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das im übrigen über das fragliche Verhältnis entscheidende Gesetz die Regel „Locus regit actum“
ganz oder teilweise außer Kraft setzt; z. B. kann das in der Heimat der Beteiligten geltende
Gesetz für eine im Auslande einzugehende Ehe gleichwohl gewisse Förmlichkeiten vorschreiben.
Eine derartige Rechtsvorschrift ist keineswegs ungültig oder völkerrechtswidrig, wenn auch
möglicherweise wegen der Schwierigkeit, im Auslande die im heimatlichen Gesetze vorgeschrie-
benen Formen zu beobachten, bedenklich, auch unter Umständen deshalb, weil daraus sehr
leicht Täuschungen und Schädigungen hervorgehen können.
Nur für die von dem Gesetze des Orts der Errichtung (genauer von dem Staate, welcher
die Autorisation verliehen hat) für einen Akt mit publica fides vorgeschriebenen Formen ist
jedes Gesetz obligatorisch. Denn nur unter Voraussetzung der Beobachtung jener Formen ist
dem Beamten, dem Notar, Konsul publica sides überhaupt verliehen. Dagegen ist es aller-
dings ein Verstoß gegen die vom Gesetzgeber innezuhaltende Zuständigkeitsgrenze, wenn der
Gesetzgeber für gewisse etwa in seinem Territorium vorgenommene Rechtsakte, die materiell
durchaus einem fremden Gesetzgebungsgebiet angehören, die Beobachtung der in seinem Ge-
biete geltenden Form für obligatorisch erklärt. Eine solche, unter Umständen zu schweren und
unlösbaren Verwicklungen Anlaß gebende Vorschrift findet sich aber (vgl. schon Reichsgesetz
v. 6. Febr. 1875 §F 41) im Art. 13 des EG. BGB.: „Die Form einer Ehe, die im Inlande
geschlossen wird, bestimmt sich ausschließlich nach den deutschen Gesetzen.“ (S. unten § 25.)
Form eines Rechtsgeschäfts ist das und nur das, was jeder beobachten kann, wenn auch be-
obachten muß, um seinen freien Willen zur Geltung zu bringen. Das Erfordernis einer
fremden Zustimmung, wenn diese rechtlich verweigert werden kann, z. B. Zustimmung des
Vaters, des Vormundes, Ehemanns, ist nicht Form des Rechtsgeschäfts. Die englisch-nord-
amerikanische Jurisprudenz wendet übrigens die Regel „Locus regit actum“ in einem weiteren
Umfange an. Dagegen sind andere Beschränkungen der Regel „Locus regit actum“, z. B. auf
Formen, die nur des Beweises wegen vorgeschrieben sind, schon wegen der Unmöglichkeit einer
genügenden Begrenzung zu verwerfen.
Unrichtig ist es auch, die Regel nicht anzuwenden, wenn etwa die Parteien, gerade um
nicht das Geschäft unter die Formvorschriften des Inlandes zu stellen, dasselbe im Auslande
vornehmen. Ein sogenanntes Handeln in fraucem legis liegt hier nicht vor.
§ 16. Die Behandlung des internationalen Privatrechts im
Einführungsgesetz zum deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch. Die in
dem E. enthaltenen Vorschriften über das internationale Privatrecht sind weit weniger voll-
ständig als diejenigen, welche die früheren Entwürfe des BGB. ausstellten. Die Gründe
dieser vom Bundesrate an den früheren Entwürfen vorgenommenen Anderungen sind nicht
bekanntgegeben, und aus den Verhandlungen des Reichstages, der den vom Bundesrat fest-
gestellten Entwurf, soviel das internationale Privatrecht betrifft, mit nur unbedeutenden Ande-
rungen annahm, ist über jene Gründe auch Aufschluß nicht zu erhalten. Jene wichtigen Ande-
rungen bestehen aber wesentlich darin, daß für eine Reihe von Fragen zwar die Fälle der
Anwendung des deutschen Rechts bestimmt sind, dagegen nicht gesagt ist, welches auswärtige
Recht im Falle der Nichtanwendung des deutschen Rechts für maßgebend zu erachten ist.
Der richtigen Ansicht nach sind die so entstandenen Lücken durch die Wissenschaft (vgl. oben
§ 5) auszufüllen; insbesondere ist nach Maßgabe der Wissenschaft festzustellen, ob wir es mit
einer exzeptionell nur zugunsten deutscher Staatsangehörigen oder nur zum besonderen Schutze
gerade der deutschen Rechtsordnung gegebenen Vorschrift, die eine analoge Anwendung nicht
zuläßt, oder aber mit der Anerkennung eines allgemeinen Prinzips zu tun haben. Eine wirk-
liche Willkür ist jedenfalls dem Richter damit nicht eingeräumt, und besonders beklagenswert
sind die so entstandenen Lücken nicht; denn genau betrachtet wird man nicht leicht eine Gesetz-
gebung finden, die nicht für das internationale Privatrecht zu bedeutenden Zweifeln Anlaß
gäbe oder erhebliche Lücken zeigte, und immerhin sind Lücken, welche allmählich Wissenschaft
und Praxis ausfüllen, verkehrten Vorschriften vorzuziehen, die ganze Materien in Verwirrung
bringen. Aus diesem Grunde ist auch der gänzliche Mangel an Bestimmungen über das Recht
der aus Verkehrsverträgen entspringenden Obligationen nicht zu beklagen. In letzter Linie
dürfte bei den Entschließungen des Bundesrats die richtige Ansicht mitgewirkt haben, nach