Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

246 L. von Bar. 
fähigkeit, auszugehen ist — beruhen aber auf völlig verschiedenen gesetzgeberischen Zwecken. 
Beschränkt man Personenklassen in der Rechtsfähigkeit, so will man sie rechtlich benachteiligen; 
beschränkt man sie in der Geschäftsfähigkeit, so will man sie rechtlich schützen, schützen vor den 
nachteiligen Folgen, welcher ihr eigner, durch ungenügenden Verstand leicht mißleiteter Wille 
ihnen bereiten könnte. Aus dem grundverschiedenen Zwecke ergibt sich international eine völlig 
verschiedene Behandlung. 
1. Die Rechtsfähigkeit ist zu beurteilen nach demjenigen Gesetze, dem das im einzelnen 
Falle fragliche Rechtsverhältnis auch im übrigen unterstellt ist. Also ist nicht — wie Savigny 
meinte — hier immer das Gesetz des urteilenden Richters anzuwenden, vielmehr ist z. B. die 
Frage, ob jemand Grundeigentum erwerben könne, nach der Lex rei sitae zu beurteilen, und 
jemand, der nach den Gesetzen seiner Heimat Sklave wäre, ist, solange er bei uns sich aufhält, 
frei und kann nicht in Gemäßheit seiner heimatlichen Gesetze bei uns vindiziert werden. Das 
EG. BGB. hat nun zwar keine allgemeine Bestimmung über die Rechtsfähigkeit physischer 
Personen. Aber während das Gesetz allgemein nur über die Geschäftsfähigkeit der Personen 
Bestimmung trifft (Art. 7), äußert es sich im Art. 9 über die Zuständigkeit zum Erlaß einer 
Todeserklärung und über die Wirkung der letzteren in einer Weise, welche erkennen 
läßt, daß es von der Beurteilung der Rechtsfähigkeit nach jenem soeben für richtig erklärten 
Prinzip ausgeht; denn in der sogenannten Todeserklärung wird gesagt, daß der für tot Erklärte 
nicht mehr als Rechtssubjekt in Ansehung bestimmter Rechtsverhältnisse zu gelten habe. Daher 
kann nach Art. 9 im Deutschen Reiche für tot erklärt werden nicht nur ein Deutscher, sondern 
auch ein Ausländer, letzterer aber mit Beschränkung der Wirkung der Todeserklärung auf die 
nach deutschen Gesetzen zu beurteilenden Rechtsverhältnisse .Jedenfalls wird hiernach auch 
im Deutschen Reiche anzuerkennen sein die im Auslande erfolgte Todeserklärung eines Aus- 
länders für diejenigen Rechtsverhältnisse, welche dem Rechte des Staates unterlie gen, dessen 
Gericht die Todeserklärung ausgesprochen hat. (Die Todeserklärung ist kein Urteil im Sinn 
der 3PO. § 328, vielmehr ein Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit.) 
(Uber juristische Personen vgl. oben §& 11.) 
* 2. Die Gesetze, welche die Geschä ftsfähigkeit einschränken, dagegen anlangend, 
so folgt aus dem Zwecke dauernder Fürsorge für die in der Geschäftsfähigkeit beschränkten 
Personen, daß diese Fürsorge jedenfalls ihre Grenze an demjenigen findet, was der Staat 
hierin für notwendig erklärt, dem die betreffende Person dauernd angehört; eine weitergehende 
Fürsorge, die der Person etwa in einem anderen Staate zuteil werden sollte, würde nur Ver- 
wirrung hervorbringen, wie z. B., wenn der Staat 4 eine in seinem Gebiete sich aufhaltende, 
dem Staat B angehörige und nach dessen Gesetzen schon volljährige Person deshalb noch als 
geschäftsunfähig behandeln wollte, weil sie nach den in A geltenden Gesetzen das Alter der 
Volljährigkeit noch nicht erreicht haben sollte. Dagegen folgt für den umgekehrten Fall — daß 
eine nach ihrem heimatlichen Rechte geschäftsunfähige, nach dem Rechte des Aufenthaltsortes 
aber geschäftsfähige Person an letzterem Orte Rechtsakte vornimmt — die Ungültigkeit des 
Rechtsaktes keineswegs mit Notwendigkeit. Indes läßt sich für den europäischen Kontinent 
ein allgemeines, auch durch evidente Zweckmäßigkeitsgründe gestütztes, auf die Postglossatoren 
und die Statutentheorie zurückführendes Gewohnheitsrecht behaupten, kraft dessen die all- 
gemeine Geschäftsfähigkeit lediglich nach dem heimatlichen Gesetze der Person beurteilt wird, 
und zwar wird nicht nur die Existenz der Geschäftsunfähigkeit, sondern auch deren Wirkung 
nach dem heimatlichen Gesetze der Person beurteilt. Die mit der Geschäftsunfähigkeit vom. 
Gesetzgeber verfolgten Zwecke würden leicht illusorisch gemacht werden können, wenn mit Über- 
schreitung der Grenze eines fremden Staates die bevormundete Person plötzlich geschäfts- 
fähig werden könnte, und was würde es anderseits dem Staate A nützen, wenn er eine nach seinen 
Gesetzen ge schäftsfähige, nach den Gesetzen der Heimat aber geschäftsunfähige Person wegen 
eines in seinem Gebiete vorgenommenen Rechtsaktes verurteilen wollte, die Gerichte des 
Heimatstaates aber, welche man in den meisten Fällen um Vollstreckung des Urteils ersuchen 
müßte, die Vollstreckung verweigern würden? Allerdings beurteilt die englisch-nordamerikanische 
Jurisprudenz die Geschäftsfähigkeit nach der Lex loci actus und beruft sich dafür auf den Zweck- 
mäßigkeitsgrund der bona fides des Verkehrs: der Mitkontrahent könnte durch spätere Be- 
rufung des Ausländers auf dessen unbekannte Heimatsgesetze leicht getäuscht werden. Indes
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.