Internationales Privat-, Straf-- und Verwaltungsrecht usw. 239
Grundeigentum erwerben, Gewerbe betreiben oder inländische letztwillige Zuwendungen und
Schenkungen rechtsgültig annehmen können, ist nicht allgemein bestimmbar. Daraus, daß in-
ländische juristische Personen gleichen Charakters solche Rechtsbefugnisse haben, folgt nicht un-
bedingt das Gleiche für ausländische juristische Personen, obschon ausländische juristische Per-
sonen nie eine umfassendere Rechtsfähigkeit beanspruchen können als inländische Personen
gleichen Charakters (wobei übrigens der für die Beurteilung der Rechtsfähigkeit überhaupt zur
Anwendung kommende Satz — vgl. unten § 16 — zu berücksichtigen ist).
Nach EG. BGB. Art. 87, 88 ist die Frage, inwieweit und unter welchen Voraus-
setzungen Ausländer und ausländische juristische Personen im Deutschen Reiche Grundeigentum
erwerben können, im allgemeinen der Gesetzgebung der einzelnen Staaten überlassen. Jedoch
besteht eine erhebliche Anzahl von internationalen Verträgen des Reiches, nach denen den An-
gehörigen der betreffenden Vertragsstaaten die Fähigkeit zum Erwerb von Grundeigentum
gewährt wird. Diese Vertragsbestimmungen gehen selbstverständlich den Gesetzen der Einzel-
staaten vor.
Das CG. z. BG. hat im Art. 10 nur eine Vorschrift über einem fremden Staate ange-
hörende Vereine. Da inländische Vereine nicht ohne weiteres als vollkommen rechtsfähig
gelten, mochte man die Rechtsfähigkeit auch ausländischen Vereinen nicht unmittelbar durch
Gesetz erteilen; die Rechtsfähigkeit eines ausländischen Vereins muß daher, um in Gemäßbheit
des an ihrem Sitze geltenden Rechtes auch im Deutschen Reiche wirksam zu sein, erst vom
Bundesrate anerkannt sein. Auch kann nach dem BGB. F 23 einem ausländischen Vereine,
abgesehen von dessen Behandlung im ausländischen Rechte, die Rechtsfähigkeit (für den Be-
reich des Deutschen Reichs) vom Bundesrat verliehen werden. Ein ausländischer Verein,
dessen Rechtsfähigkeit vom Bundesrate nicht anerkannt ist, wird wie ein nicht-rechtsfähiger
deutscher Verein behandelt, d. h. er kann vor deutschen Gerichten verklagt werden, nicht aber
als Kläger auftreten; und auf solchen Verein finden im übrigen die Bestimmungen über die
Gesellschaft Anwendung (8PO. § 50 Abs. 2; BGB. F 54).
Es wird angenommen werden müssen, daß ausländische juristische Personen, die nicht
Vereine sind, im Deutschen Reiche jedenfalls das oben bezeichnete Minimum der Rechtsfähig-
keit genießen, während ein vom Deutschen Reiche völkerrechtlich anerkannter fremder Staat
auch privatrechtlich als voll rechtsfähig zu betrachten sein wird, nur daß herkömmlich der Er-
werb von Grundeigentum durch einen fremden Staat die Zustimmung des Territorialstaates
erfordert. Der Geschäftsbetrieb ausländischer Aktiengesellschaften wird Filialen derselben
nach Staatsverträgen unter den für inländische Aktiengesellschaften bestehenden Bedingungen
gestattet.
§* 12. Voraussetzungen (Anknüpfungsmomente) der Anwendung
der Rechtsnormen in internationaler Beziehung. Als solche können in
Betracht kommen
1. der Aufenthaltsort einer Person,
2. der Ort einer Sache,
3. dauernde Verbindung einer Person mit einem Gebiete, welche zeitweisen Aufenthalt
in einem anderen Gebiet nicht ausschließt,
a) durch Wohnsitz oder
b) durch Staatsangehörigkeit (Nationalité im Sinne der französischen Rechtssprache),
welche den Wohnsitz in einem anderen Gebiete nicht ausschließt,
4. Ort der Vornahme einer Handlung,
5. Zugehörigkeit einer Sache oder eines Rechts zum Besitze oder bzw. zum Eigentum oder
Vermögen einer Person.
Indes kann den Momenten 4. und 5. eine grundlegende Bedeutung nicht zugesprochen
werden. Denn um zu wissen, welche faktischen Vorgänge eine rechtsbedeutsame Handlung
bilden, muß man zuvor das anzuwendende Recht kennen. Der Ort der Vornahme einer
Handlung ist, genau betrachtet, der Aufenthaltsort einer oder mehrerer Personen zu einem
bestimmten Zeitpunkte. Es handelt sich also hier um einen ungenauen, wenngleich bequemen