ein Geschäft ruiniert, so ist der Inhaber des Geschäftes
zu entschädigen, nicht aber die Angestellten, die infolgedessen ihre Beschäftigung verlieren: ihre
Rechte sind nicht verletzt. Unrichtig RG. 11. März 1912 Entsch. 79 S. 55. Über Schadenersatz
wegen Ehebruch, Ehrverletzung vgl. Strupp, Schadenersatz (1910) S. 34 f.
: RG. 1. Dezember 1904 Entsch. 59 S. 236.
* RG. 1. Februar 1913 Entsch. 81 S. 269.
* Vgl. RG. 12. Oktober 1911 Warneyer Ergänzung 1911 S. 520. So auch wenn, dem §& 367
J. 14 St GB. zuwider, die nötigen Vorsichtsmaßregeln beim Bau nicht getroffen sind, RGG. 12. April
1902 Entsch. 51 S. 177, oder die Vorsichtsmaßregeln bei einer Badeanstalt, RG. 7. November
1910 Warneyer Ergänzung 1911 S. 1 f., oder bei Verwahrung des Abhanges einer Straßenböschung,
RG. 18. Febraur 1911 Warneyer Ergänzung 1911 S. 265, oder bei der Pflasterung, RG.
12. November 1910 JW. 40 S. 95.
* Man ist daher nicht verpflichtet, Jemanden auf die Gefahren seines Tuns hinzuweisen;
anders wenn man einen Gegenstand verkauft hat und nachträglich von seiner Gefährlichkeit Kunde
bekommt: denn im Verkauf liegt eine gewisse Garantie kraft der man nicht untätig sein darf.