Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Bürgerliches Recht. 173 
§ 2363 1. Auch bei einer ausländischen Erbschaft kann insofern ein Erbschein erlangt werden, 
als zu ihr inländische Gegenstände gehören, § 23692. 
Ein unrichtiger Erbschein ist vom Nachlaßgericht einzuziehen oder für kraftlos zu erklären, 
§ 2361 BGB., 5 84 Gs G. auch kann der wahre Berechtigte darauf klagen, daß der Erbschein 
dem Nachlaßgericht überantwortet wird, § 2362 BGB. 
Wer Zahlungen von einiger Erheblichkeit an den Nachlaß zu machen hat, kann einen Erb- 
schein verlangen, insbesondere die Bank, welche ein Bankdepot herausgeben soll. Die Vorlegung 
eines formgültigen Testaments genügt nicht, — dieses kann ja (durch eigenhändiges Testament) 
jeden Augenblick widerrufen werden “. 
§ 123. Der Erbe hat gegen jeden, welcher die Erbschaft oder etwas aus der Erbschaft 
pro herede besitzt, die hereditatis petitio (Erbschaftsanspruch) auf Herausgabe; hierbei gilt die 
Erbschaft insofern als Vermögensgesamtheit, als alles mit Erbschaftssachen weiter Erworbene 
Ersatzerwerb ist und als solcher der Erbschaft zukommt, anderseits aber auch die Erbschafts- 
verwendungen abgehen, 3§ 2018, 2019, 2022 BGB. 5. 
2. Gesetzliche Erbfolge. 
§ 124. Die gesetzliche Erbfolge beruht auf dem indogermanischen, ja universalrecht- 
lichen Gedanken der Parentelerbfolge. Entscheiden soll die Gliederung der Familie, wie sie sich in 
aufeinanderfolgenden Zeugungen und Geburten darstellt. Die erste Parentel ist die des Erblassers 
mit seinen Abkömmlingen, die zweite die der Eltern mit ihren Abkömmlingen, die dritte die 
der Großeltern mit Abkömmlingen usw. So wird die Gliederung der Familie weitergeführt; 
dabei waltet 1. der Gedanke, daß jeweils die Abkömmlinge eines Stammes eine Einheit bilden, als 
Einheit gezählt und als Einheit behandelt werden; wenn einer wegfällt, so treten seine Abkömm- 
linge ein: die Enkel des verstorbenen Sohnes erben neben dem überlebenden Sohne, und die Enkel 
mehrerer verstorbener Söhne erben nach Stämmen, wie die Söhne nach Stämmen geerbt hätten. 
Aber nicht nur der Mensch mit seinen Abkömmlingen, sondern auch 2. der Mensch mit seinen Vor- 
fahren macht eine Einheit aus: der Vater mit seinen Vorfahren bildet die eine, die Mutter mit 
ihren Vorfahren bildet die andere Linie: die väterlichen und die mütterlichen Großeltern stellen 
je eine erbrechtliche Einheit dar; weshalb, wenn väterliche und mütterliche Großeltern zusammen- 
treffen, die eine Hälfte des Erbes an die väterlichen, die andere an die mütterlichen Großeltern 
fällt; wenn daher nur der väterliche Großvater, aber beide mütterliche Großeltern vorhanden 
sind, so bekommt der erstere die eine Hälfte, die anderen die andere Hälfte; jedoch mit Berück- 
sichtigung dessen, daß, wenn vom verstorbenen Großelternteil Abkömmlinge vorhanden sind, 
diese an Stelle der Verstorbenen treten, nach dem System zu 1. 
Diese tiefgreifende, der Gliederung der Familie entsprechende Behandlung wird aller- 
dings von der vierten Parentel ab verlassen; denn nunmehr gilt innerhalb der Parentel lediglich 
Gradesnähe und Kopfteilung, weil eine weitere Durchführung der obigen IJdeen zur Vermögens- 
zersplitterung führt und, wie die Erfahrungen des österreichischen Rechts reichlich gelehrt haben, 
wirtschaftlich verwerfliche Ergebnisse zeitigt, denn Vermögenssplitter sind unproduktiv (§§ 1924 f., 
1928 f. BGB.) . 
Noch richtiger wäre es, mit der 2. Parentel an überhaupt die Verwandtenerbfolge zu 
schließen, denn weiter pflegt ein intimes Verwandtschaftsgefühl nicht mehr zu reichen?. Das 
Schweizer GB. a. 459, 460 schließt die erbberufene Verwandtschaft mit der 3. Parentel und gibt 
: Kammergericht 7. Oktober 1912 Entsch. f. Gerichtsb. XII S. 204. 
* OL. Kolmar 30. Dezember 1912 Entsch. f. Gerichtsb. XII S. 210. 
* Jena 27. Febr. 1901 Freiw G. II S. 63. Eine Unrichtigkeit liegt insbesondere vor, wenn eine 
Nacherbschaft im Erbschein nicht erwähnt ist, Oberstes LG. München 22. November 1901 [Mugdan 
IV S. 132. Die Einziehung geschieht durch die gewöhnlichen Zwangsmittel der freiwilligen Ge- 
chsalken (z. B. Preuß. AusfG. zu GsG. Art. 17). 
Unrichtig RG. 1. Mai 1903 Entsch. 54 S. 343. 
Hierbei gelten Hilfsansprüche auf Aufklärung und Auskunft, s§ 2027, 2028 BG. 
Vgl. hierüber auch Rudolf Leonhard in Grünhut XXIX S. 248 f. 
* Heutzutage drängt man aus Finanzgründen dahin, den Fehler wieder gut zu machen und 
die gesetzliche Erbschaft der Verwandten auf die nächsten Parenteln zu beschränken; vgl. auch Loh, 
Zur Reform des Reichserbrechts (1913).
	        
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