242 L. von Bar.
oder Verbindlichkeiten handelt, die möglicherweise, wie z. B. die Pflicht, Steuern zu zahlen,
nicht von der Staatsangehörigkeit, sondern etwa nur von dem längeren Aufenthalt in einem
Staate abhängen. Jedenfalls aber ist es unmöglich, die Beurteilung des persönlichen Rechts
und dessen, was aus diesem folgt, von mehrfachen und differenten Gesetzgebungen abhängen
zu lassen, mag man nun das der Regel nach lediglich von dem Willen der Person abhängige
Domizil oder die Nationalität (Staatsangehörigkeit) als entscheidend betrachten.
§ 13. Die sogenannte Rückverweisung (beziehungsweise Weiter-
verweisung). Welches Gesetz ist anzuwenden, wenn das Gesetz, dem das Gericht unter-
worfen ist (die Lex kori) die Entscheidung einer bestimmten Frage einem bestimmten aus-
wärtigen Rechte zuweist, in diesem letzteren Rechte aber umgekehrt sich die Bestimmung findet,
daß die Entscheidung nach dem am Orte des Gerichts geltenden Gesetze oder etwa nach dem
Gesetze eines dritten Landes zu erfolgen habe? Mit anderen Worten: sollen die auswärtigen
Gesetze, falls sie nach Maßgabe unseres Gesetzes zur Anwendung gebracht werden, lediglich
nach ihrem materiellen Inhalte in Betracht kommen (System der Verneinung der Rück-
beziehungsweise Weiterverweisung), oder sind dabei auch diejenigen Bestimmungen des aus-
wärtigen Rechtes zu berücksichtigen, welche das internationale Privatrecht selbst betreffen
(System der Rück= beziehungsweise Weiterversicherung)? Diese Frage ist außerordentlich be-
stritten, aber für die besonders wichtigen Fälle, daß es sich um Bestimmung des persönlichen
Rechtes (Geschäftsfähigkeit) wie des Familien= und Erbrechts handelt, richtiger im Sinne der
Annahme der Rückverweisung zu entscheiden, wie dies auch im CG. Be#B. Art. 27 für die bezeich-
neten, besonders wichtigen Fälle ausdrücklich geschehen ist, wenn die betreffende Bestimmung
des auswärtigen Rechtes die Entscheidung dem deutschen Rechte zuweist. (Wesentlich über-
einstimmend ist auch das japanische Gesetz Art. 29). Die prinzipielle Richtigkeit dieser Ansicht
ergibt sich daraus, daß die Normen des internationalen Privatrechts nur Kompetenzbestimmungen
sind, eine Kompetenz aber, die das auswärtige Gesetz ablehnt, ihm nicht von unserem Gesetze
beigelegt werden kann; genau betrachtet hat ja auch eine Gesetzgebung, welche z. B. die Ge-
schäftsfähigkeit nach dem Gesetze des Domizils beurteilt, gar keine Bestimmung über die Ge-
schäftsfähigkeit der eigenen im Auslande domizilierten Staatsangehörigen. Die entgegengesetzte
Ansicht, welche die Bestimmungen der Lex lori über das internationale Privatrecht als absolut
geltend auffaßt, verkennt, daß gerade hieraus, weil das Verhältnis der Angehörigen aller frem-
den Staaten zu ihrem eigenen Staate doch nicht nach Maßgabe des bei uns gültigen Prinzips
beurteilt werden kann, für die Rechtssicherheit der Beteiligten bösartige Folgen entstehen können.
So ist denn auch in der Haager Konvention über die internationale Behandlung der Gesetze
über Eheschließung von 1902, Art. 1, die Rückverweisung in gewissem Umfange schließlich an-
erkannt worden. Eine Weiterverweisung würde z. B. in dem Falle stattfinden, wenn die
Loex sori das Gesetz der Staatsangehörigkeit als entscheidend bezeichnete, dieses aber z. B. das
am Orte der Eheschließung geltende Gesetz für maßgebend erklärte, während dieser Ort in einem
dritten Staate belegen wäre, wie denn z. B. die Fähigkeit zur Cheschließzung nach den EG. z. BGB.
nach dem Gesetze der Staatsangehörigkeit sich bestimmt, für Angehörige der nordamerikanischen
Union aber, für welche das Domizilprinzip gilt, materiell nicht das Domizilgesotz, viel-
mohr das Gesetz des Orts der Cheschließung zur Anwendung kommen soll. Das CG. BG.
sagt über die Weiterverweisung nichts. Ob sie Platz zu greifen hat, oder ob das zunächst zu-
ständige auswärtige Gesetz materiell entscheiden soll, muß davon abhängen, ob man in der
Bestimmung des Art. 27 des CG. die Anwendung eines allgemeinen Prinzips oder nur eine
besondere Vorschrift zugunsten der Anwendung gerade des deutschen materiellen Rechtes zu
erblicken hat. Das erstere dürfte das richtigere sein.
§s 14. Reziprozität und Retorsion. In internationalen Verhältnissen ist
das Prinzip, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, in gewissem Umfange unverkennbar be-
rechtigt und zweckmäßig. Handelt es sich um einc besonders günstige Behandlung, die man
nach allgemeinen Grundsätzen nicht fordern könnte, so nennt man diese Vergeltung Reziprozität;
handelt es sich um eine ungünstige Behandlung, die demjenigen widerspricht, was wir entweder
nach allgemeinen international geltenden Grundsätzen oder nach Maßgabe der speziell bei
uns geltenden Gesetze oder Maximen für recht oder billig halten, so nennt man die Vergeltung