Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

Überblick über das englische Privatrecht. 315 
führt (heute sind zirka zwei Drittel des vereinigten Königreichs entail), und zwar waren es die 
Juristen (Orlando Bridgman), welche unter Verwendung des gegebenen Rechtszustandes eine 
sinnreiche und schmiegsame Form für die Errichtung von Familienstiftungen, nun settlements 
genannt, ersannen: der Stifter, gewöhnlich der Vater des zunächst Bedachten, verleiht diesem, 
dem Sohne, das Gut zum bloßen lebenslänglichen Nießbrauch (estate kor life), dessen erst- 
geborenem Sohn aber als fee tail; hier kann erst dieser Enkel, und zwar erst wenn er tenant 
in tail geworden ist, also erst nach seines Vaters Tode (vorher nur mit Genehmigung des sog. 
Pprotector of the settlement, eines Vertrauensmanns des Stifters), das entail zum fee simple 
machen; tatsächlich zieht er es aber schon im Augenblick der erreichten Volljährigkeit vor, mit 
dem Vater gegen Gewährung einer Leibrente einen Vertrag dahin zu schließen, daß die Stiftung 
wieder auf drei Leiber, nämlich für seinen Vater, ihn selbst und seinen künftigen Sohn, er- 
neuert wird. So wird das Fideikommiß von Generation zu Generation nach Bedürfnis neu 
gestiftet, und jedesmal können Modifikationen, besonders zugunsten jüngerer Geschwister und 
der Witwe, getroffen werden. 
b) Nichtvererbliches freeboldc (kfr. not of inheritance) entsteht durch Rechts- 
geschäfte (conventional) oder tritt von Gesetzes wegen auf Grund anderer Tatbestände ein 
(legal); bei /&77) der ersteren Gruppe handelt es sich hauptsächlich um Vergabungen auf Lebens- 
zeit des Empfängers, also um den eben schon beim entail erwähnten Fall des estate kfor life; 
daneben erscheinen auch Vergabungen auf Lebenszeit eines Dritten (estate pur autre vie). 
Ein estate kor lise gewährt auf Lebenszeit das volle Herrschaftsrecht, der Leibzüchter ist aber, 
ohne übrigens kautionspflichtig zu sein, den Anfalls= und Heimfallsberechtigten verantwortlich 
für waste (voluntary und permissive) und hat anderseits an dem Gute, dem settled land, das 
Recht der Verfügung und Belastung, insbesondere der Verpachtung, nur im Rahmen seines 
Rechts; indessen sind in letzterer Beziehung durch die settled estate act von 1877 und die 
settled land act von 1882 im Interesse der Landeskultur und einer freieren Gebarung der Fidei- 
kommißinhaber, die ja nach dem oben Gesagten in aller Regel ihr Familiengut in der Form 
der Leibzucht nutzen, sehr weitgehende Erleichterungen gewährt worden; danach kann im 
Prinzip der rechtliche Bestand des Guts angegriffen werden, wenn nur der Wert des Rechts 
(durch entsprechende Meliorationen) dem Sukzessor erhalten bleibt (ef. Pollock, Grund- 
besitz S. 248). — Als legal estates for life kommen in Betracht die estates by the courtesy of 
England, in dower und of tenant in tail after possibility of issue exstinct; der letztere Fall 
ist bereits oben beim entail erwähnt; die beiden ersten gehören dem ehelichen Güterrecht an, 
und zwar ist die courtesy of England das Leibzuchtrecht des Mannes am gesamten Immobiliar- 
nachlaß der Frau bei beerbter Ehe, dower (doarium, dos) die gesetzliche Leibzucht der Frau 
an einem Teil (maximal ½) der Immobilien des verstorbenen Mannes (s. u. § 9). 
IP) Eine untergeordnete Art der estates bilden, als estates less then freehold, 
die drei Formen der estates at will, estates by sufferance und estates for years; sie sind 
chattels real (s. v. u. 1) und unterstehen im Gegensatz zum freehold dem Mobiliarrecht, was 
praktische Bedeutung besonders für die rechtsgeschäftliche Begründung dieser Rechte (nicht 
livery of seisin, sondern formloser Vertrag, neuerdings deed, d. i. gesiegelter Vertrag), für ihre 
Vererbung und in Einzelpunkten auch für ihre Verfolgung hat. Der tenant at will steht 
in einem dinglichen, aber sowohl von seiner Seite wie seitens des Vergabenden jederzeit will- 
kürlich lösbaren Verhältnis zum Gut; doch gilt zu seinen Gunsten gegenüber dem Herrn der 
Satz: „wer sähet, der mähet", und anderseits kann er nicht durch vorzeitige Aufgabe des Gutes 
der Zahlung der laufenden halb= oder vierteljährlichen Zinsraten sich entziehen. Charakteristisch 
für das englische Immobiliarrecht ist, daß sogar der temant at sufferance einen estate, 
also ein dingliches Recht hat, obwohl es sich dabei nur um Personen handelt, welche über die 
Dauer eines ihnen eingeräumten, zeitlich begrenzten Rechts hinaus in possession geblieben 
ist; freilich kann dieser tenant jederzeit entfernt werden, doch unterliegt er nicht der trespass- 
Klage (u. Nr. 8). Weit wichtiger als diese beiden Arten der chattels real aber sind die estates 
for years, seit dem 12. Jahrhundert als beneficial leases erscheinend; in ihrem Wesen von 
einheitlicher Gestaltung, zerfallen sie in der praktischen Anwendung doch wieder in zwei Gruppen. 
Einerseits stellen sie die regelmäßigen Formen der englischen Immobilienmiete und Fpacht 
(lease) dar; hier wird der estate auf eine mäßige Anzahl von Jahren begründet: die Gebäude-
	        
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