Grundzüge des romanischen Rechts. 363
in Ermangelung dieser Autorisation nicht schlechthin ungültig, sonderm meist nur der Resti-
tution unterworfen. Cf. Art. 1125, 1305 ff. CN. In diesen und den Fällen der Anfecht-
barkeit eines Geschäfts (z. B. wegen Geschäftsirrtums, Betrugs, Drohung) erfolgt die An-
fechtung durch Klage (mit zehnjähriger Frist seit Beendigung der Anfechtungssituation).
Die durchgeführte Anfechtung wirkt rückwärts, wie wenn das Geschäft nie abgeschlossen worden
wäre.
Eine ähnliche Rückwirkung wird der erfüllten Suspen siv= und auch der Resolutiv-
bedingung eines Geschäftes beigelegt, jedoch ohne ausdrücklich gewollte Zwischenwirkungen
zu ignorieren (condicioni dies inest). Umgekehrt wird während des Schwebens der Bedingung
das sog. periculum deteriorationis vom Gläubiger insofern nicht getragen, als er Auflösung
des Vertrages fordern darf. Ckf. Art. 1179, 1182 ff. CN.
§ 7. Die Verjährung der Ansprüche wird mit der Ersitzung zusammen behandelt.
Verjährung des dinglichen Anspruchs schließt danach regelmäßig den dinglichen Rechtserwerb
eines anderen in sich ein. Verjährbar sind alle Ansprüche mit Ausnahme der sog. Standes-
klagen, des Teilungsanspruchs während Bestehens der Gemeinschaft usw. Die Verjährungs-
frist ist 30 Jahre; die gewöhnlichen Ansprüche des Verkehrslebens verjähren in kurzer Zeit.
Stillstand und Unterbrechung der Verjährung sind ähnlich wie bei uns geregelt, ebenso (vor-
behaltlich des oben Gesagten) die Wirkung der Verjährung, einschließlich des Verzichts auf ihre
Geltendmachung.
II. Obligationenrecht.
1. Allgemeines Schuldrecht.
§ 8. In der Lehre von den Schuldverhältnissen solgen die romanischen Gesetzbücher im
wesentlichen dem römischen Rechte, in der Ausbildung, welche dasselbe durch die praktischen
Juristen Frankreichs Cothier, Domat etec.) gefunden hatte. Bei aller Eleganz läßt das
Gesetz hier größere Feinheit vermissen. Man vertraut darauf, daß aus den Grundsätzen von
Treu und Glauben (der sog. naturalis aequitas) und der Verkehrssitte bei der souveränen Macht-
stellung, die das Gericht in den romanischen Ländern genießt, sich die notwendige Ergänzung
von selbst ergebe. Im großen und ganzen darf behauptet werden, daß die Grundsätze über die
allgemeine Natur, Subjekt und Gegenstand, Entstehung, Aufhebung und UÜbergang der Schuld-
verhältnisse auf andere Personen (Art. 1101—1386) sowie über die hauptsächlichsten Verträge
des Verkehrslebens (Art. 1582—2058 CN.) im wesentlichen unsern Rechtsanschauungen ent-
sprechen.
Vgl. Crome, Die Grundlehren des französischen Obligationenrechts (1894); italienische
Ausgabe 1908. — Saleilles, Théorie générale de l’obligation d'apres le projet du Code
civil Allemand (1890). — audry-Laàacantinerie (harde), Des contrats et oblig. con-
ventionelles en général, 2 Bde. — Bufnoir, Propriété et contrats (1900). — Pandectes fran-
caises s. v. Obligations (Weiss etc.). — Entsprechend De Crescen zio & Ferrini s. v.
Obbligazione in Enciclopedia giuridaica. — Lomonaco in Fiore. — Giorgi, Obbligazioni nel
dir. mod. ital. (5. Aufl.). — Polacco, desgl. (1899). — Bindi, Le obbligaz. e 1l contratto
(1896) etc.
Hervorzuhebende Punkte sind folgende:
§ 9. Abstrakte Schuldverträge werden nicht anerkannt. Jede
Verbindlichkeit muß ihren Rechtsgrund (causa) haben und ist in deren Ermangelung nichtig.
Nennt der Schuldschein die causa nicht, so muß der Gläubiger sie beweisen, widrigenfalls er
nicht fordern kann (Art. 1131 ff. CN.). Dies trifft auch den Anerkennungsvertrag (Art. 1337),
der somit nur im Sinne des römischen constitutum wirksam werden kann. Dagegen sind die
reale Erfüllung einer Verbindlichkeit und der Erlaß abstrakt gültig (arg. Art. 1282, 1376 ff. CN.)
wegen der Gunst, welche die Befreiung des Schuldners für sich hat.
§ 10. Naturalobligationen, die noch vereinzelt vorkommen (z. B. Spielschulden,
Aussteuer ehelicher, Unterhalt nicht anerkannter unehelicher Kinder usw.), stehen im allgemeinen