32 J. Kohler.
anerkenntnis im Sinne des 8 7811; dagegen hat der Gläubiger kein Deckungsrecht, weder ein
gerichtliches (also keine wirksame Klage, keine Vollstreckung), noch ein außergerichtliches, also
auch keine Aufrechnung (§ 390) und keine Selbsthilfe (§ 229).
Die Weigerung im Falle der Verjährung ist der Individualität des Anspruchbetroffenen
anheimgestellt. Es ist eine Gewissensfrage, die Verjährung vorzuschützen oder nicht; denn die
Gründe der Verjährung liegen darin: es soll einerseits nicht etwas noch einmal verlangt werden,
was schon berichtigt ist, und anderseits soll nicht von früherer Zeit her ein altes Schuldverhältnis
in unzeitiger Weise gebracht werden, wodurch möglicherweise die ganze Vermögensberechnung
einer Person über den Haufen geworfen würde; es soll insbesondere nicht eine zeitlich zusammen-
gelaufene Gruppe von Ansprüchen, welche regelmäßig aus den Erträgnissen des Vermögens ge-
tilgt worden wären, admassiert und in einer Masse aus dem Vermögenskapital des Schuldners
herausverlangt werden, so beispielsweise, wenn jemand Zinsen von zwanzig Jahren her auf einmal
zur Eintreibung brächte. Ob nun durch ein unzeitiges Eintreiben ein Unrecht geschieht, ob es sich um
einen erloschenen Anspruch handelt, dessen Erlöschen schwer beweislich ist, ob die Geltendmachung
in obiger Weise ein sachwidriges Einwirken der Vergangenheit auf die Gegenwart darstellt,
das ist dem Gewissen des Schuldners anheimgestellt. Macht er die Verjährung nicht geltend,
zahlt er, dann hat er das Gegenteil gewählt, und darum gilt der Grundsatz, daß, wer eine ver-
jährte Forderung zahlt, nicht in der Lage ist, das Gezahlte zurückzuverlangen, auch dann nicht,
wenn er diese Erwägung irrtümlich gemacht, oder wenn er sie gar nicht gemacht und vielleicht
die Verjährung gar nicht gekannt hat. Diesem Gedankengang unterstehen insbesondere die
sogenannten kurzen Verjährungen, bei denen es sich gewöhnlich um kleinere Summen handelt,
die aber nichtsdestoweniger für das Leben von ganz unermeßlicher Bedeutung sind: so bei An-
sprüchen der Geschäftsleute gegenüber dem Publikum, und zwar der Geschäftsleute im Sinne
von Kaufleuten wie von Handwerkern, d. h. solchen, welche Werke oder Dienste leisten oder
die Lieferung fertigzustellender Sachen übernehmen. Derartige Personen sollen zeitig ihre
Rechnungen senden, damit man sicher ist, daß der Betrag noch aussteht, ohne daß man die Quit-
tungen in inkinitum aufzubewahren und zu registrieren braucht, aber auch damit man einen
Uberblick über den Vermögensstand in einer bestimmten Periode seiner Hausverwaltung gewinnt
und sein Soll und Haben danach einrichtet 2. Die bezeichnete Verjährung ist eine zweijährige,
beginnt aber erst mit Schluß des Kalenderjahres. Ganz besonders wichtig ist auch die vierjährige
Verjährung von Zinsen und anderen periodischen Leistungen. Von großer Wichtigkeit ist auch
die dreijährige Verjährung von Verpflichtungen aus unerlaubter Tat, die allerdings erst mit
der Kenntnis von der Vergehung, von der Person des Täters und dem daraus hervorgehenden
Schaden beginnt: auch sie ist von größter Bedeutung, denn wem wird nicht die eine oder andere
Schuldhaftigkeit zur Last fallen? Insbesondere welcher Beamte wird nicht da oder dort einen
Fehler begehen, der ihn verantwortlich machen kann? Und welche Sicherheit und welche Be-
ruhigung muß nicht eintreten, wenn nach drei Jahren die Verjährung darüber hinweggeglitten
und der Beamte gedeckt ist! §§ 196, 197, 852 BGB. .
Im übrigen gilt außerdem die althergebrachte dreißigjährige Verjährung, Is 195, 218
BG. .
So ist die Verjährung ein Regelungs-, Ordnungs- und Beruhigungsinstitut höchsten
(Mon. ad prov. Parm. pert. 16 p. 101) eine zwanzigjährige Verjährung unter Kaufleuten, Novara
(1277) Art. 266 eine zweijährige Verjährung des Anspruchs aus der Verwaltung; in Como 1258
Art. 218 (M. hist. patr. XVI p. 85) verjährt der Ackerzins in drei Jahren, eine Zeitlang auch der
Geldzins (Como 1203 Art. 250, aber aufgehoben 1222 Art. 251, Monum hist. patrige ib. p. 94. 95)
u. a. Vgl. auch Lutzau, Lehre von der Klagenverjährung nach liv-, est= und kurländischem
Privatrecht 1 S. 53 f.: auch dort war die Gesetzgebung vielfach tätig; sie führte namentlich die
kurzen Verjährungen ein. Vgl. ferner Ordonn. Metz 1564 Bourd. de R. II p. 377 u. a.
Vgl. RG. 29. Dezember 1911 Entsch. 78 S. 163; 2. April 1912 Entsch. 78 S. 130.
Vgl. Lehrbuch 1 S. 239. Daß die Verjährung nicht nur eine Sicherung sein soll gegen noch-
malige Zahlung, sondern zugleich cine Garantie für Ordnung und Ubersicht, ein Schutz des Kapitals
gegen das Überfluten von nachträglichen Zinsansprüchen, wird meist übersehen, obgleich ich bereits
in der ersten Auflage darauf aufmerksam gemacht habe.
* Uber die einzelnen Fälle Lehrbuch 1 S. 253 f. Das Automobilgesetz 3. Mai 1909 hat für die
Schadenshaftung zwei Jahre bestimmt, 3 14. Über die Regreßverjährung vgl. unten S. 96.
Sie ist für unsere Zeit viel zu lang; zehn Jahre wären genug! In England meist 6 Jahre.