Das Privatversicherungsrecht. 419
2. Die Versicherung ist ein selbständiges Rechtsverhältnis. Die Gefahrübernahme
durch Nebenabrede ist keine Versicherung, wenn die Natur des Hauptvertrages solche vertrag-
lichen Gefahrübernahmen mit sich bringt; so wenn ein Kürschner für die verwahrten Pelze,
ein Frachtführer für das Frachtgut eine über das Gesetz hinaus gesteigerte Zufallshaftung über-
nimmt. Anders aber, wenn zwischen der Gefahrübernahme und dem Inhalte des Hauptver-
trages ein innerer Zusammenhang fehlt: so namentlich, wenn Zeitungsbesitzer ihren Abonnenten
eine Unfall= oder Haftpflichtversicherung gewähren, mag auch die Versicherungsprämie im
Abonnementspreis ungeschieden enthalten sein. (Vgl. Denkschrift über Abonnenten V., Drucks.
d. Rstags. 13. Legisl.-Per. I. Sess. 1912/13 Nr. 644). Ubernimmt ein Hypothekenmakler die
Garantie für Hypotheken, deren Erwerb er vermittelt hat, so liegt hiernach kein Versicherungs-
vertrag vor; anders, wenn er sie für Hypotheken aller Art übernimmt; Veröff. d. ApP V. 1912, 9.
3. Die Versicherung begründet eine Ersatz pflicht des Versicherers. Deshalb liegt keine
Versicherung vor, wo eine Vereinigung ihren Mitgliedern Unterstützungen gewährt, ohne
daß die Mitglieder einen Anspruch darauf haben (Gewerkvereine, die Zuschüsse zu den gesetz-
lichen Krankengeldern geben); RG. Strafs. 37, 409. Vgl. § 1 Abs. 2 Vl..
4. Die Versicherung begründet die Pflicht zum Ersatz eines Schadens. Ohne diesen
Satz bestände die Gefahr, daß was Versicherung genannt wird, in Wahrheit Wette ist. Gegen
verschleierte Wetten („Wettassekuranzen") sind schon Statuten italienischer und spanischer Städte
des 15. Jahrhunderts eingeschritten. — Für die Lebensversicherung hat man oft bestritten, daß
die Pflicht des Versicherers in der Leistung eines Schadensersatzes bestehe (so Thöl, Laband
u. a.). Aber im Durchschnitt der Fälle wird auch hier ein Schaden ersetzt: die Versicherung
wird genommen gegen die Gefahr des vorzeitigen Todes des Ernährers oder (Erlebensver-
sicherung) gegen die Gefahr des Erlebens eines bestimmten Zeitpunktes, von dem ab die
Mittel zur Lebensführung fehlen. Richtig ist aber, daß die Lebensversicherung zu anderen
Zwecken als zum Schadensausgleich benutzt werden kann und dennoch gültig ist 1; richtig, daß,
wenn sie zum Schadensausgleich benutzt wird, sie regelmäßig nicht auf Ersatz des nachweis-
lich entstandenen Schadens gerichtet ist (außer etwa, wenn sie auf den Ersatz der Beerdigungs-
kosten beschränkt ist), sondern auf Leistung einer festen Summe, und daß diese Summe zu
leisten ist, mag auch der Versicherungsfall keinen Schaden, sondern (wie beim Tod eines lang-
jährig Erwerbsunfähigen) eine wirtschaftliche Erleichterung bringen. Es wird, ähnlich wie
bei der Vertragsstrafe, nicht ein individueller, sondern ein im voraus fixierter
typischer Schade ersetzt. Hiernach besteht freilich die Gefahr einer Wettversicherung auf
fremde Leben. Ihr steuern die Gesetzgebungswerke in verschiedener Weise; bei uns § 159
Abs. 2, 3 VVG., wovon unten § 21 13.
5. Der Schaden muß aus einem ungewissen Ereignis drohen. Der Ein-
tritt des Ereignisses heißt „Versicherungsfall“; mit ihm wird der Versicherer leistungspflichtig.
Dos Drohen des Ereignisses heißt „Gefahr“. Das Ereignis muß nicht unheilvoll, es mag
dem Versicherungsnehmer selbst erwünscht sein (so ist bei der Aussteuerversicherung die Heirat
der Tochter die „Gefahr"). Für die Ungewißheit des Ereignisses genügt statt des
„ungewiß ob“ nach verbreiteter Theorie ein „ungewiß wann“: allein auch bei der Lebens-
versicherung ist ein „ungewiß ob“ gegeben, da die Versicherung nicht gegen die Gefahr des
Todes, sondern gegen die des vorzeitigen Todes (genauer: des Todes vor der Zeit, in der die
Prämien nebst Zinsen die Versicherungssumme erreichen) genommen wird. Die Ungewiß-
heit ist regelmäßig eine objektive; doch ist die Versicherung auch gültig, wenn der Ver-
sicherungsfall schon vor Begründung der Versicherung eingetreten oder sein Nichteintritt sicher
ist, wofern nur beide Teile in Unkenntnis davon sind (§2 VVG.; vgl. unten §& 11 III 2).
6. Der Versicherer bezieht für die Gefahrübernahme ein Entgelt. Wo das Ver-
sicherungsverhältnis auf einem Vertrage beruht, ist das Entgelt entweder geschuldet (Gefahr-
tragung und Entgelt sind Leistung ufrd Gegenleistung, der Vertrag ein gegenseitiger), oder die
Leistung des Entgelts ist Bedingung für die Ersatzpflicht des Versicherers, aber ohne daß der
Versicherer einen Anspruch auf das Entgelt hätte (dann ist der Vertrag ein einseitiger; früher
bei der Lebensversicherung häufig). Wo das Versicherungsverhältnis auf Gesetz beruht (gesetz-
1 Sie kann aber auch zu anderen Zwecken als zur Deckung eines „künftigen Bedarfs“ ge-
nommen werden. Dies gegen Hupka.