Einleitung.
§ 1. Das Bersicherungswesen und seine Entwicklung. Die Versicherung (Assekuranz)
dient dem Kampf gegen Schaden bringende Ereignisse, wie sie im Naturwalten oder im sozialen
Leben drohen. Sie dient ihm nicht durch Verhinderung des Ereignisses, sondern durch Aus-
gleich der entstandenen Schäden. Der Schadensausgleich geschieht durch Schadensver-
teilung auf mehrere Vermögen. Je größer die Zahl der bei diesem Ausgleich beteiligten
Gefahrgenossen, um so geringer und um so stetiger die Opfer, die der Einzelne bringen muß.
Nur im Großbetriebe lassen sich sprunghafte große Beiträge der Genossen vermeiden und läßt
sich annäherungsweise im voraus ermitteln, wie hoch die Beiträge der Einzelnen sein müssen,
um die zu erwartenden Schäden zu decken.
Der Ausgleich kann auf verschiedene Weise geschehen. Die gefährdeten Personen können
miteinander eine Ausgleichsgenossenschaft eingehen, so daß jeder Schade des Einzelnen
auf alle Genossen verteilt wird Gegenseitigkeitsversicherung). Die Genossen-
schaft mag Gesellschaft oder juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts sein. Die
Beitragshöhe mag nach eingetretenem Bedarf (durch Umlageverfahren) festgestellt werden,
derart, daß die schon entstandenen Schäden auf alle Genossen verteilt werden, oder sie wird
im voraus entsprechend dem wahrscheinlich notwendig werdenden Bedarf festgestellt. — Keime
einer Gegenseitigkeitsversicherung darf man schon in den Geschlechtsverbänden des Altertums,
den Handwerkerzünften, den Seefahrtsverbänden u. dgl. des Mittelalters finden, stets jedoch
ungeschieden von sonstiger Fürsorge. Seit dem Ausgang des Mittelalters begegnen besondere,
meist lokal eng begrenzte Personenverbände, die ausschließlich der Schadensausgleichung ihrer
Mitglieder dienen, wie Kuhgilden, Feuerkassen, Witwenkassen. In ihnen liegen die Wurzeln
der im heutigen Recht sogenannten kleineren Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Seit
dem 19. Jahrhundert (1821: Gothaer Feuerversicherungsbank) entstehen große Gegenseitig-
keitsvereine, die von den Aktiengesellschaften die kaufmännische Betriebseinrichtung über-
nehmen. Daneben finden sich schon seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts öffentliche Ver-
sicherungsgenossenschaften auf Gegenseitigkeit, insbesondere für die Feuer-, Vieh= und Hagel-
versicherung.
Die gefährdeten Personen können aber die Versicherung auch bei einem Außen-
stehen den suchen, der dann in der Regel aus der Gewährung der Versicherung ein Gewerbe
macht; die Versicherungsnehmer zahlen ihm Prämien, dic nach der Nähe der Gefahr und der
Größe des zu deckenden Schadens abgestuft sind und aus deren Gesamtheit er die Einzelschäden
ersetzt (Prämienversicherung). Wirtschaftlich betrachtet liegt auch hier eine Ver-
teilung des Einzelschadens auf mehrere Vermögen vor. Der Versicherer kann eine Einzel-
person, eine Gesellschaft (z. B. offene Handelsgesellschaft) oder eine juristische Person des
Privatrechts (z. B. Aktiengesellschaft) oder des öffentlichen Rechts sein. — Die Prämien-
versicherung ist im 14. Jahrhundert in Italien aus einer Umbildung des Seedarlehns (foenus
nauticum) entstanden. Während beim Seedarlehn der Kapitalist dem Seefahrtsunternehmer
ein Kapital vor Antritt der Reise hingibt und es bei glücklich bestandener Seegefahr zurück-
erlangt, bei Schiffsuntergang verliert, fällt bei der Versicherung die Darlehnsgabe weg, und
das Kapital wird dem Seefahrer erst nach Schiffsuntergang übertragen; während ferner bei
dem Seedarlehn der Kapitalist eine Prämie nur im Falle der glücklich bestandenen Seegefahr
erhält, erhält er sie bei der Versicherung in jedem Falle: die Prämie wird damit zu einem Ent-
gelt für Ubernahme des Risikos. Die Seeversicherung (anfangs als Warentransport-, dann
auch als Schiffskörperversicherung) und daneben die Landtransportversicherung sind in den