Grundzüge des romanischen Rechts. 365
auch sei, die einem anderen Schaden verursacht, den Schuldigen zum Ersatze dieses Schadens
gegenüber dem Beschädigten verpflichtet. Art. 1382 ff. Die Bedeutung dieses Satzes ist uni-
versell; unser gesamtes Deliktsrecht, einschließlich des sog. unlauteren Wettbewerbs, wird dadurch
umfaßt, — Ersatz, nicht bloß vermögensrechtlicher, sondern auch der sog. immateriellen
Schäden wird in liberalster Weise zugestanden. Dabei haften Eltern, Hausherrn
und Kommittenten, Lehrer und Gewerbetreibende atauch für die Hand-
lungen ihrer Kinder, Untergebenen usw. Nur der Nachweis, daß sie die Tat nicht verhindem
konnten, schließt in gewissen Fällen die Verantwortlichkeit aus. Art. 1384 ff. CN. 1
III. Sachenrecht.
1. Eigentum.
§ 16. Da der Sachbegriff auch auf unkörperliche Gegenstände erstreckt wird (§ 5), spricht
man von Eigentum nicht bloß in dem uns geläufigen Sinne, sondern auch vom Eigentum an
Geisteswerken. Immerhin unterstehen die Immaterialgüterrechte, ähnlich wie bei uns, be-
sonderen Bestimmungen (vgl. z. B. die franz. Gesetze v. 14. Juli 1866 u. 9. April 1910, auch
5. Juli 1844 u. 31. Mai 1856 italienische v. 19. Sept. 1882 bzw. 30. Okt. 1859, 30. Aug. 1868,
4. Aug. 1894 über Art. 437 C. c. it.; das spanische Ges. v. 16. Mai 1902 usw.).
Das Eigentum an Sachen wird erworben durch Okkupation, soweit dieselbe zu-
gelassen ist (vgl. Art. 713 ff. CN.), Fund (Art. 717 i. f., 2279), Fruchterwerb (der nach
Art. 547 ff., 585 CN. in ähnlicher Weise wie bei uns geregelt ist) und andere sog. Akzessions-
fälle (inagedificatio, implantatio, Alluvion usw., Verbindung und Vermischung, Verarbeitung
beweglicher Sachen u. dgl.), sowie durch Ersitzung. Letztere spielt jedoch nur bei Immobilien
eine Rolle, da bei beweglichen Sachen der Besitz den Rechtstitel ersetzt.
Art. 2279 CKX. An Immobilien dagegen kann, weil es eigentliche Grundbücher nicht
gibt, das Eigentum ersessen werden; und zwar ohne weiteres in 30 Jahren ohne guten Glauben
und ohne Titel fkaußerordentliche Ersitzung), mit Titel und (anfänglichem) gutem
Glauben in 10—20 Jahren (ordentliche Ersitzung). Art. 2228 ff., 2262, 2265 ff. CN.
Die wichtigste Erwerbsart des Eigentums ist unstreitig die durch Verträge. Hier
besteht der Grundsatz, daß das Eigentum schon durch die bloße Kraft des obliga-
torischen Veräußerungsvertrages auf den Erwerber übergeht,
ohne daß es einer Tradition (Übergabe) oder des Eintrags der Veräußerung ins Grundbuch
bedarf. Art. 711, 1138, 1583 CN. 2 Dieser Grundsatz, durch den sich die romanischen
Rechte sowohl vom römischen als unserem Recht erheblich unterscheiden, würde jedoch für die
Rechtssicherheit die bedenklichsten Folgen haben, wenn er nicht teils mehrfach beschränkt
(s. o. § 14), teils durch die Vorschriften über den Beweis (Art. 1315 ff. CN.) und über das
sog. sichere Datum der Verträge (Art. 1328, 1743 eod.) ergänzt und auf ein engeres
Maß zurückgeführt würde.
Endlich ist das Erfordernis der Publizität der dinglichen Rechte für jed-
wede Erwerbsart dieser Rechte (insbesondere des Eigentums) von Bedeutung. Der materielle,
aber bloß heimliche Berechtigte genießt für sein Recht nur unvollkommenen Rechtsschutz. Hat
der Erwerber also auch in Verfolg des obligatorischen Vertrags das Eigentum erlangt, so hat er es
doch damit nicht schon vollwirksam gegen Dritte. Vielmehr bedarf es dazu, ähnlich wie bei uns,
besonderer Akte: bei Mobilien der Ubergabe (die allerdings hier nicht den Charakter eines ding-
lichen Vertrages, sondern der bloß tatsächlichen Herausgabe der Sache hat), bei Immobilien
1 S. jedoch wegen der Haftung des Staates (nicht auch anderer juristischer Personen des öffent-
lichen Rechts) D alloz 1875, III, 20; 1874, I, 379; 1877, 1I, 69; 1884, I, 301; 1904, I, 265; 1906,
II, 213. Vgl. Tirard, La responsabilité de la puissance publique (1906) und Note zu Dall.
19, III, 81. S. auch Giliberti Messina, Responsabilitä civile dello stato e delle altre
personc giuridiche per fatti ingiusti dei propri agenti (1910).
2 Entsprechend Art. 1125 C. c. ital. Auch in Spanien gilt trotz Art. 609, 1095 sachlich wohl
dasselbe, da die dort verlangte Übergabe in Art. 1462 ff. so erleichtert ist, daß sie kaum noch in Be-
tracht kommt.