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welche der Quellen er für die Bildung seines Vorbehaltsrechts anerkennen und welche
Voraussetzungen er für die formelle Gültigkeit der von ihm anerkannten statuieren will.
Für Gesetz, Gewohnheit und Autonomie kommen wir auf die Erörterung dieser Fragen
in besonderen Abschnitten (§5 10, 11) zurück.
Von den Verordnungen (des Landesherrn oder zuständiger Behörden) kommen
hier die Rechtsverordnungen, nicht die Verwaltungsverordnungen in Betracht.
Wer Rechtsverordnungen, d. h. Verordnungen, die materielles Recht setzen, zu erlassen befugt
ist, darüber entscheidet das Verfassungsrecht der Bundesstaaten. Für die große Mehrzahl folgt
aus dem konstitutionellen Prinzip, daß Rechtsverordnungen nur zulässig sind auf Grund einer
Delegation durch die Gesetzgebung 1. Auch die Reichsgesetze übertragen mehrfach dem
Landesherrn oder auch der Landesjustizverwaltung die Befugnis, Rechtsverordnungen zu er-
lassen #. Außerdem besteht in den meisten Staaten das Recht zum Erlaß sogenannter Not-
verordnungen, d. h. die Befugnis des Landesherrn, wenn dies die öffentliche Sicher-
heit oder ein ungewöhnlicher Notstand dringend erfordert, Rechtsverordnungen mit Gesetzes-
kraft, die freilich an gewisse Schranken geknüpft sind, zu erlassen (s. z. B. für Preußen Art. 63
der Verf.).
Die Staatsverträge bilden eine Rechtsquelle für das Landesprivatrecht, soweit
sie sich auf dem Landesrechte vorbehaltene Gegenstände beziehen. Für die nicht vor-
behaltenen bleiben sie nach Art. 56 EG. nur insoweit unberührt, als sie ein Bundesstaat
mit einem auslän dischen Staate vor dem 1. Januar 1900 (vgl. auch RG. 24, 13; 26,
118) geschlossen hat. Die Staatsverträge der einzelnen Bundesstaaten untereinander über
nicht vorbehaltene Materien haben mit dem 1. Januar 1900 ihre Kraft verloren (s. 3 5 und
unten Anm. 4 zu § 12).
3. Die Eigenschaft von Rechtsnormen haben nicht die in Statuten, Reglements, Ver-
waltungsverordnungen, z. B. der Versicherungsgesellschaften, der Post, der Eisenbahnen oder
anderer Verkehrsanstalten, veröffentlichten Vertragsnormenoder Verwaltungs-
vorschriften über die Bedingungen, welche für die mit ihnen vorgenommenen Geschäfte
gelten sollen (leges contractus); ebensowenig die Satzungen eines rechtsfähigen Vereins oder
einer Stiftung. Indes wird im Einzelfalle zu prüfen sein, ob seinerzeit die staatliche Bestäti-
gung solcher Statuten und Reglements nicht eher als Akt gesetzgeberischer Sanktion, denn
als Verwaltungsakt gedacht war. Aus dieser Erwägung werden z. B. mit Recht die Feuer-
Sozietäts-Reglements für Berlin und Breslau vom Reichsgericht als Normen des
objektiven Rechts angesehen (RG. 13, 215; 28, 300).
§ 10. Gesetze, Privilegien.
I. Gesetze.
1. Form, Verkündung. Die Landesgesetze — hier handelt es sich um sie in
ihrem formellen Sinne, soweit sie materielles Privatrecht normieren, — erhalten ihre
verbindliche Kraft gemäß den Bestimmungen des Landesrechts. Bestimmte Formen
für die Gesetzgebung bildet erst der Verfassungsstaat aus 3. Die Bundesstaaten, mit Ausnahme
der beiden Mecklenburg, sind Verfassungsstaaten. Die gesetzgebende Gewalt wird, abgesehen
von den drei Freien Hansastädten, gemeinschaftlich durch Fürst und Volksvertretung ausgeübt.
Gesetze bedürfen, was die Form betrifft, der Unterzeichnung des Landesherrn und der
Gegenzeichnung eines Ministers. Sie erhalten verbindliche Kraft (fast überall) durch ihre
Das RG. 40, 70 verlangt für den gültigen Erlaß von Rechtsverordnungen durch den
Bundesrat gleichfalls besondere reichsgesetzliche Delegation.
Vgl. z. B. Art. 186, 188 EG.; Preuß. Kgl. Verordn. vom 13. Nov. 1899 und Preuß.
Just MinVerk vom 20. Nov. 1899 zur Ausf. der Grundb. Ordn.
* Die Form früher in der Zeit des Absolutismus war keine feste. Der Wille des Monarchen
entschied, ereistauch über Gesetzgebungsakte und deren Form; er war auch nicht an Schriftlichkeit
gebunden ie Namen waren bunt: Gesetz, Verordnung, Patent, Edikt, Dekret, Reskript; auch
Landtagsabschiede standen im 16. und 17. Jahrhundert den eigentlichen Gesetzen gleich und ent-
hielten vielfach Privatrecht.