182 J. Kohler.
erwarben allerdings die sog. Universalfideikommisse. Auch bei uns besteht die Möglichkeit, im
Testament durch Vermächtnis eine Vermögensgesamtheit zu hinterlassen, aber immer nur so,
daß das Vermächtnis ein schuldrechtliches ist und der Erbe lediglich die Verpflichtung
hat, die Vermögensmasse zu übertragen 1. Das römische Recht aber hat bei sog. Universalfidei-
kommissen, obgleich diese sonst nur schuldrechtlich waren, schon zu Neros Zeiten den merk-
würdigen Satz entwickelt, daß durch einfache Erklärung des Erben eine Gesamtrechtsnachfolge
entstehe, so daß sich an die Gesamtnachfolge des Erben die Gesamtnachfolge des Universalfidei-
kommissars anreihe. Ja, die Erklärung, die der Erbe zu geben hatte, konnte gerichtlich ersetzt
werden, und so entstand das merkwürdige Ergebnis, daß, während das römische Recht sich mit
aller Macht gegen die Nacherbschaft sträubte (semel heres, semper heres), die Nacherbschaft
durch eine Hintertür wieder hereinkam (S. 171). Dies alles ist für unser modernes Recht
bedeutungslos.
§ 133. Der Anfall des Vermächtnisses erfolgt mit dem Erbfall, d. h. mit
dem Tode. Damit erwirbt der Vermächtnisnehmer den obligationsrechtlichen Schuldanspruch.
Ist das Vermächtnis ein bedingtes oder betagtes, so ist der Anfall auf die Zeit des Eintritts
von Bedingung und Termin verschoben, jedoch mit folgendem.
1. Entweder ist a) das bedingte Vermächtnis in der Art aufzufassen, daß der Vermächtnis-
nehmer den Eintritt der Bedingung erleben muß: hier verfällt die Verfügung unter allen Um-
ständen, wenn er vor Eintritt des Ereignisses stirbt; das römische Recht nahm die Notwendigkeit
des Erlebens der Bedingung unter allen Umständen an, das BGB. nur als eine der Ausnahme
fähige Regel (§ 2074 BGB.). Oder bh es ist nicht so aufzufassen, dann kann auch im Fall des
vorzeitigen Todes die Bedingung erfüllt werden und das Vermächtnis fällt den Erben des
Vermächtnisnehmers an?; in diesem Fall ist das Vermächtnis pfändbar, und seine Abtretung
kann Anlaß zur Gläubigeranfechtung geben 2. «
2. In jedem Fall wird die Zwischenzeit zwischen Erbfall und Vermächtnisanfall nach den
Grundsätzen einer bedingten Forderung beurteilt (§§ 2074, 2177 ff. BGB.).
Erworben wird die Vermächtnisforderung von selbst; doch gilt auch hier ein Ausschlagungs-
recht, das mit der Annahme des Vermächtnisses verloren wird; Ausschlagung und Annahme
erfolgen ganz zweckentsprechend durch Erklärung gegenüber den Beschwerten"; diese kann nach
dem Erbfall (auch vor dem Vermächtnisanfall) erfolgen; eine Frist der Ausschlagung besteht
nicht (§ 2180 BG#B.).
§ 134. Jedes Vermächtnis verlangt einen Beschwerten und einen Bedachten.
Der Beschwerte ist der Schuldner, der Bedachte der Gläubiger. Beschwert aber kann nicht nur
der Erbe werden, sondern auch ein Vermächtnisnehmer, überhaupt ein jeder, dem etwas von
Todes wegen zugewendet wird: denn es muß dem Erblasser zustehen, einer jeden Zuwendung
beliebige Beschränkungen hinzuzufügen und sie dadurch zur Quelle neuer Zuwendungen zu
erheben; z. B. der Erblasser vermacht dem A. sein Haus, legt ihm aber auf, seinem Diener dort
Wohnung und jährliche Abfindung zu leisten 5. Natürlich gilt hierbei der Grundsatz, daß
der Vermächtnisnehmer nicht mehr belastet werden kann, als er selbst erhält (& 2187): er kann
die Leistung des übrigen verweigern und das Erhaltene oder seinen Wert zur Befriedigung
Hingeben.
Auch ein Nachvermächtnis ist möglich, ebenso wie bei Erbschaften eine Nacherbeinsetzung.
Es unterliegt ähnlichen Beschränkungen wie diese, so daß regelmäßig in dreißig Jahren die Be-
R. 25. Januar 1909 Recht XIII Nr. 994, auch 15. Juni 1911 Recht XV 2912.
*: O. Karlsruhe 30. November 1912 Bad. Rechtspraxis 1913 S. 21.
* Aber auch nur in diesem Fall. Vgl. R. 17. März 1908 Entsch. 67 S. 425.
4 Auch gegenüber dem Testamentsvollstrecker, Stuttgart 19. März 1909 Recht XIV 2180.
* Daher kann ein Vermächtnis dem von Todes wegen Beschenkten auferlegt werden, soweit
die Schenkung durch Schenkungsversprechen erfolgt und dieses zur Zeit des Todes noch aussteht,
g 2301, auch dem Empfänger einer Auflage (unrichtig Kipp in der Erlanger Festschrift f. Prinz-
regent Luitpold S. 27), auch dem Bezugsberechtigten bei einer Lebensversicherung; vgl. meine
Ausführungen bei Dernburg VI S. 528, nicht aber demjenigen, der (wie der Ehegatte bei
der Gütergemeinschaft) aus einer Zuwendung nur mittelbar einen Vorteil erlangt.