Bürgerliches Recht. 25
Recht hat dies tunlich vermieden; doch konnte es nicht umhin, in einigen Fällen etwas, was sich
im Bereich einer Person befand, als Vermögensganzes zu behandeln, so das Pekulium des Sklaven
und Haussohns, das diesem neben anderem Vermögen zur Bewirtschaftung übergeben wurde;
nicht, als ob er Eigentümer geworden wäre, wohl aber in der Art, daß es für seine Schulden
haftete, als wenn ihm das Eigentum zugekommen wäre. Im modernen Rechte treten noch
ganz andere Fälle herwor, so insbesondere der Fall der Vor= und Nacherbschaft, sodann der Fall,
daß bei der Beerbung das Vermögen selbständig bleibt infolge von Nachlaßverwaltung oder
Nachlaßkonkurs; ferner der Fall, daß das Vermögen in die ehemännliche Nutznießung oder in
die elterliche Nutzunießung und Vermögensverwaltung tritt, dies insbesondere auch, wenn Vor-
behaltsgut und eingebrachtes Gut unterschieden werden sollen, endlich bei der Gütergemeinschaft,
wo Vorbehaltsgut, eingebrachtes Gut und Gesamtgut nebeneinander bestehen können; hier
überall ist es von großer Wichtigkeit, daß das Vermögen im Recht als Ganzes behandelt wird
und als solches seine richtige Stellung findet.
Eine der wichtigsten Folgerungen der Vermögenseinheit ist das an erster Stelle (a) er-
wähnte Prinzip des Ersatzes, welches die gemeinrechtliche Lehre in dem Sprichwort ausgedrückt
hat: Res succedit in locum pretii et pretium in locumre i. Dieser Grund-
satz ist wesentlich 1. Hat jemand z. B. eine fremde Erbschaft, so fällt alles, was er mit Erbschafts-
sachen erwirbt, in die Erbschaft hinein, und wenn der Erbschaftsanspruch gegen ihn erhoben wird,
so können alle diese Sachen als Eigentum des Anspruchsberechtigten herausverlangt werden;
und wenn etwa der Besitzer im Konkurs wäre, so würden alle diese Sachen aus dem Konkurs
ausgesondert. Eine besonders wichtige Folge der Vermögenseinheit ist ferner die unter #) be-
zeichnete Schuldenhaftung, indem jedes Vermögen zunächst für seine Schulden haftet und erst,
wenn diese berichtigt sind, das eine Vermögen auch für die Schulden des anderen in Anspruch
genommen werden kann. Ist auf solche Weise die Sachgesamtheit bedeutsam, so ist es doch
unrichtig, sie zu einer neuen eigentumsfähigen Sache zu erheben, was zu den Irrtümern Sohms
und zu den größten praktischen Unzuträglichkeiten führen würde 2.
Fünftes Buch.
Rechtsverkehr.
* 18. Das bürgerliche Recht kennt Rechte und Rechtslagen, die aus dem ob-
jektiven Recht hervorgehen; denn das objektive Recht gestaltet die Rechtsordnung so, daß den
einzelnen Personen ein bestimmter Rechtskreis zugewiesen wird, in welchem sie sich einschließen
und frei bewegen können. Ein solcher Rechtskreis heißt Recht (subjektives Recht), und zwar ist
das subjektive Recht nicht etwa bloß die seidene Schnur, die den Kreis umgibt, sondern sein Inhalt
selbst: das Recht gibt nicht etwa bloß Ansprüche gegen Dritte, so daß ein gewisser Genußgehalt
indirekt geschätzt wird, sondem der Genußgehalt wird selbst in das Recht aufgenommen.
Aus dem Rechte aber geht der Anspruch hervor, d. h. die Befugnis, von jemandem
zu verlangen, daß er, um mit dem Rechte in Einklang zu stehen, etwas tue oder von etwas ab-
lasse. Dieser Begriff des Anspruches ist ein notwendiges Konstruktionsmittel und eine treffliche
Errungenschaft unseres Rechtes; ohne ihn ist vieles in unserem Recht gar nicht aufzubauen;
die Verjährung ist eine Verjährung der Ansprüche, und auch sonst gibt es Fälle des Rechts mit
gebundenen Ansprüchen, ausnahmsweise auch Fälle von Ansprüchen ohne Recht 8. Allerdings
muß man den Anspruch auch richtig auffassen; insbesonderc liegt ein Anspruch noch nicht dann
vor, wenn jemand ein betagtes oder befristetes Recht hat, sondern erst dann, wenn der Tag ein-
getreten ist, denn erst dann hat er die Befugnis, etwas zu verlangen. Ebenso ist ein Anspruch
1 Bal. auch Waller, Surrogation (1904) S. 31 f., 41 f.
Unrichtig Gierke, Privatrecht II S. 53. Z. B. ber A besitzt eine Bibliothek, in der sich
100 gestohlene Bücher befinden; er verkauft die Bibliothek an den B. Sollte er sich durch den Ge-
sammterlaul von dem Vorwurf der Unterschlagung und der Erwerber von dem Vorwurf der Hehlerei
ern?
* Ansprüche ohme Recht, z. B. Ansprüche aus einer Auflage von Todes wegen; val. Arch.
f. b. R. XXI S. 259 f.