14 J. Kohler.
ob anzunehmen ist, daß der Toterklärte bis zum Augenblick des angenommenen Todes gelebt
habe, hat man bei uns bejaht; mit Recht, denn die Todeserklärung soll feste Zustände schaffen;
man, soll darum nicht etwa hypothetisch erklären: „mindestens an dem betreffenden Tage ist
der Tote gestorben, vielleicht auch schon früher“; man muß vielmehr sagen, gesetzlich wird an-
genommen, er sei eben an dem betreffenden Tage gestorben. Sogar für die Stunde gilt eine
gesetzliche Vermutung, denn, wenn nichts Weiteres ermittelt werden kann, „steigt der Tote beim
Schlag der Mitternacht ins Grab“.
In drei Fällen ist die Todeserklärung erleichtert, weil ganz besonders dringende Gründe
für die Annahme des Todes sprechen: 1. wenn eine Militärperson während des Krieges vermißt
wird und verschollen ist, sodann 2., wenn jemand sich auf einem untergegangenen Schiffe be-
fand und verschwunden ist, und endlich 3., wenn jemand sonst in eine Lebensgefahr geraten ist,
d. h. wenn sonst Umstände eingetreten sind, welche die Entscheidung, ob er weiter lebt oder nicht,
auf die Schneide stellen 1. In den Fällen 2 und 3 wird angenommen, der Tod sei zur Zeit
der Gefahr eingetreten, also zur Zeit des Schiffsunterganges oder zur Zeit der sonstigen Gefahrs-
bedrängnis; beim Kriege gilt der Friedensschluß oder der Jahresschluß der Beendigung des Krieges
als maßgebend, weil ja möglicherweise jemand, der in einer Schlacht oder bei einer anderen
Gelegenheit vermißt wird, gefangen ist und sich später noch als lebend erweist. In allen diesen
drei Fällen ist jedoch noch eine Probezeit abzuwarten, und zwar im Falle 1 und 3 von drei und
im Falle 2 von einem Jahr. Die Probezeit hat keinen Einfluß auf den Moment der Todes-
annahme sie ist nur gegeben, um für alle Fälle eine größere Sicherheit zu haben. ·
Der Erfolg der Todeserklärung kann nicht der sein, daß ein für tot Erklärter für die Rechts-
ordnung tot wäre: denn wenn er doch wiederkehrt oder sich als noch lebend erweist, so will man
ihm sein Dasein und seine Daseinsbedingung nicht abstreiten: er behält namentlich sein Vermögens-
recht. Wohl aber gilt folgendes: Die in sein Vermögen kraft Erbrechts eingetretenen Personen
haben die Rechte der Bonorum possessores, sie stehen solchen gleich, welche kraft eines Erbscheines
das Vermögen besitzen, 95 2370, 2366, 23672. Das gleiche gilt auch für die Lebensversicherung.
lBesonders schwierig ist die Frage, ob die Ehe des tot Erklärten aufgelöst ist, auch dann,
wenn sich die Todeserklärung nachträglich als unrichtig erweist 2. Mit Recht hat man sich dahin
entschieden, daß die Ehe für den Fall des Weiterlebens des mit Unrecht für tot erklärten Ehe-
gatten fortbestehen bleibt, daß aber der hinterbliebene Ehegatte trotzdem wieder heiraten darf.
Da aber auf solche Weise zwei Ehen nebeneinander bestünden, so verlangt das monogamische
Prinzip, daß die eine gelöst wird: daher hört mit dem Augenblick der zweiten Ehe die erste auf,
vorausgesetzt, daß mindestens der eine der beiden neuen Ehegatten an den Tod des Ver-
schollenen glaubt. Allerdings findet die Sache damit nicht vollkommen ihre Lösung; denn wenn
der für tot Erklärte noch lebt, so kann jeder der neuen Ehegatten, der gutgläubig geheiratet hat,
diese neue Ehe wegen Irrtums anfechten, denn der Irrtum, daß ein eheloser Zustand vorliegt,
ist ein wesentlicher Irrtum. Der zurückkehrende Chegatte aber hat kein Anfechtungsrecht: Enoch
Arden müßte sich mit seinem Schicksal zufrieden geben. Ist die zweite Ehe mit Erfolg angefochten,
dann ist sie nichtig, und dann besteht notwendig die erste Ehe weiter, denn diese wird nur durch
die gültige zweite Ehe vernichtet, #5 1348—1352.
2. Juristische Personen 0.
* 11. Das Vorhandensein von Gesamtwesen mit privatrechtlicher Wirksamkeit ist
für unsere Kulturordnung unentbehrlich. Solche Gesamtwesen heißen juristische Personen; ihre
Die Gefahr ist noch nicht vorhanden, wenn ein Verhältnis eintritt, aus dem eine Gefahr
hervorgehen kann, also noch nicht mit dem Besteigen eines Luftschiffs oder dem Beginn einer
Klettertour, Lehrbuch 1 S. 291.
* Weiteres darüber Lehrbuch 1 S. 294. Vgl. auch Schweizer Gesetz a. 548.
* Geschichtliches bei Donati, esigenza storica della dissolubilita del vincolo nuziale
(lell’assente (1911); hier auch S. 32, 33 der Fall des falschen Martin Guerre (Parlament Toulouse
12. September 1560) und des falschen Maillard (Parlament Paris 15. März 1674). Vgl. zum
Ganzen auch Herbert Meyer, Rechtsschein des Todes S. 19.
Lehrb. I S. 320 f., Saleilles, Personnalité juridiques (1910), Mestre, Personnes
morales (1899), Boselli, Teoria della persona guiridica (1910), Rogge, Die Rechtsperson
(1911, sehr bemerkenswert). Den neuen Hölder-Binderschen Versuch, die juristische Herson
auszuschalten und ihre Rechte an Menschen anzuknüpfen (vgl. Binder, Das Problem der