Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Bürgerliches Recht. 141 
wiegendes Bestimmungsrecht hat, und zwar einmal in bezug auf den ehelichen Aufenthalt und 
sodann auch in anderen Angelegenheiten, welche das gemeinsame eheliche Leben betreffen, 
also insbesondere was das Geschäftliche, was die Führung des Haushalts, Arbeit und Erholung 
angehtt; während der Frau die Berechtigung gegeben ist, das Hauswesen zu leiten, und ihr regel- 
mäßig die sog. Schlüsselgewalt zusteht, die jedoch vom Manne beschränkt oder aufgehoben werden 
kann (vgl. §§ 1353 ff. BGB.). Man wird hiernach anzunehmen haben, daß dem Ehemann auch 
noch ein Brieferöffnungsrecht in bezug auf die an die Frau gerichteten Briefe zusteht, weil die 
ihm obliegende Aufsichts= und Kontrollgewalt in bezug auf das Hauswesen nur auf diese Weise 
durchgeführt werden kann. Im übrigen finden die Befugnisse des Mannes eine Schranke an 
dem Mißbrauch, und ein Mißbrauch liegt dann vor, wenn eine Einrichtung gegen ihren Sinn 
verwendet wird, oder ohne diejenige Diskretion, welche die anständige Rücksicht auf den anderen 
Teil verlangt. So, wenn einem Zusammenleben Gesundheitszustände entgegenstehen, wenn 
ausgemacht worden ist, daß die Ehe nur eine Scheinehe (Rehabilitierungsehe) sein solle, wenn 
ein Chegatte die vorausgesetzte kirchliche Trauung verweigert 2. Eine gerichtliche Entscheidung 
kann hierüber nur im ganzen ergehen, eine Klage auf Unterlassung des Umgangs mit der einen 
oder anderen Person oder eine Klage auf reinliches Leben u. dgl. gibt es nicht s. 
In gewissen Fällen allerdings wirkt das Vormundschaftsgericht als Ehegericht“: 1. Gegen 
cine Beschränkung oder Ausschließung der Schlüsselgewalt kann die Frau das Vormundschafts- 
gericht anrufen (§ 1357). 2. Der Ehemann darf ein (ohne seine Zustimmung) abgeschlossenes? 
Dienstverhältnis der Frau mit Ermächtigung des Vormundschaftsgerichts fristlos kündigen 0, 
*1358 BGB., § 53 GsG.; 3. Auch im ehelichen Güterrecht gibt es Fälle, wo das Vormundschafts- 
gericht eingreifen kann, so §§ 1379, 1402, 1447 BGB. 
Die Frau erhält den Namen des Mannes, verliert aber dadurch ihren eigenen Namen nicht, 
sondern kann ihn überall führen, wo sie ein Interesse hat 3. 
§* 2#25. In der Ehescheidungslehre steht das Gesetz noch auf dem Stande, daß 
die Ehe ein nicht durch die Ubereinstimmung beider Teile lösbares Institut ist, daß also die Lösung 
nur von besonderen, nicht in die Willkür der Ehegatten gestellten Umständen abhängt. In der 
antiken Welt war die Ehe entweder von seiten jedes der Ehegatten oder wenigstens von seiten 
des Mannes beliebig lösbar, und daß sie durch den gemeinsamen Willen der Ehegatten zu lösen 
sei, daran bestand kein Zweifel. Auch in der christlichen Zeit ist daran zunächst nichts Wesent- 
liches geändert worden, wenn man auch allmählich gegen eine nicht durch genügende Gründe 
  
1 Kann er verlangen, daß sich die Frau in eine Heilanstalt begibt? Das RG. hat dies (14. April 
1901 Recht VI S. 350) bejaht; allein dies ist nur im Fall dringendster Not gerechtfertigt, weil sonst 
sicher Mißbrauch des Mannesrechtes vorliegt. 
* Vgl. auch Wetzel, Arch. f. b. R. XXVI S. 116. Was den Lebensverkehr betrifft, ogl. 
meine Abhandlung im Arch. ziv. Praxis 111 S. 313 f. Abgesehen biervon, ist ein Vertrag, getrennt 
zu leben, unverbindlich, RG. 22. Dezember 1910 Warneyer 1911 S. 113. Die Verweigerung des 
Zusammenlebens kann ohne jedes Verschulden des andern Teils begründet sein, OL. Karlsruhe 
21. März 1912 Bad. Rechtspraxis 87 S. 85. 
* R. 22. April 1909 Seuffert Arch. 65 Nr. 142. Dies habe ich schon vor vielen Jahren dar- 
gelegt, Ungehorsam und Vollstreckung (1893) S. 105. Vgl. jetzt auch Arch. f. ziv. Prax. 111 S. 319. 
Uber den Verbleib der Kinder getrennt lebender Ehegatten entscheidet das Vormundschafts- 
gericht nicht als Ehegericht, sondern als Obervormundschaft. Vgl. unten S. 154. 
* Doch kann seine Zustimmung durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, § 1358 BGB. 
Die Eutscheidungen des Vormundschaftsgerichts sind durch sofortige Beschwerde Aanfechtbar, 88 53, 
60 GfG 
« Man kann hiermit die Bestimmung des kanonischen Rechts in Vergleich setzen, daß der 
Mann das Gelübde seiner Frau annullieren kann, c. 16 C. 33 qu. 6. 
* Die Kündigung ist ein Recht, daher besteht keine Schadensersatzpflicht; eine solche kann 
auch nicht bedungen werden, ebenso keine Vertragsstrafe: denn dies wäre gegen die Zwecke des 
Gesetzes. Nur gewisse Vorkehrungen, um die Schroffheit des Überganges zu mildern, können 
ausgemacht werden, denn gewiß müssen auch ohne solche die dringendsten momentanen Umstände 
berücksichtigt werden (wenn z. B. die Frau als Kinderfrau nicht im Augenblick abkommen kann). 
Vgl. Lilienthal, Kündigungsrecht des Ehemannes (1908) S. 46 f., Hörle, Arch. f. b. R. 
XXXI S. 154. 
*Vgl. meine Abhandlung im Arch. f. ziv. Praxis 107 S. 246; so auch RG. 11. Jannar 1912 
Warneyer Ergänzung 1912 Nr. 145.
	        
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