Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Zweiter Band. (2)

394 Albert Osterrieth. 
Die ästhetische Durcharbeitung der einzelnen geistigen Schaffensgebiete hat dazu geführt, 
objektive Maßstäbe für die Gewinnung von Werturteilen aufzustellen, nach denen man die 
Wirkung solcher Werke zu bestimmen sucht. Die Kunstschöpfung soll Lustgefühle erregen, der 
Darstellung des Schönen dienen, auf den Geschmackssinn wirken usw. Allein solche Maßstäbe 
sind unsicher, da sie wesentlich — wenn auch aus der Erfahrung abgeleitete — Werturteile dar- 
stellen. Einen festen Anhaltspunkt gibt nur die persönliche Eigenart des Werkes, die durch 
psychologische Analyse exakt zu ermitteln ist. 
Allerdings hat die kulturelle und Verkehrsentwicklung dazu geführt, daß gewisse Schaffens- 
gebiete allein zur Pflegstätte einer individuell gestaltenden geistigen Tätigkeit gewählt wurden, 
und daß der empfangende Teil der Menschheit auch nur den Schöpfungen aus diesen Gebieten 
ein hinreichend geschultes Verständnis, ein genügendes Unterscheidungsvermögen entgegen- 
bringt, um die in den Werken zutage tretende Persönlichkeit des Urhebers auf sich wirken zu 
lassen. 
Daher scheiden für den Urheberschutz alle Erzeugnisse aus, in denen der Schöpfer nicht 
in bewußter Weise seine Persönlichkeit zu offenbaren beabsichtigt, also solche Erzeugnisse, in 
denen der sachliche Zweck alles persönliche aufwiegt, selbst wenn eine physiologisch bedingte 
Eigenart dem Erzeugnis anhaftet, wie z. B. der Handschrift des Abschreibers. 
Die überkommenen Hauptgebiete des geistigen Schaffens sind: das Schrifttum, die 
Tonkunst und die bildenden Künste. Dazu sind in neuerer Zeit infolge der Entwicklung der 
Technik einige neuere Gebiete gekommen, die Photographie und die Regie= und Vortrags- 
kunst, die durch den Kinematographen und den Phonographen eine besondere Bedeutung ge- 
wonnen hat. 
Gegenstand des Schutzes bei allen Werken ist nur die individuelle Gestaltung, ohne 
Rücksicht auf den Zweck oder den Grad ihrer Vollkommenheit. Auch einfache oder gering- 
wertige Erzeugnisse genießen Schutz, solange sie noch ein persönliches Gepräge aufweisen. 
Dem Geisteswerk gehören nicht an das, was durch die gesetzte Aufgabe zwangsläufig gegeben 
ist; ferner nicht das vorhandene stoffliche Material, sowie technische Elemente jeder Art (Sprach- 
material, Töne, die Formen der Natur), noch schließlich das gesamte, ungeformte oder geformte, 
Material, das der Schöpfer dem allgemeinen Schatz oder anderen Werken entlehnt. 
Die Ermittlung der freien Elemente eines Werkes kann nicht durch einfaches Vergleichen 
der nebeneinanderliegenden Bestandteile erfolgen, sondern nur durch eine genetische Analhse, 
die von der Aufgabe ausgehend an der Hand des Werkes selbst allmählich den Schöpfungs- 
vorgang aufbaut. 
Diese Prüfung hat aber nur im Hinblick auf einen besonderen Fall einzutreten, und auch 
nur dann, wenn Zweifel obwalten, ob gerade das einem Werk Entlehnte unter Schutz steht. 
Das Gesamtwerk als solches, das als neue Schöpfung eines bestimmten Urhebers auf- 
tritt, hat immer die Vermutung der Schutzfähigkeit für sich. Diese Vermutung kann nur 
durch Zurückgehen auf die älteren Werke, aus denen eine Entlehnung oder Nachahmung be- 
hauptet wird, widerlegt werden. 
Grundsätzlich sind alle eigenartigen Erzeugnisse der nachstehend aufgeführten Gruppen 
geschützt. Einige Ausnahmen ergeben sich aus der besonderen Artung und Zweckbestimmung 
des Werkes. 
Als Schutzgegenstände kommen in Betracht Originalschöpfungen oder selbständige Be- 
arbeitungen vorhandener Werke, gleichgültig, ob diese letzteren noch unter Schutz stehen oder 
nicht. — 
1. Schriftwerke sind Sprachschöpfungen, welche schriftlich festgelegt sind, einerlei, 
welchem Gebiet der Literatur sie angehören (schöne Literatur, Wissenschaft, populäre Dar- 
stellungen, technische Literatur usw.), ferner Bearbeitungen, wie z. B. dramatische Bearbei- 
tungen, Adaptationen, Übersetzungen und Materialsammlungen, wie Adreßbücher, Kataloge, 
Lexika usw., letztere, soweit sie in der Auswahl, Sichtung und Anordnung des Stoffes eine 
persönliche Eigenart aufweisen. 
Von nichtschriftlich festgelegten Werken werden geschützt: 
a) Vorträge und Reden, welche dem Zwecke der Erbauung, der Belehrung 
oder der Unterhaltung dienen;
	        
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