Bürgerliches Recht. 147
daß die Frau immerhin über das sog. nackte Eigentum des eingebrachten Gutes verfügen könnte,
was bedeutsam wäre, da sich gewiß Personen finden dürften, welche ein derartiges Vermögen
auf den zukünftigen Erwerb hin „diskontierten“. Doch ist dies nicht gestattet: es wären dies
Geschäfte wilder Spekulation, die keinen ernsten Verkehrscharakter an sich tragen könnten und
der Ehefrau sehr leicht gefährlich würden; vor allem aber wäre es dem Ehemann mißlich, einem
fremden „nudus proprietarius“ gegenüberzustehen und mit diesem verhandeln zu müssen. Das Ge-
setz belastet daher die Frau mit einem Veräußerungsverbot auch in bezug auf das nackte Eigentum.
Daraus ergibt sich, daß, wenn die Frau während der Ehe Rechtsgeschäfte abschließt, ihre Gläu-
biger nicht auf das eingebrachte Gut greifen können, weder, soweit es in der Nutznießung des
Mannes steht, weil hierdurch das Recht des Mannes verletzt würde, noch auch, was das nackte
Eigentum betrifft, weil sie in dieser Beziehung kein Verfügungsrecht hat; es müßte denn der
Mann zu solchen Geschäften seine Zustimmung gegeben oder das Vormundschaftsgericht diese
Zustimmung ersetzt haben (5§8 1395 ff., 1411 ff. BG.) 1.
Im übrigen haftet der Ehemann auch für die öffentlichen Lasten und Abgaben der Frau,
soweit sie nicht als Stammvermögenslasten zu betrachten sind; er hat auch das eingebrachte Gut
polizeilich zu vertreten, 88 1385, 1388 2.
Die Verfügungsnutznießung hat für die Frau den großen Nachteil, daß sie am Erwerb
des Ehemanns keinen Teil nimmt. Diesen Nachteil hat das BG#. nicht ausgeglichen, obgleich
es doch so leicht gewesen wäre; das Schweizer Gesetz a. 214 hat es getan: es gibt der Frau
von dem Zuwachs des Vermögens ein Drittel, den sog. Vorschlag. Der ungarische Entwurf
ist dem gefolgt und gibt der Frau vom Zuwachs sogar die Hälfte (ebenso auch dem Mannez:
Miterwerb. Dies ist aber dann keine Gütergemeinschaft, sondern ein Anteil an dem künf-
tigen Nettozuwachs.
§ 100. Die Gütergemeinschaft bewirkt nach dem BGB., daß gewisse Vermögensmassei
ein Gesamtgut bilden, welches im Miteigentum beider Ehegatten steht, aber so, daß der
Ehemann ein hervorragendes Verwaltungs= und Verfügungsrecht hat: er darf über das Ge-
samtgut verfügen, nur nicht schenkweise und nicht über unbewegliches Gut (Ss 1444 ff. BGB.;
oben S. 144). Dieses Verfügungsrecht hat der Ehemann als Gemeinschafter kraft seines Ge-
meinschaftsrechtes, nicht etwa als Stellvertreter der Ehefrau, der die andere Hälfte der Ge-
meinschaft gehört: sein Gemeinschaftsrecht ist derart gesteigert, daß er (mit Beschränkung) über
die ganze Gemeinschaft verfügen darfs. J
Die Frau darf ausnahmsweise Verfügungshandlungen vornehmen, so bei Verhinderung
des Mannes, so ferner im Falle ihres eigenen dringenden Interesses mit Genehmigung des
Vormundschaftsgerichts (88 1450 f. BGB.). Hiernach ist der alte Standpunkt, wonach der Ehe—
mann während der Ehe allein Eigentümer ist, verlassen; aber noch im BGB. findet sich folgen-
der Ausfluß dieses Gedankens: die Gesamtgutschulden sind immer auch Schulden des Ehe-
mannes, und die Schulden des Ehemannes sind immer auch Gesamtgutschulden (§ 1459 BGB.),
woraus weiter folgt, daß, wenn der Ehemann in Konkurs fällt, das Gesamtgut mit in den Kon-
kurs gezogen wird (§2 KO.). Was dagegen die Schulden der Ehefrau betrifft, so sind die Schulden
aus Rechtsgeschäften der Frau während der Ehe keine Gesamtgutschulden; denn wäre dies der
Fall, so wäre die Frau mittelbar in der Lage, über das Gesamtgut zu verfügen, was nicht
sein soll. Dagegen Schulden der Ehefrau aus anderen Rechtsgründen, namentlich aus un-
erlaubten Handlungen, belasten das Gesamtgut; dies gilt bei allen Gütergemeinschaften, mit
Ausnahme der Errungenschaftsgemeinschaft (§8§8 1459 ff., 1530 ff., 1549 BGB.); denn während
bei der Errungenschaftsgemeinschaft die Frau gewöhnlich beträchtliches anderweitiges Ver-
mögen hat, an welches sich der Verletzte halten kann, ist dies bei den anderen Gemeinschaften,
namentlich bei der allgemeinen Gütergemeinschaft, regelmäßig nicht der Fall, und es ist daher
angemessen, daß das Gesamtgut die in Deliktschuld geratene Frau deckt.
1 In solchem Fall ist der Ehemann ebenso, wie bei den vorehelichen Schulden der Frau,
als Nutznießer verpflichtet, die nötigen Erfüllungsmittel aus dem eingebrachten Gut bereitzulegen,
ähnlich wie nach § 1087 BGB. Vgl. Reich, Jahrb. f. Dogm. 63 S. 192 und RG. 27. Februar 1909
Entsch. 70 S. 344.
* Hierüber Schultzenstein,, Acch. f. b. R. XXIX S. 168 f., XXXIII S. 187, Blume
ebenda XXXI S. 1, Preuß. Oberverwaltungsgericht 3. Dezember 1908 Entsch. desselben 53 S. 104.
„) Arch. f. civ. Prax. 107 S. 264 f. 271. 10*