Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

244 L. von Bar. 
das im übrigen über das fragliche Verhältnis entscheidende Gesetz die Regel „Locus regit actum“ 
ganz oder teilweise außer Kraft setzt; z. B. kann das in der Heimat der Beteiligten geltende 
Gesetz für eine im Auslande einzugehende Ehe gleichwohl gewisse Förmlichkeiten vorschreiben. 
Eine derartige Rechtsvorschrift ist keineswegs ungültig oder völkerrechtswidrig, wenn auch 
möglicherweise wegen der Schwierigkeit, im Auslande die im heimatlichen Gesetze vorgeschrie- 
benen Formen zu beobachten, bedenklich, auch unter Umständen deshalb, weil daraus sehr 
leicht Täuschungen und Schädigungen hervorgehen können. 
Nur für die von dem Gesetze des Orts der Errichtung (genauer von dem Staate, welcher 
die Autorisation verliehen hat) für einen Akt mit publica fides vorgeschriebenen Formen ist 
jedes Gesetz obligatorisch. Denn nur unter Voraussetzung der Beobachtung jener Formen ist 
dem Beamten, dem Notar, Konsul publica sides überhaupt verliehen. Dagegen ist es aller- 
dings ein Verstoß gegen die vom Gesetzgeber innezuhaltende Zuständigkeitsgrenze, wenn der 
Gesetzgeber für gewisse etwa in seinem Territorium vorgenommene Rechtsakte, die materiell 
durchaus einem fremden Gesetzgebungsgebiet angehören, die Beobachtung der in seinem Ge- 
biete geltenden Form für obligatorisch erklärt. Eine solche, unter Umständen zu schweren und 
unlösbaren Verwicklungen Anlaß gebende Vorschrift findet sich aber (vgl. schon Reichsgesetz 
v. 6. Febr. 1875 §F 41) im Art. 13 des EG. BGB.: „Die Form einer Ehe, die im Inlande 
geschlossen wird, bestimmt sich ausschließlich nach den deutschen Gesetzen.“ (S. unten § 25.) 
Form eines Rechtsgeschäfts ist das und nur das, was jeder beobachten kann, wenn auch be- 
obachten muß, um seinen freien Willen zur Geltung zu bringen. Das Erfordernis einer 
fremden Zustimmung, wenn diese rechtlich verweigert werden kann, z. B. Zustimmung des 
Vaters, des Vormundes, Ehemanns, ist nicht Form des Rechtsgeschäfts. Die englisch-nord- 
amerikanische Jurisprudenz wendet übrigens die Regel „Locus regit actum“ in einem weiteren 
Umfange an. Dagegen sind andere Beschränkungen der Regel „Locus regit actum“, z. B. auf 
Formen, die nur des Beweises wegen vorgeschrieben sind, schon wegen der Unmöglichkeit einer 
genügenden Begrenzung zu verwerfen. 
Unrichtig ist es auch, die Regel nicht anzuwenden, wenn etwa die Parteien, gerade um 
nicht das Geschäft unter die Formvorschriften des Inlandes zu stellen, dasselbe im Auslande 
vornehmen. Ein sogenanntes Handeln in fraucem legis liegt hier nicht vor. 
§ 16. Die Behandlung des internationalen Privatrechts im 
Einführungsgesetz zum deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch. Die in 
dem E. enthaltenen Vorschriften über das internationale Privatrecht sind weit weniger voll- 
ständig als diejenigen, welche die früheren Entwürfe des BGB. ausstellten. Die Gründe 
dieser vom Bundesrate an den früheren Entwürfen vorgenommenen Anderungen sind nicht 
bekanntgegeben, und aus den Verhandlungen des Reichstages, der den vom Bundesrat fest- 
gestellten Entwurf, soviel das internationale Privatrecht betrifft, mit nur unbedeutenden Ande- 
rungen annahm, ist über jene Gründe auch Aufschluß nicht zu erhalten. Jene wichtigen Ande- 
rungen bestehen aber wesentlich darin, daß für eine Reihe von Fragen zwar die Fälle der 
Anwendung des deutschen Rechts bestimmt sind, dagegen nicht gesagt ist, welches auswärtige 
Recht im Falle der Nichtanwendung des deutschen Rechts für maßgebend zu erachten ist. 
Der richtigen Ansicht nach sind die so entstandenen Lücken durch die Wissenschaft (vgl. oben 
§ 5) auszufüllen; insbesondere ist nach Maßgabe der Wissenschaft festzustellen, ob wir es mit 
einer exzeptionell nur zugunsten deutscher Staatsangehörigen oder nur zum besonderen Schutze 
gerade der deutschen Rechtsordnung gegebenen Vorschrift, die eine analoge Anwendung nicht 
zuläßt, oder aber mit der Anerkennung eines allgemeinen Prinzips zu tun haben. Eine wirk- 
liche Willkür ist jedenfalls dem Richter damit nicht eingeräumt, und besonders beklagenswert 
sind die so entstandenen Lücken nicht; denn genau betrachtet wird man nicht leicht eine Gesetz- 
gebung finden, die nicht für das internationale Privatrecht zu bedeutenden Zweifeln Anlaß 
gäbe oder erhebliche Lücken zeigte, und immerhin sind Lücken, welche allmählich Wissenschaft 
und Praxis ausfüllen, verkehrten Vorschriften vorzuziehen, die ganze Materien in Verwirrung 
bringen. Aus diesem Grunde ist auch der gänzliche Mangel an Bestimmungen über das Recht 
der aus Verkehrsverträgen entspringenden Obligationen nicht zu beklagen. In letzter Linie 
dürfte bei den Entschließungen des Bundesrats die richtige Ansicht mitgewirkt haben, nach
	        
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